Home Politik Presseschau zum Brexit-Aufruhr: „Die Regierung ihrer Majestät zerfällt“
Politik - 16.11.2018

Presseschau zum Brexit-Aufruhr: „Die Regierung ihrer Majestät zerfällt“

Für May wird die Lage immer komplizierter.

Es ist ein desaströses Zeugnis, das die Presse der britischen Premierministerin May ausstellt. Ihr Entwurf werde von Hardlinern beider Seiten gnadenlos zerrieben, heißt es. Die Mehrheit der Briten lebe "im Reich der Sinnestäuschung".

"Der Streit über den Brexit ist eine Runde weiter", schreibt die Frankfurter Rundschau. "Aber niemand kann sagen, wie er ausgeht. Premierministerin May hat das mit der EU erzielte Verhandlungsergebnis zwar mit Ach und Krach durch das Kabinett bekommen. Doch kurz darauf traten Minister zurück, wurden die Rufe nach einem Misstrauensvotum immer lauter. Und die wichtige Entscheidung im Parlament steht noch bevor. Dieser lange und heftige Streit zeigt, wie gespalten die Briten über den Austritt aus der Europäischen Union sind. Nach und nach dürfte zudem einigen klar werden, dass die Briten nur noch die Wahl haben zwischen dem ungeliebten geregelten Ausstieg und dem harten Brexit. So oder so beginnt dann erst die Arbeit. Die Trennung ist das eine, der Neuaufbau von Beziehungen das andere."

Noch härter geht das Straubinger Tagblatt mit May ins Gericht:  "Schon heute ist klar, dass Theresa May mit dieser Vereinbarung bei einer Abstimmung im Parlament mit Pauken und Trompeten durchfallen wird. So ist denn aus heutiger Sicht zu konstatieren, dass es wohl auf einen 'harten' Brexit hinauslaufen wird. Davor aber graut es allen halbwegs aufgeschlossenen Briten, denn das würde das Land politisch und wirtschaftlich an den Abgrund führen. Großbritannien wäre dann für die EU ein Drittland wie Angola mit all den Nachteilen im Zollbereich. Und innenpolitisch gäbe es mit einer harten Zollgrenze in Irland einen heute kaum auszulotenden Sprengstoff."

Ein pessimistisches Bild zeichnet auch der Reutlinger General Anzeiger. "Die britische Premierministerin Theresa May hat in den zähen Verhandlungen mit der EU in den vergangenen Monaten versucht, eine akzeptable Regelung für die Scheidung Großbritanniens von der EU zu erreichen. Aus London ist nun aber keinerlei Jubelstimmung zu vernehmen, ganz im Gegenteil. May und mit ihr der in vielen tausend Stunden ausgehandelte Vertragsentwurf werden, so sah es zumindest gestern aus, nun zwischen den Hardlinern beider Seiten gnadenlos zerrieben. Die Regierung ihrer Majestät der Queen zerfällt."

"Mays größter Feind ist unbesiegbar: die Illusion", schreibt die Welt. "Gegen Träume und Utopien, gegen Wahnvorstellungen und verlockende Parolen gewinnt ein Verstandesmensch wie Theresa May keinen Meter Boden – und das im Land des Pragmatismus! Die Mehrheit der britischen Gesellschaft lebt seit geraumer Zeit im Reich der Sinnestäuschung. Offenbar braucht sie den Aufprall, um aufzuwachen. Kein Europäer kann darüber glücklich sein. Und das nicht, weil die Briten bald nicht mehr jährlich sieben Milliarden Euro an die EU überweisen. Es ist das Wegbrechen westlicher Macht, das verhängnisvoll ist. Wie immer der Brexit aussehen wird, schleunigst müssen Franzosen und Deutsche mit London ein trilaterales Bündnisgeflecht schaffen, das Großbritannien einbindet – unter welchem Premier auch immer."

Das Badische Tagblatt schreibt: "Die Garantien aus Brüssel sind den Hardlinern auf der Insel zu schwach. Doch weiter konnte die EU London nicht entgegenkommen, um den Ausstieg nicht zum verlockenden Szenario für Nachahmer zu machen. Auf dem Kontinent gibt es keinen Anlass zur Freude. Häme oder Besserwisserei sind nicht angesagt, dafür steht zu viel auf dem Spiel. Und Wunschdenken sollte sich auch keiner hingeben. Dieselbe Zerrissenheit, die das britische Volk beim Referendum im Sommer 2016 prägte, besteht auch zweieinhalb Jahre später fort. Europa steuert damit auf eine schwierige Zeit zu. … Das Brexit-Theater ist nur Symptom für die Fliehkräfte, die auch den Kontinent heimsuchen."

"Es geht nicht um Sieger oder Verlierer. Die EU hat nichts aufgegeben, sie hat nur nichts preisgegeben, weil sie nichts aufgeben konnte – und durfte",  heißt es in der Mitteldeutschen Zeitung. "Um es auf den Punkt zu bringen: Die Brexit-Verfechter wollten nicht nur das Ende der britischen Mitgliedschaft. Ihr Ziel bestand auch darin, diese Gemeinschaft zu sprengen. Das wurde verhindert. Wie auch immer die politische Krise im Vereinigten Königreich weitergeht – die Unterhändler Londons haben einem Deal zugestimmt, hinter den man nicht mehr zurückfallen wird."

Die Rheinpfalz sieht die Zukunft ebenfalls düster. "Mit den Rücktritten sind die Chancen, dass May eine parlamentarische Mehrheit für das Abkommen zustande bringt, noch weiter gesunken. Die Premierministerin, das belegen die Ereignisse aufs Neue, hat sich einer 'mission impossible', einer im Grunde unmöglichen Mission, verschrieben. Denn sie kann unmöglich allen Gegnern des Brexit-Abkommens auch nur annähernd gerecht werden. Dafür sind deren Motive und Forderungen viel zu unterschiedlich. … Angesichts dieser fast aussichtslosen Lage ist es schon wieder bewundernswert, wie May scheinbar unbeirrt weiterkämpft."

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