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Politik - 03.11.2018

„Die Situation ist katastrophal“: Die Bauern in Trumps Handelskrieg

Craig Olson ist „Hardcore-Republikaner“, auch wenn Trumps Handelspolitik ihm schadet.

Von Roland Peters, North Dakota


Mit großem Abstand wählte North Dakota vor zwei Jahren Donald Trump zum US-Präsidenten. Sein Handelskrieg mit China trifft die dortigen Sojabauern besonders. Die Demokraten profitieren trotzdem kaum.

Hinter der kleinen Metalltür verbirgt sich, was im fernen Washington ein Problem werden könnte. Craig Olson steigt hindurch ins dunkle Innere des Silos, füllt seine Hand, dreht sich ins Herbstlicht und lässt die gelben Sojabohnen prüfend durch seine rauen Finger rinnen. "Die sind trocken genug, aber wir haben nur ein Jahr Zeit." Olson, 35 Jahre alt, rote Baseballkappe und Bluejeans, ist sauer. "Trump soll sich endlich zusammenreißen!" Einen Teil seiner Ernte konnte der Landwirt nur mit Verlust verkaufen. Schuld ist der Handelskrieg mit China, der den Preis drückt. Also lagert Craig Olson zwei Drittel seiner Bohnen und hofft auf bessere Zeiten. "Das kann lange dauern", sagt er.

Seit Juli kassieren chinesische Behörden 25 Prozent Preisaufschlag auf Soja aus den USA – auch auf den von Craig Olson.

Olsons Frau bringt an diesem Samstagvormittag den siebenjährigen Sohn zu einem Football-Turnier, zwei Mitarbeiter schrauben am betriebseigenen Lastwagen, während sich der Hofhund an jedes menschliche Hosenbein drückt, das er findet. Ein paar Kühe gucken neugierig über ihr Gatter. Weithin ist Craig Olsons Farm in Colfax im Südosten North Dakotas sichtbar. Er, sein Bruder und sein Vater haben erst im vergangenen Jahr groß in den Familienbetrieb investiert. Neben den alten Silos steht jetzt eine neue Anlage, die per Förderband die Ernte in Dutzende Meter hohe Föne speist und trocknet, damit sie nicht verkommt. Der Präsident stellt die Loyalität seiner ländlichen Wähler auf eine harte Probe. Noch ist Craig Olson standhaft, trotz seiner Sorgen. "Ich bin Hardcore-Republikaner."

In den vergangenen Jahrzehnten sind die US-Handelsbeziehungen nach Asien immer enger geworden. China ist der größte Exportmarkt für US-Sojabauern, die insgesamt 11 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Ausfuhren des Landes ausmachen. Das asiatische Land ist weltgrößter Sojaimporteur, es braucht die Bohnen für seine Tierfütterung. Mehr als ein Drittel davon kam aus den Vereinigten Staaten. Sojabohnen im Wert von 14,2 Milliarden Dollar verkauften die USA im Jahr 2016 nach China, davon für 1,5 Milliarden Dollar aus North Dakota. Jetzt wehrt China sich gegen Trumps Zölle mit gezielten Vergeltungsmaßnahmen: Seit Juli kassieren chinesische Behörden 25 Prozent Preisaufschlag auf Soja aus den USA. Das heißt: wenn überhaupt etwas in einem ihrer Häfen ankommt.

North Dakotas 750.000 Einwohner leben auf einer Fläche halb so groß wie Deutschland. Stundenlang kann man in dem Bundesstaat über wie an der Schnur gezogenen Straßen fahren und sieht dabei nur gelegentlich einen Pickup oder Erntegeräte. Im Nordwesten liegt das riesige Bakken-Schieferölfeld, eines der Zentren des Frackingbooms. Zudem wird Kohle gefördert und verfeuert. Der Rest sind Vieh und Felder bis zum Horizont. Entscheidend für die Kongresswahl am 6. November ist der Bundesstaat an der Grenze zu Kanada trotzdem.

Denn jeder Bundesstaat, das spärlich besiedelte North Dakota genauso wie Kalifornien mit seinen fast 40 Millionen Einwohnern, wird im Kongress in Washington von zwei Senatoren vertreten. Für North Dakota sind dies derzeit der Republikaner John Hoeven und die Demokratin Heidi Heitkamp. Hoevens Amtszeit geht noch bis 2022, Heitkamp jedoch muss sich am kommenden Dienstag der Wiederwahl stellen. Damit die Demokraten ihre kleine Möglichkeit erhalten wollen, die Mehrheit im Senat zu erobern, muss Heitkamp ihren Sitz verteidigen. Wahrscheinlich ist das nicht – trotz der negativen Folgen von Trumps Handelskrieg für die Bauern.

Vergeblich betont Heitkamp, sie trete nicht für die Demokraten an, sondern für North Dakota. Ihr republikanischer Herausforderer Kevin Cramer führt seit Monaten in allen Umfragen. Dem Statistikportal Fivethirtyeight zufolge hat er eine 75-prozentige Chance, die Wahl zu gewinnen. Schon vor zwei Jahren wurde der Bundesstaat republiknisch-rot: Trump gewann mit mehr als 36 Prozentpunkten Abstand auf Hillary Clinton. Seine Botschaften hatten verfangen: Umweltauflagen streichen, Steuern senken, Einwanderung verhindern. Doch die Art, die Dinge anzupacken, hat ihm nicht nur Freunde gemacht. "Trump hat die Bauern als Waffe benutzt, und wir sind die Spitze", sagt Joe Ericson, der Vorsitzende von North Dakotas Sojabauernverband. Auch er hat vor zwei Jahren Trump gewählt, zweifelt nun aber. "Seine Vorgehensweise schadet uns. Ich bin enttäuscht von ihm."

Sojafeld in North Dakota.

 

"Mit China darfst du keine Schwäche zeigen"

Die meisten Bauernhöfe in North Dakota sind seit Generationen in Familienbesitz. Ein fast hundert Jahre altes Gesetz aus Zeiten der Great Depression verhindert, dass sich im Bundesstaat Agrarkonzerne ausbreiten. So werden Familienfarmer und ihr Einkommen geschützt. Die kleinen und mittleren Betriebe leisten in North Dakota ein Drittel der Wirtschaftskraft, haben es jedoch schwerer als Großunternehmen, finanzielle Reserven aufzubauen. Zusätzlich ist die Sojaproduktion wegen der geographischen Lage teurer als anderswo im Land. Sollte der Handelskrieg länger dauern und die Bauern ihre Ernten wegen fehlender Lagerkapazität mit Verlust verkaufen müssen, gibt es noch ein großmaschiges Auffangnetz: Wegen der chinesischen Vergeltungszölle hat die Regierung in Washington 3,7 Milliarden Dollar Finanzhilfen für Sojabauern bereitgestellt, ein Viertel des Handelsvolumens.

Darren Bjornson will, dass Trump standhaft bleibt.

Wer das schlechte Geschäft zuerst zu spüren bekommt, sind die Zwischenhändler, die Aufträge an- und den Familienfarmen ihre Ernte für den Export abnehmen. Einer der Händler ist Darren Bjornson. Der 50-Jährige – kantiger Kiefer, fester Händedruck – sitzt eineinhalb Stunden Autofahrt von Olsons Farm entfernt in der Nähe von Valley City im Büro von Bauer Monte Peterson. Ein Flachbildschirm an der Wand zeigt die Börsenkurse, durch das Fenster ist ein Sojafeld zu sehen. Bjornson bekommt kaum Aufträge, weshalb Peterson wie andere Bauern seine Bohnen nur schwer loswird.

"Die Situation ist katastrophal für mein Geschäft", donnert Darren Bjornson und wirft seine Hände in die Luft. Normalerweise habe er für Oktober genug Aufträge aus Asien, um sieben Züge über die Nordwestlinie zum Pazifik rollen zu lassen. Nun seien es null. Bjornson wählt nach Überzeugung und seiner Brieftasche; die sei nach Trumps Steuerreform zunächst dicker geworden. Und jetzt? So richtig auflösen kann er seinen derzeitigen Interessenskonflikt nicht, im Handelskrieg müsse der Präsident aber standhaft bleiben. Seine laute Stimme füllt den Raum. "Um bei den Chinesen bessere Bedingungen herauszuschlagen, darfst du keine Schwäche zeigen!" Bjornson lacht kampfeslustig, als sei es nur ein Spiel.

Schon einmal brachen die USA einen großen Handelskonflikt vom Zaun. Trotz des Kalten Krieges war die Sowjetunion in den 1970er Jahren der Hauptabnehmer US-amerikanischen Weizens. Als die Rote Armee in Afghanistan einmarschierte, verhängte der damalige US-Präsident Jimmy Carter ab 1980 einen Exportstopp. Der Handelskrieg dauerte nur zwei Jahre, aber heute ist Russland selbst Weizenexporteur. Das gleiche könnte mittelfristig mit China und dessen Sojaproduktion geschehen.

Monte Peterson, 60 Jahre, weißer Kinnbart, randlose Brille, hat seinem Geschäftspartner aufmerksam zugehört. Er sieht die Lage anders. "Ich stelle Trumps Verhandlungsmethode infrage. Er tritt nicht wie ein Staatsmann auf." Peterson sieht bedroht, was er als Vizevorsitzender der US-Sojaexporteure und Vorstandsmitglied des US-Sojabauernverbands mit aufgebaut hat. "Wir haben 36 Jahre lang die Geschäftsbeziehungen mit den Chinesen gepflegt, und das soll jetzt alles in einem Augenblick vorbei sein?" Er lässt die Frage drei Sekunden lang im Raum stehen. "Der einzige akzeptable Ausgang für mich wäre eine Ankündigung des Weißen Hauses, dass der Konflikt offiziell beendet ist und der Handel wieder aufgenommen wird", fügt er dann mit leicht geröteten Wangen hinzu.

Peterson erzählt, wie er im Juli als Teil einer Delegation nach Washington fuhr, um Lobbyarbeit zu machen. Wie immer vor der Erntezeit sprachen sie mit Senatoren und Abgeordneten. Diesmal stand aber auch die chinesische Botschaft auf dem Reiseplan. Peterson teilte den asiatischen Diplomaten mit, dass die Sojabauern Trumps Konfrontationskurs nicht gutheißen würden, sondern gerne weiter Geschäfte machen würden. Genützt hat es nicht. China setzt nicht mehr nur auf Zölle. Chinesische Bauern wurden von den Behörden aufgerufen, wegen des Handelskriegs das Futter ihrer Tiere niedriger zu rationieren, um den Sojaverbrauch zu senken. Den Rest kaufen die Händler in Brasilien oder Argentinien ein. Trotz zum Teil höherer Preise.

Roland Peters ist Autor und Reporter bei n-tv.de. Er befasst sich mit Nord- und Südamerika, Politik, Menschen und Maschinen.

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