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Politik - 03.11.2018

Navidi über die USA und Trump: „Nixon war im Vergleich ein kleiner Fisch“

Für die n-tv-Reportagereihe „Wie tickt Amerika?“ ist die Wirtschafts- und Politexpertin Sandra Navidi durch Amerika gereist. Sie wollte wissen, warum Wähler für Trump stimmen – trotz aller persönlichen und politischen Eskapaden des USA-Präsidenten.

Navidi über die USA und Trump: „Nixon war im Vergleich ein kleiner Fisch“

Seit der Machtübernahme von Donald Trump brodelt es in Amerika. Die Nation ist zutiefst gespalten. Wohin steuert das Land? "Vorhersagen sind unmöglich", sagt die Finanz- und Politexpertin Sandra Navidi vor den Halbzeitwahlen n-tv.de. "Hierfür gibt es kaum Präzedenzfälle." Auch eine zweite Amtszeit für Trump hält die Wahlamerikanerin nicht für ausgeschlossen.

n-tv.de: Zwei Jahre Trump sind um. Sie kommen gerade aus New York, wo sie leben. Wie ist die Stimmung in Amerika vor den Midterm-Wahlen?

Sandra Navidi: Die Stimmung im Land ist sehr gespalten. Das habe ich auch ganz deutlich bei der Recherche und den Dreharbeiten für die n-tv Dokumentation "Wie tickt Amerika" gespürt.

Welche Veränderungen haben Sie in den vergangenen beiden Jahren beobachtet?

Die Spaltung des Landes, die es vorher schon gab, hat seit Donald Trumps Amtsantritt exponentiell zugenommen. Das hat wirtschaftliche sowie gesellschaftliche und politische Ursachen. Die Globalisierung hat einerseits zum Anstieg des weltweiten Wohlstands, andererseits aber auch zu einer wachsenden Ungleichheit geführt. Heute haben 42 Milliardäre ein Vermögen, das so groß ist, wie das der 3,7 Milliarden ärmsten Menschen. Trump macht zwar nebulös Eliten dafür verantwortlich. Aber konkret zeigt er mit dem Finger auf Volksgruppen wie Mexikaner, Chinesen und Muslime. Er hetzt Gruppen der Gesellschaft gegeneinander auf. Auch die Digitalisierung ist ein Grund für die Spaltung. Gemeinschaften verlieren ihren Zusammenhalt. Die Leute gehen nicht mehr in die Kirchen. Gewerkschaften sind geschwächt. Hobbies können sich die unteren Schichten gar nicht mehr leisten. Sie suchen Zuflucht bei anderen Gruppen, bei denen sie gemeinsame Werte, Interessen und Zugehörigkeit vermuten, mit denen sie sich dann von anderen abgrenzen können. Trump heizt diese Stimmung immer weiter an.

Als Trump vor zwei Jahren gewählt wurde, haben Sie gesagt, er habe viel Dreck am Stecken. Das könnte ihm zum Verhängnis werden. Trump ist immer noch da. Halten Sie ein Amtenthebungsverfahren noch für möglich?

"Impeachment" ist momentan das unwahrscheinlichste Szenario. Der US-Sonderermittler Robert Mueller wird nach den Wahlen wahrscheinlich mit ersten Ergebnissen aufwarten. Aber ich glaube, dass es fast nichts gibt – abgesehen vielleicht von unvorstellbaren Greueltaten – was die Republikaner dazu bewegen könnte, für eine Amtsenthebung Trumps zu stimmen. Wenn die Demokraten das Repräsentatenhaus zurückgewinnen können, wovon ich ausgehe, dann können sie zwar ein Amtsenthebungsverfahren in Gang bringen, aber ein erfolgreicher Abschluss erfordert die Mitwirkung der Republikaner.

Von Deutschland aus betrachtet, würde man annehmen, dass Trump-Wähler ihre Entscheidung von 2016 bereuen würden. Aber in Umfragen gewinnt Trump wieder an Boden. Was wissen wir heute über seine Anhänger?

Eine Szene aus der Reportage-Reihe "So tickt Amerika": Eine Nation, politisch und gesellschaftlich so tief gespalten wie nie.

Die Hardcore-Wähler, das sind rund 30 Prozent, setzen sich aus Groupies, ideologischen Kult-Anhängern und ultra-rechts faschistisch Angehauchten zusammen. Trump hat in den vergangenen Jahrzehnten einen Starkult um seine Person aufgebaut. Eine Gruppe sieht in ihm nur den erfolgreichen Geschäftsmann, ein Vorbild, die Vaterfigur, den Traumpartner. Bei meinen Interviews für die Dokumentation "Wie tickt Amerika" haben mir Frauen immer wieder gesagt: "Trump? I looove him!" Eine zweite Gruppe sieht in ihm den Präsidenten, der endlich wieder für Recht und Ordnung sorgt, und den amerikanischen Traum wiederbelebt: Eine Leistungsgesellschaft, in der Freiheit und Individualismus gewährleistet ist und die sich durch Optimismus, Pragmatismus, Eigenverantwortung, und Dynamik auszeichnet. Eine dritte Gruppe sind die ultra-nationalistischen am äußersten Rand der politischen Rechten. Sie definieren sich durch Abgrenzung von Minderheiten, sind gegen liberale Werte und haben eine tolerante Haltung gegenüber Gewalt. Sie stehen zu Trump, komme was wolle, selbst wenn, wie er einmal scherzte, er jemanden auf der Fifth Avenue erschießen würde.

Und wer hält gegen?

Eine Reihe von Protestwählern und solchen, die ihm einen Vertrauensvorschuss gegeben haben und nun enttäuscht sind, werden möglicherweise demokratisch wählen. Aber es ist unmöglich, genau vorherzusagen, wie groß dieser Anteil sein wird. Viel wird davon abhängen, ob es den Demokraten gelingen wird, ihre Wähler zu motivieren, zur Wahlurne zu gehen.

Die amerikanische Wirtschaft brummt, das ist eine gute Ausgangslage für die Wahl. Welchen Anteil hat Trump daran?

Einen geringen Anteil. Er hat die brummende Wirtschaft von seinem Vorgänger Barack Obama geerbt und ihr durch Steuergeschenke und Deregulierung noch einmal Düsenantrieb gegeben. Aber das hat seinen Preis: Allein im letzten Jahr hatte das Defizit den größten Jahresanstieg in der US -Geschichte zu verzeichnen. Es ist jetzt bei unvorstellbaren 1,3 Billionen Dollar. Da Trump nur Ausgaben erhöht, nicht aber die Einnahmen, wird das Defizit in den nächsten Jahren dramatisch wachsen. Er führt das Land genau wie seine Firmen: Auf Pump. Und die Zeche hat immer ein anderer gezahlt, in diesem Fall der Steuerzahler.

Sandra Navidi ist gut vernetzt. Auf der Suche nach Antworten darauf "Wie Amerika tickt", hat sie auch bei ihrem Ex-Boss Nouriel Roubini Halt gemacht.

Der Handelskonflikt, den Trump angezettelt hat, müsste die Wirtschaftselite auf die Barrikaden bringen. Aber nichts, was er tut, scheint ihm etwas anhaben zu können. Auch politische Skandale ändern daran nichts. Warum?

Trump ist ein Phänomen, der gekonnt auf der Welle des perfekten Sturms reitet. Wie jeder Populist hat er einen unglaublichen Instinkt dafür, den Nerv der Zeit zu treffen. Darüber hinaus ist er ein Meister-Rhetoriker und Verkäufer. In Zeiten zunehmender Komplexität liefert er den Menschen die ersehnt einfachen Antworten.

Welchen Ausgang der Midterm Elections prognostizieren Sie?

Ich gehe davon aus, dass es den Demokraten gelingen wird, eines der beiden Häuser im Kongress, nämlich das Repräsentantenhaus, zurückzuerobern.

Angenommen, die Demokraten gewinnen auch die Mehrheit im Senat. Was würde ein Durchmarsch für die Politik bedeuten?

Dass die Demokraten eine Mehrheit im Senat gewinnen ist mathematisch eher unwahrscheinlich, wenn auch nicht unmöglich. Falls dies der Fall sein sollte, könnten sie Gesetzesvorhaben des Präsidenten weitgehend blockieren. Auch hätten sie dann ein größeres Mitspracherecht in anderen wichtigen Angelegenheiten, insbesondere der Benennung höchster Richter und anderer Amträger.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger und ausgewiesene Trump-Kritiker Paul Krugman warnte kürzlich vor einem "politischen Albtraum", weil die Republikaner einen Wahlsieg der Demokraten nicht anerkennen wollen. Was halten sie von solchen Äußerungen?

Ich sehe das ähnlich. Donald Trump hat ja selbst angekündigt, dass bei einer Niederlage der Republikaner die Wahl manipuliert sein müsse und in dem Fall vor Gewaltausbrüchen gewarnt. Seine Anhänger nehmen immer wieder das Wort Bürgerkrieg in den Mund. Das kann alles sehr gut auf eine Verfassungskrise hinauslaufen. Ich habe von Anfang davor gewarnt, dass beispielsweise Beamte, wie auch Krugman sagt, sich gegebenenfalls entscheiden müssen, ob sie illegalen Anweisungen des Präsidenten Folge leisten oder nicht.

Ist es möglich, dass nicht Trump das Problem ist, sondern die tiefe Gespaltenheit des Landes, die Menschen wie ihn ermöglicht?

Das ist so. Trump ist lediglich ein Symptom der Schieflage der USA. Das gleiche Phänomen sehen wir auch in anderen Teilen der Welt, zum Beispiel dem Brexit oder populistischen Bewegungen in Ländern wie Italien und Ungarn. Die Ursachen hierfür liegen zu großen Teilen auch in der Finanzkrise von 2008, die populistische Bewegungen ausgelöst hat.

Müssen wir uns auf eine zweite Amtszeit einstellen?

Das ist leider nicht auszuschließen, auch wenn ich es für eher unwahrscheinlich halte. Besser zu beurteilen wird das sein, nachdem der Sonderermittler Mueller seine Ergebnisse oder zumindest einen Teil davon offengelegt hat, was vermutlich nach der Wahl geschehen wird. Wir wissen nicht, was kommt: Möglicherweise wird seine Gesundheit ihn davon abhalten, sein Amt fortzusetzen. Oder seine Kinder sind in die Ermittlungen verwickelt und Trump sieht sich zu einem Deal genötigt. Genaue Vorhersagen sind praktisch unmöglich, auch weil es hierfür kaum Präzedenzfälle gibt. Am nächsten kommt dem Ganzen der Watergate Skandal mit Präsident Richard Nixon in der Hauptrolle, aber der war gegenüber Trump ein eher kleiner Fisch.

Mit Sandra Navidi sprach Diana Dittmer

Sandra Navidi ist Gründerin der Unternehmensberatung BeyondGlobal. Zuvor arbeitete sie als Research Director mit Starökonom Nouriel Roubini und war Investmentbankerin und Chefjustiziarin. In einer dreiteiligen Reportage-Reihe für n-tv geht die Autorin des Bestsellers "$uperhubs" der Frage nach: "Wie tickt Amerika?" Dafür trifft sie in New York Trump-Befürworter und -Gegner und erhält Einblicke sowohl von Vertretern der gesellschaftlichen Elite als auch Globalisierungsverlierern. Die Reportagen sind am 4., 5. und 6. November jeweils um 23.05 Uhr zu sehen.

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