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Wissen und Technik - 17.12.2018

Unglaublicher Sturm und Kartoffeln aus dem Mist

Beim jüngsten Weltraumepos aus Hollywood werden wieder alle Register gezogen. Kann das sein, was da gezeigt wird? Lesen Sie hier einen Faktencheck. Spoilerfrei.

Allein auf dem Mars beziehungsweise in Jordanien. Szene aus dem Film „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“, der jetzt in den…

Ein Robinson auf dem Mars. So lässt sich der Inhalt des Films „Der Marsianer“ kurz zusammenfassen. Etwas länger geht es so: Der Astronaut Mark Watney (gespielt von Matt Damon) wird nach einem heftigen Sandsturm auf dem Planeten zurückgelassen und tut alles, um zu überleben, was wiederum die Chance auf eine Rettung erhöht. Wie bei allen Sciencefiction-Filmen, vom Weltraumschrott-Thriller „Gravity“ bis zum Astrophysik-Spektakel „Interstellar“, fragen sich Zuschauer bei einzelnen Szenen: Kann das sein?

Zumindest der Ausgangsstoff, das gleichnamige Buch von Andy Weir, gilt als recht schlüssig. Weir ist bekannt für seine intensive Recherche. Er veröffentlichte die Kapitel im Internet und erhielt so schnell Rückmeldungen von anderen Technikfreaks. Und auch der Regisseur Ridley Scott hat im Vorfeld gesagt, dass der Film so realitätsnah wie möglich sein solle. Schauen wir mal nach.

Sandsturm

Gleich zu Beginn wütet ein gewaltiger Sturm, der alle möglichen Teile durch die Gegend schleudert. Das ist auf dem realen Mars nicht zu schaffen, denn er hat eine sehr dünne Atmosphäre, der Luftdruck ist nur etwa ein Hundertstel so groß wie auf der Erde. Zwar werden Windgeschwindigkeiten von bis zu 400 Kilometern pro Stunde erreicht, doch die wirkende Kraft pro Fläche ist klein. Schwere Objekte können kaum bewegt werden.

Überlebenswille

Allein auf einem fremden Planeten mit begrenzten Lebensmitteln und ohne Aussicht auf Rettung. Was motiviert einen da zum Durchhalten? Alles, was Hoffnung verspricht. „Der Überlebenswille ist sehr groß“, sagt Hanns-Christian Gunga, Weltraummediziner an der Charité Berlin. „Es gibt zahlreiche Beispiele, wo Menschen in scheinbar ausweglosen Situationen alles getan haben, um am Leben zum bleiben.“ Etwa der Chinese Poon Lim: Nach einem Schiffbruch trieb er auf einem kleinen Holzfloß mit wenig Wasser und Dosenbrot auf dem Südatlantik – bis zu seiner Rettung nach 133 Tagen. „Technische Hilfsmittel sind wichtig“, sagt Gunga. „Aber eigentlich fängt das Überleben im Kopf an.“

Gemüse anbauen

Watney mischt Marsboden mit seinen Exkrementen und lässt darin Kartoffeln wachsen. Das ist eine sehr robuste Form der Landwirtschaft, aber sie ist gar nicht so weit von dem entfernt, was Experten planen. Weil der Transport jeglicher Güter von der Erde unglaublich teuer ist, wird für Langzeitmissionen eine Kreislaufwirtschaft angestrebt. Algen und Pflanzen produzieren Sauerstoff, verwerten Kohlendioxid und liefern zugleich Nahrung. Die Ausscheidungen der Crew werden ebenso verwertet. Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln wird beispielsweise erforscht, wie Harnstoff im Urin mittels Bakterien in eine Stickstoffform umgewandelt wird, die Pflanzen aufnehmen können. „Dazu muss die Flüssigkeit durch eine Membran strömen, das geht auf dem Mars noch besser als in einem Raumschiff, wo Schwerelosigkeit herrscht“, sagt Gerhild Bornemann. Demnächst will sie erforschen, wie feste Exkremente optimal genutzt werden können.

Auf dem Mars laufen

Wenn man Watney laufen sieht, könnte man meinen, er stapft durch das Wadi Rum in Jordanien. Logisch, denn dort wurde der Film gedreht. Auf dem Mars herrschen nur 38 Prozent der irdischen Schwerkraft. Das stellt Menschen vor einige Probleme, besonders wenn sie relativ neu sind auf dem Himmelskörper, sagt der Weltraummediziner Gunga. „Man erreicht nicht die gewohnte Reibung zwischen Fuß und Untergrund, rutscht weg und stolpert.“ In jedem Fall muss der Körper die etwas andere Bewegung erst lernen. Die verringerte Gravitation ist übrigens in mehreren Einstellungen angedeutet, etwa beim Absetzen von Kisten. Aber nicht konsequent durchgehalten.

Strahlung

Im Vergleich zur Erde sind Astronauten auf dem Mars wesentlich höherer Weltraumstrahlung ausgesetzt, weil es kein schützendes Magnetfeld und keine dichte Atmosphäre gibt. Je mehr Strahlung, umso größer ist die Gefahr, dass Erbgut in den Körperzellen geschädigt wird und Krebs entsteht. Daher wäre es durchaus sinnvoll, eine Marskolonie etwa in einer Höhle aufzuziehen – bereits ein halber Meter Fels sei ein guter Strahlungsschutz, sagt Gunga. Da Watney länger als geplant auf dem Planeten bleibt und stets an der Oberfläche ist, hat er in der Tat ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko, was jedoch nicht zur Sprache kommt.

Scharfe Körner

Auch diese Gefahr wird nicht thematisiert: Marssand ist sehr feinkörnig und durch den hohen Silikatanteil ziemlich scharfkantig. Er setzt vor allem den Dichtungen, etwa an Raumanzügen, zu. Experten vermuten, dass das ein ernsthaftes Problem ist. Die Kleidung muss häufig gereinigt werden, was dadurch erschwert wird, dass die Partikel statisch aufgeladen sein können. Wasser jedoch ist knapp.

Höllische Musik

Ridley Scott erweckt den Eindruck, der Mars sei nur mit fieser Diskomusik zu haben. Die kommt natürlich aus Lautsprechern der Nasa-Vehikel, aber auch das ist wenigstens bedenklich. Die US-Raumfahrtbehörde hat strenge Vorschriften, um andere Himmelskörper vor Verunreinigungen zu schützen, beispielsweise durch Bakterien der Erde, die mit Raumsonden dorthin verfrachtet werden. Bleibt zu hoffen, dass vor der ersten bemannten Marsmission nicht nur Raumschiff und Geräte pingelig auf mögliche Kontaminationen geprüft werden, sondern auch die Smartphones der Astronauten – oder was auch immer dann zum Musikhören verwendet wird.

Wer die Reise von Mark Watney auf dem Mars nachvollziehen will, findet hier eine Animation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), das den Planeten seit Jahren genau kartiert.

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