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Politik - 09.12.2018

Was vom CDU-Parteitag bleibt: Die alten Zeiten kommen nicht zurück

Wolfgang Schäuble ist einer der großen Verlierer dieses Parteitags.

Von B. Konietzny, J. Wutschke, H. Volmer und N. Endlich, Hamburg

Durch die CDU geht ein Riss, den Annegret Kramp-Karrenbauer und Paul Ziemiak nun kitten müssen. Friedrich Merz ging es vor allem um sich selbst. Und Angela Merkel ist einfach cool.

CDU kämpft gegen die Spaltung

Die Frage, ob künftig Annegret Kramp-Karrenbauer oder Friedrich Merz die Partei anführt, war eine Richtungsentscheidung: die Fortsetzung eines Kurses, der an das Erbe von Angela Merkel anschließt, oder die konservative Wende? Das Ergebnis der Stichwahl war knapp. Mit 51,8 Prozent gewann die bisherige Generalsekretärin. Ein Vorsprung von gerade einmal 35 Stimmen. Ein ganz erheblicher Teil der Partei hat nun nicht ihren Favoriten an der Spitze der CDU.

Das wird Folgen haben. Bereits vor dem Parteitag hieß es, Aufgabe der oder des neuen Vorsitzenden werde es sein, mit einem Generalsekretär Brücken zum gegnerischen Lager zu bauen. AKK hat genau das versucht, sie setzte JU-Chef Paul Ziemiak als ihren Nachfolger ein. Einer, der kein Geheimnis daraus macht, dass er lieber Merz oder Jens Spahn als Parteichef gesehen hätte. Das Friedenssignal fiel jedoch aus. Mit gerade einmal 62,8 Prozent wurde Ziemiak als Parteimanager gewählt. Das Ergebnis zeigt, wie zerrissen die Partei ist. Einzelne Delegierte zeigten am Samstag auf ihren Handys Austrittsformulare, die in Whatsapp-Gruppen kursieren sollen.

Merz ging es vor allem um Merz

Nach der knappen Niederlage von Friedrich Merz gab er sich zunächst als fairer Verlierer. Er sagte, er hätte "zwar gerne gewonnen", aber "die vergangenen Wochen haben trotzdem viel Spaß gemacht". In seiner Bewerbungsrede, von der nicht wenige seiner Unterstützer enttäuscht waren, hatte er zuvor noch angekündigt, auch im Fall seiner Niederlage Verantwortung übernehmen zu wollen. Das Signal sollte sein: Es geht hier nicht um Merz, es geht um die CDU. Er hätte exzellente Chancen gehabt, in den Vorstand oder das Präsidium gewählt zu werden.

Doch was macht Merz? Er lehnt alles ab, will offenbar kein Stück Verantwortung übernehmen. Das sorgt für Ärger. Dass Merz anscheinend einfach dahin zurück will, wo er hergekommen ist, zur einfachen Parteimitgliedschaft, zurück zu seinen lukrativen Jobs in der Privatwirtschaft, können viele seiner Anhänger nicht verstehen. Sie sind zornig und enttäuscht. Manche werfen ihm gar vor, dass er mit seiner "schwachen Rede" zum Scheitern verurteilt gewesen sei.

Seine prominenten Unterstützer versuchen es auf der Bühne noch mit Appellen. Mittelstands-Chef Carsten Linnemann spricht ihn bei seiner Ansprache direkt an: "Lieber Friedrich, bleib bitte bei uns. Wir brauchen dich." Es hilft nichts. Bisher hat Merz kein Signal gegeben, dass er sich auch mit weniger als dem Chefposten zufrieden geben würde.

Jens Spahn hat gewonnen

Spahn war von dem Moment an chancenlos, als Merz seine Kandidatur bekanntgab. Das war ihm klar, er kämpfte trotzdem tapfer weiter und holte am Ende das schwächste Ergebnis. Doch die 15,7 Prozent liegen deutlich über dem, was viele erwartet hatten. Und: Spahn bekam in Hamburg viel Anerkennung für sein Engagement. Sein Ehrgeiz hat in der CDU schon beinahe einen legendären Ruf – nun umso mehr. Sein Kämpfen bis zum Ende sollte ein klares Zeichen setzen: Der 38-Jährige hält sich bereit, er schreckt vor keiner Herausforderung zurück und mit ihm ist zu rechnen.

So war von Niederlagen-Stimmung nach der Wahl bei ihm auch keine Spur. Auf dem Parteiabend war Spahn im Gegensatz zu Merz allerbester Laune, lachte, machte Selfies. Und auch am zweiten Tag des Delegiertentreffens schlenderte der Gesundheitsminister in bester Stimmung durch die Gänge der Hamburger Messe, schüttelte Hände, lachte, ließ sich mit Anerkennung überhäufen. Dass ihm Merz die Unterstützer entzogen hat, war sein Fluch. In Zukunft könnte es sein Segen werden. In der CDU wird man sich bald daran erinnern, wer mit einem sehr ähnlichen Programm wie Merz und zugleich extrem motiviert ins Rennen ging und als konservative Größe auf neue Aufgaben wartet.

Endgültiger Abschied von alten Zeiten

Die CDU widersteht knapp der Versuchung, sich den vermeintlich guten alten Zeiten hinzugeben. Mit Merz scheitern auch etliche Parteigrößen, allen voran sein prominentester Unterstützer Wolfgang Schäuble. Er musste sich von Angela Merkel in deren Abschiedsrede mehrfach an den desolaten Zustand der Partei erinnern lassen, bevor sie selbst die Führung übernahm. Politisch und finanziell am Abgrund habe die CDU gestanden, so die Kanzlerin. Entsprechend versteinert war die Miene des Bundestagspräsidenten, als Merkel mit stehendem Applaus als CDU-Chefin verabschiedet wurde.

Der Parteitag zeigt: Ein weiteres Mal können sich Merkels Kritiker in der CDU nicht durchsetzen. Mit dem Wechsel an der Spitze und der Einbindung von Ziemiak als Generalsekretär dürften sie erst einmal verstummen. Erneuerung und Aufbruch waren viel benutzte Begriffe in Hamburg: Nach dem Votum für AKK und einem neuen Grundsatzprogramm könnte es damit wirklich klappen. Jedenfalls dann, wenn es Kramp-Karrenbauer und Ziemiak gelingt, das zu tun, was die Kanzlerin ihnen als Parteitagsmotto mitgegeben hat: die CDU zusammenzuführen und sie zusammen zu führen.

CDU und CSU mögen sich wieder

Der Parteitag sendet auch ein Signal der Versöhnung zwischen CDU und CSU und lässt auf einen neuen Arbeitsmodus hoffen. Zwar entsandte die bayerische Schwesterpartei sowohl ihren Generalsekretär Markus Blume als auch Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Doch mehr als nette Schnittbilder auf der Videowand produzierten sie nicht. Parteichef Horst Seehofer ließ sich aus Termingründen entschuldigen. In wenigen Wochen wird auch er von der Parteispitze abtreten.

Der traditionelle Redebeitrag der CSU fiel in Hamburg dem EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber zu. Und dieser wusste geschickt, die CDU zu umarmen. Der Streit in der Vergangenheit habe weniger an den Themen, sondern an mangelnder Kompromissbereitschaft sowie am fehlenden Willen, Brücken zu bauen, gelegen, sagte er. Am Ende stand er umrahmt von Kanzlerin und neuer CDU-Chefin auf der Bühne. Und der Saal erhob sich zum Applaus. Ein seltenes Ereignis, wie der Tagungsleiter lakonisch bemerkte.

Erst am Vortag hatte Merkel, als Volker Bouffier sie zur Würdigung zu sich auf die Bühne bat, gesagt, damit habe sie "schlechte Erfahrungen" gemacht. Schlagartig war die Szene ihrer historischen Abkanzelung durch Seehofer beim CSU-Parteitag 2015 wieder präsent. Doch nach Webers Auftritt in Hamburg wird sie ebenso schlagartig zu einem Bild aus einer fernen Zeit.

Merkel ist einfach extrem cool

Wer ihre Politik nicht mag, wird hier widersprechen. Das Urteil stimmt dennoch: Merkel ist einfach extrem cool. Wie eigentlich stets seit ihrer Ankündigung, den CDU-Vorsitz abzugeben, machte sie beim Presseabend vor dem Parteitag einen tiefenentspannten Eindruck, obwohl es in Hamburg doch – so schien es gelegentlich – mindestens um ihr Erbe und ihre Kanzlerschaft ging.

Am nächsten Morgen dann der Seehofer-Witz, als sie neben Bouffier auf der Bühne stand. Und die lockere Art, wie sie ihre Abschiedsrede hielt. "Ich habe Ihnen und euch so manchen richtig deftigen, scharfen Angriff auf den politischen Gegner, ob von links oder rechts, vorenthalten und stattdessen das Florett gewählt. Oder es vorgezogen, zu schweigen und gar nicht erst über das Stöckchen zu springen, das man mir hinhielt", sagte sie. Damit traf Merkel den Nagel auf den Kopf. "Ich weiß sehr wohl dass ich eure Nerven damit sehr auf die Probe gestellt habe."

Cool ist auch, dass ihr Plan wieder einmal aufgegangen ist. "Alle Versuche, dass diejenigen, die heute oder in der Vergangenheit tätig waren, ihre Nachfolge bestimmen wollen, sind immer total schiefgegangen", hatte Merkel im Oktober gesagt. "Und das ist auch richtig so." Diese Regel gilt nun nicht mehr. Es könnte allerdings Merkels letzter Streich gewesen sein. Über die Zukunft der CDU, der sie so viel zugemutet hat, entscheiden jetzt andere.

Und natürlich die Kabinen

Es ist ein Bild, das es so noch nie bei einem CDU-Parteitag gegeben hat: die Pappaufsteller zum selbst Zusammenfalten, auch "Tischwahlkabinen" genannt. In den Reihen der Hamburger Messehalle wurde vor jeder geheimen Abstimmung erstmals eines gemacht: gefaltet. Und das wird auch künftig so bleiben. Selbst Kanzlerin Merkel saß bei der jeder Wahl hinter einer der hellgrauen Kabinchen auf der Bühne. Vor ihr ein Meer aus Pappaufstellern, aus dem nur noch die Köpfe der 1001 Delegierten hervorlugten, die über die Zukunft der Partei und ihre Nachfolge als CDU-Chefin abstimmten.

Die neue Tischwahlkabinen haben aber auch gehalten, was sich die Parteitagsplaner von ihnen versprochen haben: Die Wahlen gingen deutlich schneller, als klassische Kabinenwahlen gewesen wären. Und auch, wenn einige Delegierte dennoch ihre Präferenz verrieten – die Wahlen blieben dank der Faltpappe flächendeckend geheim.

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