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Politik - 30.11.2018

Trump gegen Xi: Showdown der Handelskriegsverhandler

Haben Gesprächsbedarf: US-Präsident Trump und Chinas Staatschef Xi.

Von Roland Peters, Buenos Aires


Zölle, Zölle, Zölle – das wird das Gesprächsthema beim G20-Gipfel sein, wenn US-Präsident Trump auf Chinas Staatschef Xi trifft. Vieles scheint möglich, von weiterer Eskalation des Handelskrieges bis zu einer Friedensabsichtserklärung.

Vorsichtshalber maximal laut poltern: US-Präsident Donald Trump bleibt sich vor dem G20-Gipfel in Argentinien treu. Er präsentiert sich unbeugsam, denn der vielleicht wichtigste Termin seiner Amtszeit steht an diesem Wochenende in Buenos Aires an. Ein Arbeitsessen mit Chinas Staatschef Xi Jinping, mitten im Handelskrieg. Trump droht, die bereits bestehenden Einfuhrzölle auf etwa die Hälfte der chinesischen Importe von 10 auf 25 Prozent zu erhöhen und sogar auf sämtliche Einfuhren auszuweiten. Im vergangenen Jahr haben die Vereinigten Staaten Waren im Wert von mehr als 500 Milliarden Dollar aus dem asiatischen Land importiert – und Waren im Wert von rund 130 Milliarden Dollar nach China exportiert.

Der raue Ton ist nicht neu. In den vergangenen Monaten wurde die öffentliche Kommunikation meist über neue Zollschranken hinweg gebrüllt. Beim persönlichen Gespräch der beiden Staatschefs am Samstagabend Ortszeit wird es sicherlich dezenter zugehen. Trump ist ein Mann der Bilder, und bei nahezu jedem Treffen mit anderen Anführern der Welt hat er sich als Freund seines Gegenübers präsentiert, nicht als Konkurrent; selbst wenn es sich um den international geächteten Diktator Nordkoreas, Kim Jong Un, handelte.

Der Rahmen beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der 20 wirtschaftsstärksten Nationen passt jedenfalls. Denn der Handelskrieg zwischen China und den USA betrifft bei Weitem nicht nur diese beiden Länder. Wenn sich die größten Wirtschaftsmächte der Welt streiten, geht es um die globale Wirtschaft, um internationale Geld- und Güterströme, um Infrastrukturen, Ängste im globalen Norden und vorsichtige Hoffnungen im Süden.

Handelsstreit betrifft auch andere

Falls Trump alle seine Zolldrohungen umsetzt und China seine Vergeltungsmaßnahmen, geht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von einem halben Prozent weniger Wachstum sowohl in den USA als auch in China aus. Weltweit würde es im Jahr 2020 auf den niedrigsten Stand seit der Finanzkrise fallen.

Seit Juli führen die beiden größten Wirtschaftsmächte der Welt ihren Handelskrieg offen. Trump will mit seinen Zöllen unter anderem erzwingen, dass China Handelsbarrieren für US-Unternehmen abbaut. Peking setzt Vergeltungszölle entgegen, die vor allem auf Trumps Wählerschaft abzielen sollen. Der US-Präsident hat trotz aller Muskelspiele und der Drohkulisse derweil innenpolitische Probleme, auch wegen seiner Zollpolitik  – so hat General Motors einen massiven Stellenabbau angekündigt, Bauern müssen etwa beim Sojaexport Einnahmeausfälle hinnehmen.

Die heimischen Kongresswahlen vor wenigen Wochen überstand Trump mit einem blauen Auge, weil er nicht nur von Hardcore-Republikanern, sondern auch wegen der guten Wirtschaftslage unterstützt wird. Er weiß also, was in seinem Handelskrieg auf dem Spiel steht: seine Präsidentschaft. Sein Motto, "Handelskriege sind gut und einfach zu gewinnen", soll nicht zum historischen Irrtum werden.

Keine Antwort aus dem Weißen Haus

Innerhalb des Weißen Hauses gibt es unterschiedliche Ansichten in der Frage, was die richtige Taktik ist, um für die USA das Maximum herauszuholen, aber zugleich negative Effekte auf die einheimische Wirtschaft zu minimieren. Larry Kudlow etwa, Trumps Wirtschaftsberater, ist kein Freund einer extrem harten Verhandlungslinie mit Xi; auch wenn er sagt, die USA seien in wesentlich besserer Verfassung, um die aktuelle Situation zu überstehen. Anderer Ansicht als Kudlow ist neben dem US-Handelsbeautragten Robert Lightizer auch Peter Navarro, der Handelsdirektor des Weißen Hauses. Er plädiert dafür, keinen Zentimeter nachzugeben, bis China einknickt. Eine Liste aus Peking mit 142 Vorschlägen zur Befriedung des Konflikts ließ das Weiße Haus bislang unbeantwortet.

Es ist bezeichnend, dass dieses entscheidende Treffen zwischen Trump und Xi in Südamerika stattfindet; einer Region, die schon seit Jahren eine historische Wende in den Wirtschaftsbeziehungen erlebt. Die USA verlieren an Einfluss, China hingegen ist seit 2008 sehr aktiv. Von 2015 bis 2019 sollen insgesamt 250 Milliarden Dollar in Lateinamerika direkt investiert und ein Handelsvolumen von 500 Milliarden Dollar erreicht werden. Im Januar lud Xi alle lateinamerikanischen Länder ein, Teil der "Neuen Seidenstraße" zu werden, dem gigantischen Infrastrukturprojekt, mit dem China seine Handelsmacht ausbauen will.

China ist bereits jetzt der größte Handelspartner von Argentinien, Brasilien, Chile und Peru. Den hohen Bedarf an Sojaimporten für die Tierfütterung versucht Peking indes mit Importen aus Brasilien und Argentinien statt aus den USA zu decken. Sollten sich Trump und Xi nicht einigen, könnte China seinen Fokus noch weiter nach Süden verschieben. China soll angeblich zwar erwägen, wegen des erlahmenden Wachstums Zölle wieder abzubauen, wie die "New York Times" unter Berufung auf mehrere Personen schreibt. Ohne Gegenleistung aus Washington wäre das jedoch verwunderlich.

Vielleicht ist die Information auch nur von den Chinesen gestreut worden, um Trump zu signalisieren, dass die Volksrepublik zu Zugeständnissen bereit ist. Dazu passt: Henry Kissinger, aus seiner Amtszeit als US-Außenminister und Verfechter emotionsloser Realpolitik in China bestens bekannt, reiste Anfang November nach Peking und traf sich mit Xi. Dort gab Chinas Staatschef dem Diplomaten-Haudegen laut dem Magazin "The Diplomat" verklausuliert zu verstehen, dass China bereit sei, sich zu bewegen. Aber nur, wenn es die USA mit ihren Forderungen nicht übertreiben.

Xi Jinping kann abwarten, Trump nicht

Dabei ist die wirtschaftliche Lage in China nicht schlecht. Das Wachstum hat sich zwar etwas verlangsamt, lag aber im dritten Quartal noch immer bei 6,5 Prozent. Die Exporte sind nicht eingebrochen. Es heißt, dass sich die Regierung in einer besseren Position sehe als die USA, da Peking schon länger einen Konsolidierungskurs fahre und die Fallhöhe für US-Wirtschaft und Börsen wesentlich größer sei. "Wir fallen aus einem Fenster im zweiten Stock und verstauchen uns den Knöchel; die USA stürzen vom Dach des World Trade Centers", wird ein dem chinesischen Handelsministerium nahe stehender Analyst in der "Washington Post" zitiert.

Hinzu kommt: Trump muss 2020 um seine Wiederwahl fürchten. Präsident Xi, der mächtigste chinesische Staatschef seit Mao Zedong, hat einen systemischen Vorteil. Er kann einfach abwarten.

Der Handelskrieg zwischen China und den USA könnte also eskalieren, falls Trump bei seiner harten Linie bleibt: Er will, dass die Volksrepublik die Zölle, die sie schon vor Juli auf US-Einfuhren wie Autos erhob, senkt. Auch fordern die USA, dass Peking Investitionshemmnisse entfernt. Derzeit können sich US-Firmen in einigen Wirtschaftszweigen nur an Gemeinschaftsprojekten mit chinesischen Staatsunternehmen beteiligen, aber nicht eigene Niederlassungen oder Tochterunternehmen gründen. Wollen US-Firmen trotzdem investieren, nehmen sie in Kauf, wertvolles Knowhow zu teilen.

Verhängt Trump die Zölle auf sämtliche Importe, würde das auch die eigenen Tech-Konzerne treffen, darunter auch den wichtigsten: Apple. Das Unternehmen lässt seine iPhones in Foxconn-Fabriken in China mit chinesischen Bauteilen zusammensetzen. Bei neuen Zöllen wären das Gewinneinbußen von mindestens 1,5 Milliarden Dollar, rechnen Analysten der Schweizer Großbank UBS vor.

Was bedeutet das alles für das Treffen der beiden Staatschefs? Xi könnte sich bewegen, muss es aber nicht. Die Risiken für Trump sind womöglich höher. Statt Eskalation könnte es in Buenos Aires daher eher zu einer Art Friedensabsichtserklärung kommen: Bis auf Weiteres keine weiteren Zölle, die Unterhändler erledigen dann nach und nach den Rest, damit niemand sein Gesicht verliert. Und Trump hätte sich der Welt trotz aller Drohungen vor dem Gipfel einmal mehr als händeschüttelnder Dealmaker verkauft.

Roland Peters ist Autor und Reporter bei n-tv.de. Er befasst sich mit Nord- und Südamerika, Politik, Menschen und Maschinen.

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