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Deutschland - 25.10.2018

Freiwilligendienst mal anders: Zum Helfen aus Benin nach Deutschland

In Kindergärten, Schulen und Behinderteneinrichtungen können in Deutschland auch junge Afrikaner einen Freiwilligendienst machen. Doch es kann dauern und Nerven kosten, bis es soweit ist. Dennoch steigt das Interesse.

Abdoubari Boukari steigt zügig die Treppenstufen in den zweiten Stock hinauf, bis zum Büro des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD). Rechts und links sitzen ein paar Studenten, die Mitschriften aus Vorlesungen durcharbeiten und für Prüfungen lernen. Es ist ruhiger als sonst. Denn an der Universität Abomey-Calavi, der größten Universität im westafrikanischen Benin, sind noch Semesterferien. In dem zweistöckigen Gebäude hat auch der 25-Jährige Veranstaltungen besucht und sich auf Klausuren vorbereitet. Doch damit soll für ein Jahr Schluss sein. Boukari will praktisch arbeiten, und zwar in Deutschland.

Möglich wird das durch die Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst, den es seit 2011 gibt und der auch Ausländern offensteht. Der Germanistik-Student hat eine Einsatzstelle bei der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Lautenbach in Baden-Württemberg, wo er mit Behinderten arbeiten soll. Erfahrungen in diesem Bereich hat er bereits in Benin gesammelt. „Ich habe mit kleinen Kindern und Autisten gearbeitet. Ich habe die Kinder an- und ausgezogen, ihnen zu essen gegeben. Wir haben auch Spiele für sie organisiert“, erzählt er über sein Praktikum. Einen Monat hat er bei einer beninischen Nichtregierungsorganisation gearbeitet, die sich unter anderem um Menschen mit Behinderung und Waisenkinder kümmert. 

Abdoubari Boukari möchte in Deutschland mit Behinderten arbeiten

Zweifel an der Rückkehrbereitschaft

Wann er jedoch nach Deutschland fliegt, ist unklar. Sein erster Visumsantrag wurde abgelehnt. Ein neuer Termin bei der Botschaft ist für Ende Oktober angesetzt. Auch wenn es keine offiziellen Zahlen dazu gibt, kennen die Einsatzstellen in Deutschland dieses Problem. „Wir wissen natürlich, dass die Formalitäten für die Freiwilligen nicht immer einfach sind“, sagt Christoph Herrman von den „Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners“ in Karlsruhe, die auch Freiwillige aus dem Ausland empfängt. Eine Ablehnung hänge oft mit der Befürchtung zusammen, dass die Freiwilligen nach dem Einsatz nicht wieder zurück in ihre Heimat kehren könnten, sagt er. „In den meisten Fällen ist das aber unbegründet“, lautet Herrmanns Erfahrung, im Gegenteil: „Es passiert schon, dass jemand eine Ausbildung hier macht, nach einer gewissen Zeit aber merkt: Ich habe viel gelernt, gehe jetzt aber mit meinem Wissen zurück in die Heimat, wo es vielleicht noch viel sinnvoller gebraucht wird.“ 

Für Tore Süßenguth zeigt das auch die unterschiedlichen Blickwinkel auf Mobilität. Süßenguth arbeitet beim „Arbeitskreis Lernen und Helfen in Übersee“, einem Dachverband mit knapp 60 Mitgliedsorganisationen, mit Sitz in Bonn. Er sagt: „Als junger Deutscher hat man in fast allen Ländern recht einfach die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel zu bekommen, während es für junge Menschen aus Westafrika oder auch aus anderen Ländern schwierig ist.“ Für die Vergabe der Visa würden Sicherheiten im Heimatland, etwa Grundbesitz, ein Arbeitsvertrag nach der Rückkehr oder eigene Kinder eine Rolle spielen. Das können junge Menschen so gut wie nie vorweisen. Das geht jungen Deutschen nicht anders. Sie werden jedoch nicht danach gefragt.

Bekannter ist diese Variante: Junge Deutsche leisten Freiwilligendienst im Ausland, wie diese junge Frau

Abenteuerlust und Deutschkenntnisse

Dennoch steigt das Interesse, sagt Süßenguth. „Wir haben erstmalig 2014 Zahlen erhoben. Programmübergreifend waren es damals in Deutschland etwa 1500 Freiwillige, die aus über 130 Ländern gekommen sind.“ Diese Zahl hat sich fast verdoppelt und liegt dieses Jahr ersten Schätzungen zufolge bei etwa 2800. An der Universität Abomey-Calavi erlebt das auch DAAD-Lektorin Friederike Heinz. „Ich bin seit vier Jahren hier, und in den ersten beiden Jahren habe ich wenig davon mitbekommen. In den letzten beiden Jahren waren es mehr Bewerber. Das sind nicht Massen, aber etwa vier bis fünf, und die Tendenz steigt.“

Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen mangelt es an Stipendien. Die Chancen, im Rahmen eines Austauschprogramms nach Europa zu gehen, sind gering. Dazu kommen Abenteuerlust und persönliches Engagement. So erlebt es Friederike Heinz, die die Sprachtests abnimmt. „Ich sehe schon Parallelen zu dem Freiwilligendienst, den es auch für Deutsche gibt, die nach dem Abitur ins Ausland gehen, um sich sozial zu engagieren.“ Die Sprachkenntnisse der jungen Beniner profitieren auf jeden Fall davon. Ohnehin kennt Friederike Heinz bisher nur Germanistikstudenten, die nach Deutschland gegangen sind. Sie müssen schließlich genug Deutsch sprechen, um Gespräche führen zu können. Dieses Niveau neben dem regulären Studium zu erreichen ist schwierig.

Rückkehr mit gemischten Erfahrungen

Sein Deutsch verbessert hat auch der 23-jährige Gabriel, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte. Bevor er vergangenes Jahr nach Dresden ging, war er schon einmal in Berlin. Die Stadt gefiel ihm extrem gut: „Jedes Mal, wenn ich in Berlin bin, bin ich wie in Afrika. Die Menschen haben unterschiedliche Hautfarben. Ich fühle mich dort sehr wohl.“ Für seinen Jahreseinsatz hoffte er ebenfalls, in die Hauptstadt zu kommen. Doch es wurde eine Schule in der sächsischen Landeshauptstadt. Dort hat er gemischte Erfahrungen gemacht, vor allem, als er einen Freund in der kleineren Stadt Pirna besuchte, erzählt Gabriel: „Dort waren wir abends unterwegs und hinter uns sagten Leute: ‚der ist schwarz, der ist schwarz.‘ Ich hatte Angst.“

Im DAAD-Büro gibt er Abdoubari Boukari Tipps für seine bevorstehende Zeit in Deutschland. Doch von dieser Erfahrung lässt der sich nicht abschrecken. „Wir haben unterschiedliche Hautfarben. Aber der Mensch bleibt Mensch“, sagt er und hofft, bald sein Visum im Pass zu haben.

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