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Wissen und Technik - 04.06.2019

Urlaub mit Kinderwunsch

Die 65-Jährige Berlinerin, die mit Vierlingen schwanger ist, musste sich im Ausland behandeln lassen. Nicht zuletzt, weil Eizellspenden in Deutschland verboten sind. Viele Paare umgehen dieses Verbot jedoch.

Routine. In vielen Ländern Europas darf man zur künstlichen Befruchtung gespendete Eizellen verwenden.

Geradezu fahrlässig wäre es, einer 65-Jährigen vier Embryonen einzusetzen. Die Risiken für die Mutter und die ungeborenen Kinder seien viel zu groß. Petra Thorn, Familientherapeutin in Mörfelden und Vorsitzende des Beratungsnetzwerkes Kinderwunsch (BKiD) beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema „Reproduktives Reisen“. „Der Fall in Berlin ist die absolute Ausnahme“, sagt sie. „Das hat selbst mich überrascht.“

Nicht ungewöhnlich ist es dagegen, dass Paare das Verbot der Eizellspende in Deutschland umgehen und für eine Kinderwunschbehandlung ins europäische Ausland reisen. Die Gründe sind so vielfältig wie das Leben: Die meisten Frauen sind Ende 30 bis Mitte 40, haben etliche gescheiterte Versuche künstlicher Befruchtung hinter sich und wollen nun mithilfe gespendeter Eizellen einen letzten Versuch wagen. Andere kamen durch eine Erkrankung oder deren Behandlung (etwa bei Krebs) viel zu früh in die Menopause. Wieder andere wollen Erbkrankheiten vermeiden, die es in der Familie der Mutter gibt. Etwa 10 000 Euro kostet jeder Versuch die Paare im Durchschnitt. Ohne Erfolgsgarantie und Reisekosten.

Durch das Internet ist die Suche einfacher geworden

Viele deutsche Paare hält der Preis nicht ab, mindestens 2000 sind es pro Jahr, schätzen Experten aufgrund einer europäischen Pilotstudie aus dem Jahr 2008, für die 46 Kinderwunschzentren in sechs Ländern befragt wurden. „Diese Zahl ist nicht belastbar. Wahrscheinlich sind es deutlich mehr“, sagt Thorn.

Durch das Internet sei es einfacher geworden, geeignete Zentren im Ausland zu finden und sich in Foren unter Betroffenen auszutauschen. Außerdem hätten nur wenige Paare Vorbehalte gegenüber einer ausländischen Klinik. Einige haben sich regelrecht auf Klienten aus Deutschland spezialisiert – zum Beispiel in Tschechien, wo die Eizellspende wie in zahlreichen anderen europäischen Ländern erlaubt ist.

Nach dem deutschen Embryonenschutzgesetz bleibt die Schwangere nach einer Eizellspende im Ausland straffrei, sagt Hans-Georg Koch, Experte für Medizinrecht am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg. „Das gilt aber nicht für deutsche Ärzte, die entsprechende Adressen vermitteln oder die Frau vorbehandeln, damit sich der Auslandsaufenthalt verkürzt“, sagt Koch. De facto wäre eine Strafverfolgung von helfenden Dritten jedoch kompliziert. Denn im Zweifel erfährt niemand von ihnen.

Die Empfängerin darf meistens nicht älter als 45 sein

Das Recht, nach einer Fruchtbarkeitsbehandlung eine Mehrlingsschwangerschaft auszutragen, könne niemand einer Frau streitig machen. Auch wenn Ärzte etwas anderes empfehlen. „Das ist allein ihre Sache.“ Die Folgekosten – etwa durch eine viel zu frühe Geburt und damit verbunden oft bleibende körperliche und geistige Behinderungen – trägt die Gemeinschaft. „Da können sich die gesetzlichen Krankenkassen nicht entziehen“, sagt Thorn. Für die Kinder besonders spät Gebärender kommen zwei andere Aspekte hinzu: Manche schämen sich für ihre alten Eltern. Andere haben ständig Angst, sie zu verlieren.

Dass Ärzte einer 65-Jährigen Embryonen einsetzen, sei auch international ungewöhnlich, sagt Koch. „In den meisten Ländern, wo die Eizellspende erlaubt und geregelt ist, darf die Empfängerin nicht älter als 45 oder höchstens 50 Jahre alt sein.“ Vermutlich sei die Berlinerin daher auf ein Land ausgewichen, in dem der Gesetzgeber noch hinterherhinkt, meint Koch.

Der Druck auf den Gesetzgeber wird wachsen

Das generelle Verbot der Eizellspende in Deutschland ist umstritten, insbesondere weil das Embryonenschutzgesetz mit dem Kindeswohl argumentiert. „Das steht auf tönernen Füßen“, sagt Koch. Auch die Aussage, man wolle einer Ausbeutung der Frauen vorbeugen, greife nicht, wenn zum Beispiel überzählige Eizellen aus Behandlungen mit Reagenzglas-Befruchtung gespendet werden oder wenn sich Schwestern freiwillig untereinander aushelfen wollen.

Deutschland verschenke mit dem Verbot die Gelegenheit, die Eizellspende nach eigenen ethischen und medizinischen Maßstäben zu regulieren. Dem stimmt Thorn zu. „Aber der Druck auf den Gesetzgeber wird wachsen“, sagt sie. „Insbesondere, weil die Behandlung bald in Österreich möglich sein wird und damit selbst die Sprachbarriere wegfällt.“

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