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Politik - 04.11.2018

Merkel-Nachfolge: Ab Montag geht der Kampf richtig los

Bundeskanzlerin Merkel will sich aus dem innerparteilichen Wahlkampf heraushalten.

Von Hubertus Volmer


Auf Regionalkonferenzen sollen sich die Bewerber um den CDU-Vorsitz der Parteibasis präsentieren. Das erinnert an Merkels Weg an die Spitze der Union. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied.

Eigentlich sollte die Bombe heute platzen: An diesem Sonntag, zum Auftakt einer zweitägigen CDU-Vorstandsklausur, wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel mitteilen, dass sie beim Parteitag in Hamburg nicht noch einmal für den CDU-Vorsitz kandidiert.

Das extrem schlechte Abschneiden ihrer Partei bei der Landtagswahl in Hessen sorgte dafür, dass sie ihre Ankündigung um eine Woche vorzog. Für sie war es wohl die letzte Gelegenheit, ihren Abgang selbstbestimmt zu erklären, ohne allzu deutlich erkennbaren Druck.

Schon vor Beginn der Vorstandsklausur wurde nun bekannt, dass sich die Kandidaten für ihre Nachfolge auf mehreren Regionalkonferenzen der Basis präsentieren sollen. Es ist ein erprobtes Format: Bereits vor 18 Jahren tourte die damalige CDU-Generalsekretärin durch die Republik, um ihrer orientierungslosen Partei neuen Halt zu geben – und um sich warmzulaufen für die Bewerbung als CDU-Chefin. Mit großem Erfolg: Im April 2000 wurde Merkel auf einem Parteitag zur neuen Vorsitzenden gewählt.

Etwas wird dieses Mal allerdings anders sein: Merkel hatte bei ihren Auftritten in Stuttgart, Eisenach und anderswo keine Gegenkandidaten. CDU-Politiker wie Volker Rühe oder Kurt Biedenkopf, die als mögliche Bewerber galten, um die kinderlose Protestantin aus dem Osten zu verhindern, traten gar nicht erst an. Dieses Mal begeben sich sechs Kandidaten auf die Reise: Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn und der aus dem politischen Ruhestand zurückgekehrte Friedrich Merz sowie drei weitgehend unbekannte Bewerber, die der Fairness halber auch eingeladen werden dürften.

Spahn will über "weißen Elefanten" reden

In der CDU hofft man, dass die Diskussionen nicht zur Spaltung, sondern zur Belebung der Partei beitragen. "Regionalkonferenzen bedeutet, Partei kommt zu ihren Mitgliedern vor Ort", twitterte CDU-Vize und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. "Raus aus Berlin, Vorstellung der Kandidaten in den Regionen Deutschlands. Das ist ein motivierendes und mobilisierendes Element für die CDU".

Bei allen Unterschieden zur Situation des Jahres 2000, als die CDU mit der gerade aufgedeckten Spendenaffäre zu tun hatte, geht es jetzt wie damals darum, die Partei neu zu erfinden. Das legt nicht nur die Wahlschlappe in Hessen nahe. Das ergibt sich auch aus dem dramatischen Absturz der Union in den Umfragen. Nur noch 27 Prozent der Wähler entscheiden sich im aktuellen RTL/n-tv Trendbarometer für die Union.

Und wie könnte ein Neustart aussehen? Merz hat sich bei seinem bisher einzigen öffentlichen Auftritt als moderater Konservativer präsentiert: "Wir brauchen Aufbruch und Erneuerung, aber wir brauchen keinen Umsturz", sagte er. Deutlich forscher klingt Spahn – vielleicht, weil er befürchtet, gegen Merz den Kürzeren zu ziehen. Angesichts der schlechten Umfragewerte der CDU sagte er der "Welt am Sonntag", Ziel der Union als Volkspartei müssten 40 Prozent sein. "Dafür brauchen wir eine personelle und inhaltliche Erneuerung." Am Mittwoch hatte Spahn in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geschrieben, "der weiße Elefant im Raum" sei "die Frage der Migration". Das provozierte prompt Kritik vom liberalen Flügel der CDU. "Es darf keinen Bruch geben mit dem Kurs der Mitte der letzten Jahre", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther der FAZ. "Migration ist nicht das wichtigste Thema."

CDU will zuhören und antworten

Ausgerechnet die Person, die die inhaltliche Erneuerung der CDU längst angestoßen hat, äußerte sich bisher so gut wie gar nicht, jedenfalls nicht zu ihrer Kandidatur: Kramp-Karrenbauer. Auf dem CDU-Parteitag im Februar hatte sie unter dem Beifall der Delegierten für eine "wertebasierte, starke Volkspartei" geworben und angekündigt, ein neues Grundsatzprogramm zu entwickeln. Danach sammelte sie auf einer "Zuhör-Tour" in mehr als 40 Veranstaltungen zwischen Greifswald und Konstanz Fragen und Wünsche der Mitglieder. Folgen sollte im kommenden Jahr eine ebenso große "Antwort-Tour". Am Ende sollte auf der Basis dieser Debatten ein neues Grundsatzprogramm geschrieben werden, das ein Parteitag 2020 verabschieden sollte – ein Jahr vor der Bundestagswahl. Hinter dieser Strategie stand die Annahme, dass die Frau, die das neue Programm entwickelt hatte, die natürliche Merkel-Nachfolgerin sein würde.

Die Wahlen in Bayern und Hessen, der apokalyptische Streit zwischen CSU und CDU im Sommer, die Umfragen und die anhaltend schlechte Stimmung in der Union haben diesem Plan ein Ende bereitet. Kramp-Karrenbauer war die erste, die am Montag vor einer Woche ihre Kandidatur erklärte, als Merkel im Vorstand mitteilte, dass sie in Hamburg nicht noch einmal antreten werde. Seither hat man vor ihr nichts mehr zu dem Thema gehört.

Das liegt einerseits daran, dass sie Generalsekretärin ist und damit eigentlich zuständig für die Organisation der Regionalkonferenzen. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, ihr Amt in eigener Sache zu missbrauchen, hat sie eine klare Trennung vorgenommen: Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur machte Kramp-Karrenbauer am Mittwoch bei einer Mitarbeiterversammlung im Konrad-Adenauer-Haus deutlich, dass die Parteizentrale zur Neutralität verpflichtet sei. Daher wird sie auch nicht mehr die Pressekonferenzen nach den Gremiensitzungen der CDU leiten – am Montag, nach der Vorstandsklausur, wird Merkel die Fragen der Journalisten beantworten.

Für Kramp-Karrenbauer startet der Wahlkampf erst am Montag

Andererseits wurde Kramp-Karrenbauer von Merkels Ankündigung offenbar überrascht. Noch am Vorabend hatte sie bei Anne Will gesagt, "in allen Gremien der CDU" gehe man davon aus, dass Merkel in Hamburg noch einmal kandidieren wolle.

Merz war besser vorbereitet. Offenbar in Absprache mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hatte er seine Bewerbung dosiert inszeniert: Am Montag ließ er Gerüchte streuen, am Dienstag verbreitete er eine Presserklärung, am Mittwoch folgte ein kurzer Auftritt in der Bundespressekonferenz. Seither hielt er sich medial zurück. Spahn ist deutlich aktiver: Neben seinen Gastbeitrag in der FAZ und seinem Interview in der "Welt am Sonntag" verbreitete er ein Werbevideo, in dem er verkündet, er wolle einen "Neustart" für die CDU und für Deutschland.

Am Montag, nach der Vorstandsklausur, dürfte auch Kramp-Karrenbauer in den Wahlkampf einsteigen. Knapp fünf Wochen haben sie und die anderen Kandidaten noch, um die 1001 Delegierten zu überzeugen.

Hubertus Volmer ist Leiter des Politik-Ressorts von n-tv.de.

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