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Politik - 23.11.2018

Merz rudert zurück: So will er es nicht gemeint haben

Die befürchtete Diskussion zwischen AKK und Merz blieb aus.

Von Benjamin Konietzny


Mit seiner Forderung, über das Grundrecht Asyl zu diskutieren, löst Friedrich Merz Empörung aus. Nun rudert er zurück und bedient sich einer Taktik von rechts. Kommt es in Halle zwischen ihm und seinen Mitbewerbern zum Streit?

Drei Stunden sind für jede der Regionalkonferenzen angesetzt. Mehr als zwei Stunden davon debattieren die drei Kandidaten in Halle fast ausschließlich über Migrationspolitik, Flüchtlinge, Asyl, Schlepperbanden, Außengrenzen, Integration. Dann meldet sich ein CDU-Mitglied leicht genervt zu Wort und gibt zu bedenken, dass nur darüber gesprochen worden sei. "Es gibt unendlich viele Themen", sagt der Mann und zählt auf: Mieten, der öffentliche Nahverkehr, Polizei und Feuerwehr, Kitas, der Pflegenotstand. "Die Hütte brennt", fasst er seine Sorgen zusammen.

Es antwortet Friedrich Merz: "Die Hütte brennt?", fragt er verwundert. Deutschland gehe es doch gut. "Wir klagen auf ziemlich hohem Niveau." Seiner Ansicht nach ist es offenbar gerechtfertigt, dass die CDU bei dieser Veranstaltung beinahe monothematisch bleibt. Mit einer harten Position bei diesem Thema hat sich Merz in den vergangenen Wochen profiliert. Und dass in Halle kaum Platz für andere Themen bleibt, hat er selbst verursacht.

Merz hatte am Vortag mit einer Äußerung für einen Eklat gesorgt: Bei der Regionalkonferenz im thüringischen Seebach hatte er Zweifel geäußert, ob das im Grundgesetz festgeschriebene Individualrecht auf Asyl "in dieser Form fortbestehen" könne. Es hagelte Kritik von allen Seiten: Erschrockene Reaktionen kamen aus der eigenen Partei, von der SPD, FDP, Grünen und Linken. Einzig die AfD hatte ihre helle Freude an den Äußerungen. Mit Spannung wurde erwartet, wie nach der umstrittenen Aussage die Regionalkonferenz verlaufen würde. Gerüchte machten die Runde, es könnte in Halle zum Streit kommen.

Merz wirkt nervös

Den Anfang macht Annegret Kramp-Karrenbauer mit einer kämpferischen Rede. Beinahe angriffslustig erzählt sie von ihrer Großtante, die sechs Pässe (der unterschiedlichen deutschen Staaten und saarländischen Verwaltungsbiete) gehabt hätte, "die immer hin- und hergeschoben" worden sei. Wer ist fremd im Land, wer gehört dazu? "Diese Fragen müssen beantwortet werden", sagt sie. Stabilität und Sicherheit, auch bei den grundlegenden Gesetzen, dafür plädiert sie. Ihre Botschaft ist ein wenig versteckt, doch sie kommt an: Mit ihr wird es keine Debatte um eine mögliche Änderung des Grundgesetzes geben.

Dann nimmt Merz das Mikrofon in die Hand. Er wirkt nervös, verhaspelt sich zwei Mal. Ihm ist die Debatte, die seine Äußerung von Seebach ausgelöst hat, natürlich nicht entgangen und er weiß, dass er darauf eingehen muss. Was er nicht weiß, ist, wie seine Gäste darauf reagieren werden. Seine Eingangsrede ähnelt denen, der vergangenen Veranstaltungen, seine Nervosität bleibt jedoch. Dann in der ersten Fragerunde versucht er sich zu befreien: "Für alle Interessierten noch einmal zum Mitschreiben: Ich bin für die Beibehaltung des Grundrechts auf Asyl. Punkt." Er habe anregen wollen, darüber zu diskutieren ob einzelne Asylregelungen nicht über Gesetze und nicht die Verfassung erfolgen müssten. Nur so ließe sich eine europäische Asylgesetzgebung herstellen. Er sei bereit, "das eine oder andere noch mal zu erklären, wenn das den einen oder anderen Journalisten überfordert", fügt er hinzu.

Das Schema ist von einer anderen Partei bekannt. Ein Tabu brechen, damit eine öffentliche Debatte auslösen, dann zurückrudern und den Medien die Schuld an einer Falschinterpretation geben – so arbeitet auch die AfD.

Dann springt ihm Kramp-Karrenbauer bei und beteuert, "keiner hier oben" wolle das Grundrecht auf Asyl abschaffen. "Da bin ich mir sicher." Seit AKK ihre Kandidatur bekanntgegeben hat, versucht sie immer wieder herauszustellen, dass es ihr nicht um Personalien, sondern um die Partei gehe. Auch, dass sie Merz in dieser Situation in Schutz nimmt, nachdem sie zuvor nonchalant bei ihrer Bewerbungsrede ihren durch Merz' Äußerungen verursachten Wettbewerbsvorteil ausgespielt hat, ist Teil dieser geschickten Strategie der scheinbaren Selbstlosigkeit. "Danke Annegret, dass du mich einbeziehst und gegen diese Angriffe verteidigst", quittiert Merz.

Spahn fordert Applaus ein

Dass es Gerede gibt, AKK sei keine gute Rhetorikerin, mag man an diesem Abend kaum glauben. Sie begeistert die Gäste. Merz versucht es zunächst mit Zurückhaltung, sorgt jedoch im späteren Verlauf mit markigen Bemerkungen für Begeisterung. Etwa der, dass es einen "Kontrollverlust" wie 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, nicht noch einmal in Deutschland geben dürfe. Auch wenn die Rede vom "Kontrollverlust des Staates" ist, steckt dahinter selten die CDU, sondern eher eine Partei rechts davon.

Der dritte Bewerber, Jens Spahn, hat an diesem Abend deutliche Probleme in Fahrt zu kommen. Er versucht es mit guter Laune. Das, was in der CDU gerade geschehe, tue "unheimlich gut", sagt er mit der Geste eines Motivationstrainers. "Und dass Sie im Land der Frühaufsteher noch so spät dabei sind", lobt er das Publikum um kurz vor 19 Uhr. Die CDU habe Vertrauen verloren, sie müsse jetzt endlich zu "neuer, alter Stärke zurückkommen". Er macht eine Pause, es kommt kein Applaus. Mit einer Geste fordert er Zustimmung ein.

Er versucht, sich anzubiedern und spricht von Schubladendenken, dass die "Besserwessies" im Zusammenhang mit Ereignissen wie in Chemnitz und Köthen ablegen müssten. Unabhängig davon, dass seine Heimat am westlichsten Rand der Republik liegt, kommen diese Sprüche nicht an. Hört man sich unter den Gästen um, ist er zumeist auf Platz drei. Zwischen AKK und Merz müssen sich viele noch entscheiden. Hört man sich um, hat Merz nach den Äußerungen zum Asylrecht bei einigen wieder an Zustimmung verloren.

Die Regionalkonferenz in Halle wurde mit Spannung erwartet, vor allem wegen Merz' Äußerungen. Er beteuert nun, er habe es nicht so gemeint, beziehungsweise die Medien hätten ihn falsch wiedergegeben. Spannend ist das Treffen jedoch nicht. Zwischen den drei Kandidaten herrscht sehr viel Konsens. Sätze wie "Ich habe meinem Vorredner nichts hinzuzufügen" oder "Die Meinung teile ich" fallen mehrfach. Alle drei sind bemüht, ihr konservatives Profil zu schärfen: Zuwanderer müssen sich an die christlich-abendländische Kultur anpassen, Migration besser gesteuert werden, Abschiebungen konsequenter durchgezogen werden, Machos mit Migrationshintergrund müssten klare Grenzen aufgezeigt werden. Mit klarer Kante in der Migrationspolitik können in Halle alle drei Kandidaten punkten, auch weil sie sich darin kaum unterscheiden. Die Delegierten beim Parteitag in Hamburg werden ihre Entscheidung jedoch nicht bloß aufgrund dieses einen Politikfeldes treffen.

Benjamin Konietzny ist Politik-Reporter bei n-tv.de.

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