Home Wissen und Technik Was Populisten und Impf-Gegner eint
Wissen und Technik - 24.01.2019

Was Populisten und Impf-Gegner eint

Donald Trump, Marine Le Pen, Matteo Salvini: Populisten aller Art haben sich die Ideologie der Impfgegner zu eigen gemacht. Die Propaganda wirkt.

Noch immer muss jedes fünfte Kind weltweit ohne Impfschutz gegen lebensgefährliche Kinderkrankheiten auskommen.

Bei Wilhelm Busch heißt es: „Das Gute – dieser Satz steht fest –, ist stets das Böse, was man lässt.“ Der Philosoph Odo Marquard hat dieses Bonmot variiert: „Der Sinn – und dieser Satz steht fest –, ist stets der Unsinn, den man lässt.“ Leider stimmt beides nicht. Auch das Böse und Unsinnige, was man nicht lässt, kann ein äußerst beharrliches Eigenleben führen.

Vor 21 Jahren veröffentlichte der britische Arzt Andrew Wakefield einen Aufsatz in der medizinischen Fachzeitschrift „Lancet“, in dem er einen kausalen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus behauptete. Die These wurde sofort widerlegt, der Aufsatz zurückgezogen, dem Arzt die Approbation entzogen. Das Echo blieb dennoch nicht aus. Es hält, durch soziale Medien verstärkt, bis heute an. Wakefields Aufsatz gilt als Gründungsdokument der globalen Impfgegner. Das Jahr 1998 geht als Geburtsstunde eines gefährlichen, modernen Mythos in die Geschichte ein.

Inzwischen lebt Wakefield im US-Bundesstaat Texas. Von seiner These lässt er nicht ab, er hat sogar einen Film darüber gedreht. Bevor ein Gericht in der italienischen Stadt Rimini im Jahr 2012 ein Urteil fällte, demzufolge die MMR-Impfung (Masern, Mumps, Röteln) tatsächlich bei einem Kind Autismus verursacht hätte, durfte Wakefield dort seinen Film präsentieren. Das Urteil wurde drei Jahre später zwar kassiert, doch der Schaden war beträchtlich. Rimini ist das Zentrum der italienischen Impfgegner-Kampagne „Comilva“. Einer der ersten, der deren Anliegen politisch aufgriff, war Beppe Grillo, der Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung, die heute mit der rechtspopulistischen Liga Nord an der Regierung ist.

Ein rasanter Aufstieg der „Bio-Populisten“

In den USA fielen Wakefields Thesen bei Donald Trump auf fruchtbaren Boden. Mehr als dreißig Tweets hat er bereits über die angeblichen Gefahren des Impfens abgesetzt. Außerdem lud er den Ex-Arzt vor zwei Jahren zu einem seiner Amtseinführungsbälle nach Washington D.C. ein. Auch in Hollywood ist Wakefield ein gern gesehener Gast. Als ihn vor einem Jahr ein Journalist befragen wollte, antwortete er schroff: „Ich rede nicht mit den ,fake news‘.“

Donald Trump, Marine Le Pen, Heinz-Christian Strache, Beppe Grillo, Matteo Salvini: In Europa und den USA haben sich Populisten aller Art die Ideologie der Impfgegner zu eigen gemacht. Das britische Magazin „Economist“ spricht von einem rasanten Aufstieg der „Bio-Populisten“, die für den menschlichen Körper offenbar dasselbe wollten wie für die Nation – Reinheit, Einheit und Selbstbestimmung. Stark ausgeprägt ist die Impfgegnerschaft vor allem in Italien, Frankreich, Polen und den USA. Die Ressentiments werden genährt durch Wissenschaftsfeindlichkeit, Zorn auf das Establishment, Mutmaßungen über die Interessen einer multinationalen Pharmazie-Industrie, Misstrauen gegenüber jeder Art von Autorität, die Dichotomie von „guter Natur“ und „böser Chemie“. Der letzte Aspekt ist insbesondere für Anthroposophen und eher linke Impf-Gegner zentral.

95 Prozent der Bevölkerung müssen immunisiert sein

Die Propaganda wirkt. Jahr für Jahr lassen in Europa immer weniger Eltern ihre Kinder impfen. Die Impfrate ist auf ihrem tiefsten Stand seit 16 Jahren. Entsprechend dramatisch verläuft der Anstieg der Krankheits- und Todesfälle, laut Weltgesundheitsorganisation allein im Jahr 2018 um bis zu 300 Prozent. Deshalb hat die WHO vor einigen Tagen Impfgegner zur globalen Bedrohung erklärt. Aus Sicht der Experten geht von den Verweigerern ein ähnlich großes Risiko für die weltweite Gesundheit aus wie von Ebola, Antibiotikaresistenzen und Luftverschmutzung.

Kein medizinischer Eingriff hat in den vergangenen Jahren mehr Menschenleben gerettet als das Impfen. Krankheiten wie Pocken, Kinderlähmung, Masern, Diphtherie, Tetanus wurden sehr stark eingehegt oder gar ausgerottet. Doch je weniger Menschen geimpft werden, desto eher breiten sich Krankheiten aus. Um solche Ausbrüche zu verhindern, müssten 95 Prozent der Bevölkerung immunisiert sein. In Italien indes ist die Marke unter 90 Prozent gefallen. In Frankreich sind gar zwanzig Prozent der Bevölkerung gegen das Impfen.

Immerhin: Einige Populisten wandeln sich, wenn sie an die Macht gelangen. Beppe Grillo unterstützt inzwischen die Masern-Impfung. Auch die Gesundheitsministerin der FPÖ hat versprochen, der „leider vorhandenen Impfskepsis“ entgegenzuwirken.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Start von Indiens erster Mondlandemission abgebrochen

Für den Start seiner ersten Mondlandemission hatte Indien sich ein historisches Datum ausg…