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Wissen und Technik - 26.10.2018

Das große Schrumpfen

50 Millionen Jahre abspecken: So lange dauerte es, bis aus massigen Dinos flugfähige Vögel wurden. Das zeigt eine statistische Analyse von Fossilien von 120 Tierarten.

Wie die Dinos schrumpften. Die Grafik illustriert, wie die zweibeinigen Tiere im Lauf der Jahrmillionen an Größe verloren – und zu…

Seit gut 160 Millionen Jahren gibt es Vögel. Manche von ihnen sind nur wenige Zentimeter groß, dank eines bunten Federkleides erheben sich die wenige Gramm leichten Tiere elegant in die Luft. Gerade bei diesen Exemplaren braucht es viel Vorstellungskraft, um in ihnen die Nachkommen von massigen Dinosauriern zu sehen, die vor Jahrmillionen auf zwei stämmigen Beinen am Boden Beute jagten. Gleichwohl zweifelt kaum ein Paläontologe mehr daran, dass die Entwicklung so verlaufen ist. Dennoch staunen Evolutionsbiologen über die starke Miniaturisierung der Dinos, die ja eher für ihren Gigantismus bekannt sind. Wie lange mag dieser Prozess des Schrumpfens gedauert haben, fragen sich die Forscher seit langem. Noch vor 20 Jahren schätzte man, es dürften um die zehn Millionen Jahre gewesen sein, was jedoch von jüngeren Fossilfunden widerlegt wurde.

Eine Gruppe um Michael Lee vom South Australian Museum in Adelaide hat nun eine neue Berechnung vorgelegt. Wie sie im Fachmagazin „Science“ berichten, dauerte es rund 50 Millionen Jahre, damit aus zweibeinigen „Theropoden“-Dinosauriern Vögel wurden. Die Wissenschaftler untersuchten 1549 Fossilien von 120 verschiedenen Arten in dieser Verwandtschaftslinie.

Oberschenkelknochen überdauern die Jahrmillionen besonders gut

Vor allem stützten sie sich bei ihrer Analyse auf Oberschenkelknochen, die groß sind und daher die Jahrmillionen oft gut überstehen. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich aus der Größe des Knochens das Gewicht eines Tieres besser abschätzen lässt als aus anderen Fossilien. Um die Entwicklung der frühen Vögel zeitlich zu fassen, verknüpften die Forscher die Merkmale der versteinerten Knochen mit ihrem jeweiligen geologischen Alter. Mithilfe einer ausgeklügelten Statistik konnten sie die Evolutionsgeschichte nachvollziehen.

Etwas an den Haaren herbeigezogen. Vögel suchen Parasiten auf dem Kopf eines Dinosauriers, mit dem sie verwandt sind. Beide Arten…

Demnach wog ein solcher auf zwei Beinen laufender Dino vor 198 Millionen Jahren noch durchschnittlich 163 Kilogramm. Vor 174 Millionen Jahren waren es nur noch 46 Kilo, vor 167,5 Millionen Jahren hatten die einst kräftigen Dinos mit rund drei Kilo das Gewicht einer heute lebenden Graugans erreicht. Vor 163 Millionen Jahren schließlich wogen die ersten urtümlichen Vögel gerade noch 800 Gramm und hatten damit knapp die Größe einer Stockente. Als die Forscher ihre Analyse mit zwei anderen Methoden wiederholten, brachten sie ähnliche Ergebnisse: In allenfalls 50 Millionen Jahren müssen sich aus den massigen Dinos, die vor 210 Millionen Jahren über die Erde stapften, die viel kleineren Vögel entwickelt haben.

Die Dinos hatten ein Babyface

Während dieser Miniaturisierung veränderte sich auch der Körperbau der Theropoden, berichten die Wissenschaftler um Lee. Häufig brach dabei die Entwicklung von der Jugend- zur Erwachsenenform ab. So behielten die schrumpfenden Dinos das Babygesicht gerade geschlüpfter Jungtiere, eine lange Schnauze wuchs ihnen nicht mehr. Auch das relativ große Gehirn und die auffällig großen Augen blieben bis ins hohe Alter erhalten. Damit konnten die kleinen Tiere räumlich sehen und so viel geschickter über die Äste turnen. Das größere Gehirn wiederum steuerte die komplizierten Bewegungen genauer, mit denen sich die kleinen Dinos von Ast zu Ast schwangen.

Offensichtlich hatten sich die Tiere mit dieser Miniaturisierung und den veränderten Körperformen an ein Leben im Geäst der Wälder angepasst, meinen Paläontologen wie Mike Benton von der Universität Bristol, der einen begleitenden Kommentar in „Science“ geschrieben hat. „In den Kronen finden die Tiere Schutz vor größeren Räubern, die zu schwer sind, um auf Bäume zu klettern“, argumentiert Benton. Zudem leben dort oben zahlreiche Insekten, von denen sehr viele im Dunkeln unterwegs sind, weil es kaltblütigen Tieren in der Nacht meist zu kalt für die Jagd ist. Doch auch hier hatte die Evolution den angehenden Vögeln einen Vorteil verschafft: Längst trugen sie erste Federn, die sie wärmten und damit auch den Beutezug in der Nacht ermöglichten.

Archaeopteryx schaffte die Hürde zum eigenständigen Flug

Vor 170 bis 120 Millionen Jahren experimentierten viele dieser befiederten Dinos mit verschiedenen Möglichkeiten, sich in der Luft zwischen zwei Bäumen fortbewegen zu können. Dabei probierten sie neben den Sprüngen von Ast zu Ast, mit denen noch heute die Eichhörnchen unterwegs sind, auch eine Art Fallschirm und vor allem den Gleitflug aus. Dazu wiederum passt ein neues Design für die Federn, die bisher die Urvögel im Geäst gewärmt hatten: Erste Schwungfedern vergrößerten die Gleitfläche der Arme. Mit der Zeit entwickelten sich immer größere Flügel, auf denen die Tiere auch zu entfernt stehenden Bäumen gleiten konnten. „Eine Gruppe, zu der auch der Urvogel Archaeopteryx gehört hat, überwand schließlich die entscheidende Hürde zu einem von den Flügeln angetriebenen Flug“, erläutert Benton. „Die Vögel waren geboren.“

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