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Politik - 22.10.2018

Lega legt deutlich zu: Droht Südtirol eine Zerreißprobe?

Welche Koalition wird Landeshauptmann Arno Kompatscher bevorzugen?

Von Andrea Affaticati, Mailand


Für die nationalistische Lega ist die Landtagswahl in Südtirol ein Triumph. Schließlich ist nun auch eine Koalition zwischen ihr und der proeuropäischen Südtiroler Volkspartei möglich. Doch kann das gutgehen?

Die Südtiroler haben am Sonntag gewählt und, wie erwartet, der Südtiroler Volkspartei (SVP) einen Denkzettel verpasst. Oder zumindest ein blaues Auge, denn es hätte in Zeiten erdrutschartiger Stimmverluste für die Volksparteien weitaus schlimmer kommen können. 41,9 Prozent Stimmen hat die Partei bekommen, was ein Minus von 3,8 Prozentpunkten im Vergleich zu 2013 darstellt.

Es ist also eine eher milde Abrechnung mit dem sogenannten Establishment. Immerhin regiert die SVP seit 1948 das Land und bis 2013 sogar mit absoluter Mehrheit. Danach nahm sie die Sozialdemokratische Partei (PD) mit ins Boot. Doch die sind nun mit 3,8 Prozent der Stimmen auch in Südtirol ins Nichts abgedriftet.

Umso stärker hat sich die Lega durchgesetzt. Insgesamt holte sie 11,1 Prozent, in Bozen sogar 27,8 Prozent und wurde dort stärkste Partei. Auch die neu eingestiegene Köllensperger Liste hat mit 15,2 Prozent ein stattliches Ergebnis erzielt. Angeführt wird sie von ihrem Namensgeber Paul Köllensperger, der bis vor kurzem noch Mitglied der Fünf-Sterne-Bewegung war. Seine Liste sei ein "Angebot der Mitte", erklärte er bei deren Aufstellung.

Lega als möglicher Koalitionspartner

Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Welche Koalition wird der im Amt bestätigte und der SVP angehörende Landeshauptmann Arno Kompatscher bevorzugen? Zahlenmäßig könnte er mit der Köllensperger Liste koalieren. Nur die Provinz Südtirol genießt wegen ihrer Zusammensetzung einen Autonomiestatus: Von den 520.000 Einwohnern sind ungefähr 70 Prozent deutsch- und ladinischsprachig und 30 Prozent italienischsprachig. Das Autonomiestatut sieht unter anderem vor, dass in der Regierung alle Volksgruppen vertreten sind. Und da liegt das Problem, denn von der Köllensperger Liste hat kein italienischsprachiger Kandidat den Sprung in den Landtag geschafft.

Am Sonntagabend wollten sich weder Kompatscher noch der Vorsitzende der SVP, Philipp Achammer, auf einen Koalitionspartner festlegen. Klar sei aber, dass man mit der italienischen Partei kooperieren werde, die zahlenmäßig die größte Gruppe vertrete, hieß es.

Dass die Lega so massiv zulegen konnte, hat zweifelsohne auch mit dem in Italien erfolgten Rechtsruck zu tun. Matteo Salvini, Vorsitzender der Lega und Innenminister, hat sich außerdem im Wahlkampf kräftig ins Zeug gelegt. In den vergangenen Tagen war er weitaus mehr damit beschäftigt, in Südtirol das Bierglas zu schwenken, als sich um Italiens Geschicke zu kümmern.

Fast keiner will Wiens Doppelpass

Und schließlich hat die Regierung in Wien der Lega einen nicht zu unterschätzenden Dienst erwiesen. Auf Drängen der FPÖ hat die Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz Pläne für den Doppelpass an deutsch- und ladinischsprachige Südtiroler im Regierungsprogramm festgehalten. Schon die vorige Regierung unter dem sozialdemokratischen Premier Paolo Gentiloni zeigte sich tief irritiert darüber. Am lautesten polterte die damals noch in der Opposition weilende nationalistische Lega. Und auch Kompatscher warnte davor, dieses Thema zu instrumentalisieren.

Genau das hat aber Salvini gemacht. Er warnte die italienischsprachige Bevölkerung davor, Bürger zweiter Klasse zu werden. Dabei ist für die meisten österreichstämmigen Südtiroler die doppelte Staatsbürgerschaft überhaupt kein Thema, eher ein "totaler Quatsch". Der prominenteste Gegner dieser Idee ist der Extrembergsteiger Reinhold Messner. Er hätte überhaupt keinen Bedarf an einer doppelten Staatsbürgerschaft, beteuerte er wiederholt in Interviews. Die Zukunft Europas sei ein Europa der Regionen und nicht der Staaten. Und Südtirol, mit seinen unterschiedlichen Kulturen und Sprachen, die friedlich Seite an Seite leben, liefere ein gelungenes Beispiel und Modell dafür.

Bleibt noch zu sehen, wie sich dieses Seite-an-Seite-Leben in Zukunft weiterentwickeln wird. Mit einer deutschsprachigen Bevölkerung, die proeuropäisch ist und mit der nationalistischen Lega überhaupt nichts am Hut hat, und einer italienischsprachigen Bevölkerung, die sich genau in die entgegengesetzte Richtung bewegt.

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