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Deutschland - 08.11.2018

Wird Annegret Kramp-Karrenbauer unterschätzt?

Angela Merkel gibt den Vorsitz der CDU ab, Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer kandidiert für die Nachfolge. Im Rennen um den mächtigsten Parteiposten Deutschlands wagt sie eine politische Gratwanderung.

„Nur die Ruhe, nur die Ruhe“, erklärt Annegret Kramp-Karrenbauer, während sich eine Schar von Fotografen um die zierliche Frau drängt. Die Generalsekretärin der CDU ist zu Besuch in der Landesvertretung des Saarlands in Berlin. Früher sei sie hier selbst Gastgeberin gewesen, erklärt die ehemalige Ministerpräsidentin von Deutschlands kleinstem Flächenland. Erst im Frühjahr hatte sie ihren Regierungsjob aufgegeben, um für ihre Partei als Generalsekretärin zu arbeiten.

Nun ist sie einen Schritt weiter gegangen und hat sich um den mächtigsten Posten in der deutschen Parteienlandschaft beworben: Den Vorsitz der CDU, seit 18 Jahren in der Hand von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ruhig und sachlich trägt sie ihr Plädoyer für den Parteivorsitz den anwesenden Pressevertretern vor.

Es kommt nicht von ungefähr, dass sie oft als „kleine Merkel“ bezeichnet wird, die beiden Politikerinnen sind eng vertraut. Merkel hat sie für die Position der Generalsekretärin nominiert. Merkel selbst war 2000 von der Position der Generalsekretärin zur Parteivorsitzenden gewählt worden.

„Ende einer Ära“

Zielgerichtet, aber unaufgeregt, eben wie Angela Merkel, von der sich Kramp-Karrenbauer trotz Verbundenheit jetzt abgrenzen will und muss – wie sie weiß. „Dies ist das Ende einer Ära“, verkündet sie bei ihrer Pressekonferenz in Berlin. Mit Angela Merkel würden sie viele persönliche Erlebnisse verbinden, sie habe ihr für vieles zu danken.

Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer gelten als eng vertraut

Dennoch: „Ich stehe für mich selbst“, verkündet sie selbstbewusst. „Jetzt gilt es, ein neues Kapitel aufzuschlagen“, sagt Kramp-Karrenbauer, „mit einem neuen Stil und neuer Stärke.“ Denn so einfach wie Merkel wird es Kramp-Karrenbauer nicht haben: Zum Zeitpunkt von Merkels Wahl befand sich die CDU in der Krise. Die Affäre um illegale Parteispenden hatte die Partei in eine Führungskrise gestürzt, als Generalsekretärin hatte Merkel wenig Konkurrenz um die Parteiführung. Kramp-Karrenbauer hingegen muss sich jetzt gegenüber zwei von Merkels schärfsten Kritikern profilieren: Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Friedrich Merz und derzeitige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Merz vom Kreisverband Fulda für CDU-Vorsitz nominiert

Für viele gelten die beiden forschen Gegner der bisherigen Parteipolitik als Favoriten, doch während es von den beiden männlichen Kandidaten bislang nur Merz zu einer Nominierung durch den Kreisverband Fulda gebracht hat, hat Kramp-Karrenbauer sich bereits die Unterstützung ihres saarländischen Landesverbands und der Frauen-Union gesichert.

Jens Spahn (links) und Friedrich Merz (rechts) bewerben sich ebenfalls um den Parteivorsitz. Ministerpräsident Armin Laschet (Mitte) kandidiert bewusst nicht

Kramp-Karrenbauer mag unterschätzt zu werden: „Das spornt mich an“, erklärt sie im Interview mit den Autorinnen ihres biographischen Buchs, dessen kämpferischer Titel „Ich kann, ich will und ich werde“, ihre Ambitionen deutlich macht.

Man müsse wieder Wahlen gewinnen, sagte Kramp-Karrenbauer mit Blick auf das desaströse Ergebnis der Landtagswahlen in Hessen, das Merkel vergangene Woche zum Rückzug vom Parteivorsitz bewegte. Und lässt eine kleine Kritik an Merkels Führung laut werden: Die bisherige Regierungszeit der großen Koalition bezeichnet sie als „bleierne Zeit.“

„Keine schrillen Töne“

Die Parteiführung brauche mehr Selbstbewusstsein gegenüber der Regierung und dürfe nicht einfach alle Entscheidungen vorbehaltlos hinnehmen. „Wir müssen die Prozesse umkehren.“ Deshalb dürfe es ihrer Meinung nach keine Politik geben, „die ins Leere geht“, doch in politischen Themen weicht sie bislang kaum von Merkels Linie ab. In migrationspolitschen Fragen warnt sie davor, die Entscheidung Merkels während der Flüchtlingskrise 2015, die Grenzen offen zu halten, immer wieder anfechten zu wollen – etwa wie ihr Konkurrent Jens Spahn. „Vertrauen in innere Sicherheit gewinnt man nicht durch schrille Töne“, sagte sie. Ein Satz, der auch von Angela Merkel hätte stammen können.

Kramp-Karrenbauer erklärt aber auch, dass sie ein „gefährliches Gefühl der Entfremdung“ in Deutschland spüre. Konkrete Lösungsansätze weist sie an diesem Tag aber noch nicht vor. Doch die hatte auch Merkel nicht, als sie die Partei nach über zwanzig Jahren unter Helmut Kohl erneuerte.

Und auch hier ähneln sich die beiden Frauen: Den Frust in der eigenen Partei über die Politik der vergangenen Jahre habe Kramp-Karrenbauer selbst zu spüren bekommen, betont sie. In einer landesweiten „Zuhör-Tour“ diskutierte sie drei Monate lang mit Parteimitgliedern über die Zukunft der CDU. Durchhaltevermögen muss sie beweisen, nicht nur als Parteichefin, sondern auch wenn sie noch einen weiteren Schritt gehen will – den der Kanzlerschaft. Denn die Ausdauer, mit der Merkel unter anderem über 100 EU-Gipfel absolvierte, gilt nicht nur in der deutschen Politik als unangefochten – zumindest bislang noch.

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