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Sport - 28.06.2019

E-Sport-Experte über den DOSB: „Inkompetenz alter Säcke“

E-Sport ist auf dem Vormarsch, hinkt in Deutschland aber weit hinter anderen Ländern her – der Sport-Dachverband und die Politik tragen tragen daran Mitschuld, sagt Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

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BERLIN/KÖLN – Millionen Menschen in_Deutschland zocken. Sportspiele, Strategiespiele, Egoshooter. Acht Millionen, knapp zehn Prozent der Bevölkerung, sind damit potenzielle E-Sportler, sagt Professor Ingo Froböse. Der E-Sport-Forscher von der Deutschen Sporthochschule Köln bezeichnet die Szene als „riesige Jugendbewegung“. Und er meint: Sowohl der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als auch die Politik müssen sich mit E-Sport auseinandersetzen. Zwar steht die Förderung des E-Sports im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. „Aber es ist nicht einmal geklärt, welches Ministerium dafür zuständig ist“, kritisiert Froböse. Der DOSB indes positioniert sich weiterhin gegen den E-Sport. Fatal, sagt der Wissenschaftler und appelliert: „Ihr habt die verdammte Verpflichtung, euch den Jungen zuzuwenden.“ Denn, ob sie wollen oder nicht: Der E-Sport ist gekommen, um zu bleiben. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:

Was genau ist E-Sport eigentlich nochmal?

Grob gesagt ist E-Sport das Spielen von Computer- oder Konsolenspielen gegeneinander – online oder offline. Wichtig ist die Abgrenzung zum „normalen“ Zocken durch den Wettbewerbscharakter. Die Bandbreite der Spiele ist groß. Die weltweit erfolgreichsten sind Strategiespiele wie „League of Legends“ oder Egoshooter wie „Counter-Strike“.

Auf welchem Stand ist der E-Sport in Deutschland?

Zwar spielen unheimlich viele Deutsche Computerspiele. Dennoch steckt der E-Sport in den Kinderschuhen und findet vorrangig – abgesehen von vereinzelten stadionfüllenden Großevents – auf informeller Ebene statt. Allerdings sind mittlerweile zahlreiche Profisportvereine mit eigenen E-Sport-Abteilungen unterwegs, darunter der 1. FSV_Mainz 05, Eintracht Frankfurt und Darmstadt 98. Vereinzelte Ligen gibt es auch. Mit Blick auf den Organisationsgrad hinkt der E-Sport hierzulande aber hinterher. Etwa 300 bis 500 Vereine sind erst dabei, beziffert Froböse. Seit 2017 existiert mit dem esport-Bundesverband (ESBD) eine Dachorganisation. Mit bislang 1500 Mitgliedern steht diese noch ganz am Anfang, hat aber bereits Dinge wie eine zentrale Trainerausbildung eingeführt. Andere Nationen sind Deutschland in solchen Dingen weit voraus. Südkorea, wo E-Sport Volkssport ist, um Jahrzehnte. Auch in_Europa haben andere Länder die Nase vorne: Frankreich, Spanien oder skandinavischen Länder, zählt der Experte auf. In_Schweden gibt es beispielsweise bereits einen E-Sport-Studiengang. Gerade mit Skandinavien vergleicht der ESBD Deutschland gerne, weil dort die Vereinsstruktur ähnlich ist.

Fotos

E-Sport ist auf dem Vormarsch

Von Rennspielen am Simulator, über Strategiespiele hin zu „Fifa“ – die Bandbreite an E-Sport-Spielen ist breit. Millionen Menschen in Deutschland spielen sie, oft schauen Tausende live vor Ort im Stadion zu. Fotos: dpa

Von Rennspielen am Simulator, über Strategiespiele hin zu „Fifa“ – die Bandbreite an E-Sport-Spielen ist breit. Millionen Menschen in Deutschland spielen sie, oft schauen Tausende live vor Ort im Stadion zu. Fotos: dpa

Von Rennspielen am Simulator, über Strategiespiele hin zu „Fifa“ – die Bandbreite an E-Sport-Spielen ist breit. Millionen Menschen in Deutschland spielen sie, oft schauen Tausende live vor Ort im Stadion zu. Fotos: dpa

Von Rennspielen am Simulator, über Strategiespiele hin zu „Fifa“ – die Bandbreite an E-Sport-Spielen ist breit. Millionen Menschen in Deutschland spielen sie, oft schauen Tausende live vor Ort im Stadion zu. Fotos: dpa

Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln appelliert an den DOSB und die Politik: „Ihr habt die verdammte Verpflichtung, euch den Jungen zuzuwenden.“ Foto: dpa

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Ist E-Sport jetzt eigentlich Sport oder nicht?

Die Diskussion um die Frage schwelt schon seit ein paar Jahren. Definitionshoheit hat der DOSB. Der Dachverband wehrt sich weiterhin gegen die Aufnahme des E-Sports, erkennt ihn nicht als Sportart an. Hauptargument ist die Bewegungsarmut beim Betreiben von E-Sport. Professor Froböse ist nach eigener Aussage in der Frage „ambivalent“, sagt aber: „E-Sport kann Sport sein.“ Der Sportwissenschaftler liefert in Sachen Bewegung Gegenargumente: E-Sportler vollführen bis zu 400 Bewegungen – wennauch oft nur mit den Fingern – pro Minute, der Puls steigt auf bis zu 140 Schläge pro Minute und die Stresswerte ähneln denen eines Champions-League-Finales. Dazu argumentieren E-Sportler mit strategische oder kooperative Elementen für die Anerkennung. Am Standpunkt des DOSB geändert hat dies bislang nichts. „Das ist die Inkompetenz alter Säcke“, urteilt der Professor hart.

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Warum ist die Sport-Frage überhaupt wichtig?

Den E-Sportlern geht es um größere gesellschaftliche Akzeptanz. Auch ohne den DOSB wird die Akzeptanz zwar wachsen, meint ESBD-Vizepräsident Martin Müller. In Zusammenarbeit mit dem DOSB ginge dies aber wahrscheinlich schneller. Zudem geht es dem ESBD darum, für ihre E-Sport den Status der Gemeinnützigkeit zu erlangen. Dinge wie Versicherungsangelegenheiten, Hallenbelegungen oder Visa-Anträge – dieselben Probleme „normaler“ Sportvereine – würden dadurch erleichtert.

Wird E-Sport irgendwann Sport werden?

Höchstwahrscheinlich ja. Die Akzeptanz wächst mit der Anzahl der Spieler. Und: „Die Gegner sterben aus“, sagt Froböse. Für die Anerkennung könne ein Spiel wie Fifa, das an den echten Fußball angelehnt ist, „Türöffner“ sein. Die Schwelle für die Akzeptanz von Egoshootern liegt höher.

Wo will der E-Sport hin?

„E-Sport ist kein Hype, der irgendwann weggeht“, sagt Müller. Das Ziel der E-Sport-Vertreter ist, den E-Sport auch in kleine Vereine zu tragen. Das Zocken rauszuholen aus den heimischen Wohnzimmern, rein in Vereinsräume. Forscher Froböse verdeutlicht: Möglichen negativen Auswirkungen von Computerspielen, zum Beispiel sozialer Rückzug oder Bewegungsmangel, könne man in Vereinsstrukturen besser Herr werden.

Wo wird der E-Sport in zehn Jahren sein?

Der E-Sport wird enorm an Bedeutung gewinnen, egal, ob der DOSB ihn anerkennt oder nicht. „Wir werden wie im Fußball große E-Sport-Stars haben“, zeichnet der Professor die Zukunft in zehn Jahren. Darüber hinaus werde die Virtual-Reality-Technologie die Szene prägen. VR-Brillen ermöglichen auch das Spielen im Stehen und in Bewegung. Für Froböse und den ESBD wäre das Mehr an Körperlichkeit ein weiteres Argument im Definitionsstreit mit dem DOSB.

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