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Kultur - 29.10.2018

Anne Will: Wie sich Habeck und Lindner dissten und duzten

Auweia, CDU und SPD: Konfus und kraftlos präsentierten sich die Wahlverlierer bei „Anne Will“. Putzmunter und privat miteinander waren dagegen Robert Habeck und Christian Lindner.

Der Grünen-Chef Robert Habeck und FDP-Spitzenmann Christian Lindner leisteten sich so manches Wortgefecht

Der Absturz von CDU und SPD ging auch in Hessen weiter. Ist den beiden Koalitionären noch zu helfen? Oder ist das Konzept Volkspartei am Ende? Bei “

Anne Will“ wurde diskutiert und diagnostiziert. Von der AfD war dabei – danke! – zur Abwechslung mal kaum die Rede, dafür umso mehr von den Grünen. Erleben die Überflieger nur einen „Augenblickshype“ (Anne Will) – oder sind sie einfach die modernste Partei?

Die Diskussionsteilnehmer und ihre wichtigsten Zitate

  • Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler und stellvertretender Parteivorsitzender: „Die Sprüche, jetzt muss man alles ganz anders machen, kann keiner mehr hören.“
  • Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Generalsekretärin: „Wir haben die Aufgabe, es besser zu machen – in der Regierung und in der Partei.“
  • Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Parteivorsitzender: „Wir Grüne geben der Wirklichkeit angemessene, radikale Antworten.“
  • Christian Lindner (FDP), Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender im Bundestag: „Wir sind bereit zu regieren.“
  • Christiane Hoffmann, stellvertretende Leiterin des „Spiegel“-Hauptstadtbüros: „Die Grünen sind von etwas Hartem, Verbissenem zu etwas angenehm Weichem geworden.“
  • Hans Vorländer, Politikwissenschaftler: „Die Auflösung der Volksparteien muss keine schlechte Entwicklung sein.“

So lief die Diskussion

Wie ratlos und ausgeknockt kann man sein? Mit versteinerten Mienen saßen Annegret Kramp-Karrenbauer und Olaf Scholz nach den Erdrutsch-Niederlagen ihrer Parteien da und brachten nur Belanglosigkeiten über die Lippen. „So wie es ist, kann es nicht weitergehen“, barmte die

CDU-Generalsekretärin. Und Olaf Scholz fing sich von Anne Will gleich zu Beginn einen Nasenstüber ein. Als der Finanzminister jammerte, dass sich ja niemand für Inhalte interessiere, blaffte Will: „Dann sollten Sie die Inhalte so erzählen, dass sie interessieren.“

Viel mehr kam nicht von den Verlierern. Sie waren bleiche Statisten eines recht unterhaltsamen Schlagabtauschs zwischen

Robert Habeck und Christian Lindner, die sich inhaltlich zofften – aber menschlich ganz gut zu verstehen scheinen. Lindner versah Habeck mit dem Attribut „cremig“, was den Grünen-Chef auf die Palme brachte („Warum ‚cremig‘, warum nicht ‚vernünftig‘?“). Noch mehr erzürnte Habeck aber der Lindner-Diss, die Grünen seien „Klima-Nationalisten“. Habeck im Duz-Modus: „Kannst du mal zur Kenntnis nehmen, dass wir zu viel Braunkohlestrom produzieren?“ Den momentanen Höhenflug der Grünen schrieb Habeck einerseits der „Schwäche der Anderen“ zu – aber auch dem eigenen Parteimodell: „Wir sind ein Mix aus radikaler Analyse, visionärer Kraft und Pragmatismus in der Umsetzung.“

Szene des Abends

Es kommt nicht oft vor, dass es

Christian Lindner die Sprache verschlägt. Anne Will schaffte es, den FDP-Chef für einen Moment zum Schweigen zu bringen. Nach einem Einspieler mit Lindners vielzitierter Jamaika-Absage („Es ist besser, nicht zu regieren, als schlecht zu regieren“) fragte sie: „Sind Sie der Vater des grünen Erfolgs?“ Lindner erst perplex, dann fantasielos: „Die Frage ist mir zu spielerisch gestellt.“

Erkenntnisse in Thesen

  • Einen „verbindlichen Fahrplan“ bis zur Halbzeitbilanz der Koalition hatte die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles am Wahlabend gefordert. Olaf Scholz begründete den Vorstoß damit, dass der Koalitionsvertrag „als Richtlinie nicht gereicht“ hätte. Robert Habeck konterte: „Die Menschen erwarten Politik. Was Frau Nahles macht, ist Technik.“
  • Für Christian Lindner ist einer der Gründe für den schlechten Zustand der Großen Koalition, dass sich CDU und SPD gegenseitig keine Erfolge gönnen. „Eine Regierung ist nur dann erfolgreich, wenn alle Partner ihre Punkte machen können.“
  • „Spiegel“-Journalistin Christiane Hoffmann riet der SPD indirekt, die Regierung zu verlassen: „Es wird für die SPD nicht mehr heil in dieser Koalition.“
  • Während Annegret Kramp-Karrenbauer „an der Bindekraft als Volkspartei arbeiten“ will, sieht der Politologe Hans Vorländer die Volksparteien europaweit in einem Verfallsprozess. „Die Gesellschaften sind vielfältiger geworden.“
  • „Der migrationskritische Kurs von Horst Seehofer in Bayern hat so wenig funktioniert wie der Merkel-freundliche Kurs von Volker Bouffier in Hessen“, resümierte Christiane Hoffmann. Ihre Diagnose: „Die CDU hat ein personelles Problem“. Hans Vorländer teilte die Einschätzung: Die CDU brauche eine Erneuerung – auch und vor allem an der Spitze.
  • Des einen Leid, des anderen Freud: Die Grünen, so Vorländer, seien unbelastet von den Querelen in Berlin. „Das ist die Prämie, die sie einstreichen.“ Zudem stießen sie mit ihrer ideologisch unbelasteten Politik mitten in Milieus, die sich seit einiger Zeit in Auflösung befänden.

Fazit

Zanken, frotzeln, duzen: Der kollegiale Krawall zwischen Robert Habeck und Christian Lindner, der die Diskussion bestimmte, bewegte sich zwischen Kantinen-Geplauder und Jamaika-Sondierung. Als Habeck meinte, den Koalitionären einen Ratschlag erteilen zu müssen („Schicken Sie Seehofer nach Hause, das wäre schon mal ein Start.“), wies ihn Lindner zurecht: „Das geht uns doch gar nichts an.“ Habeck darauf: „Lass mich ausreden!“ Und Lindner: „Du redest viel, Robert!“ Läuft zwischen den Beiden.

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