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Wissen und Technik - 18.06.2019

Studie rät zu Schulschließungen während Grippewellen

Drastisches Mittel gegen Influenza-Infektionen: Eine neue Studie belegt, dass Schulschließungen die Ansteckungsgefahr reduzieren können.

Leere Klassenzimmer. Wenn Vieren grassieren, sollten Schulen schließen.

Es war der 12. März, als in Berlin alle Grundschulen geschlossen blieben und sogar die Siebt- bis Neuntklässler der Oberschulen zu Hause bleiben mussten. Grund: eine der heftigsten Grippewellen seit Jahren. 25.000 Schülerinnen und Schüler waren bereits krankgemeldet. Wochenlang, bis zum Ende der Osterferien am 16. April, waren die Eltern bezüglich der Betreuung ihrer Kinder auf sich allein gestellt, während die Schulen auf Anweisung des Senators für Gesundheitswesen und der Gesundheitsämter „desinfiziert“ wurden.

Tatsächlich ebbte die Grippewelle des Jahres 1952 bald ab und brannte sich nicht als besondere Katastrophe oder als „Betreuungsnotstand“ in das kollektive Gedächtnis. Das Schließen öffentlicher Versammlungsorte gehörte seinerzeit angesichts fehlender Impfstoffe und Medikamente zu den wenigen effektiven – und damit akzeptierten – Methoden, mit denen sich die hochinfektiösen Influenza-Viren bekämpfen ließen.

Heute wird über die Wirksamkeit von Schulschließungen zur Eindämmung von Epidemien hingegen immer wieder heftig diskutiert. Auch weil es wenig Informationen darüber gibt, ob Schüler während der Schließzeit tatsächlich weniger Kontakte haben. Das hat Marco Ajelli von der Northeastern University in Boston nun gemeinsam mit russischen Forschern untersucht. Während der Grippesaison 2015/2016 beobachteten die Wissenschaftler 450 Menschen im russischen Tomsk. Dabei mussten die Probanden sowohl vor als auch während der Schulschließungsphase Tagebücher führen.

Schulschließungen reduzieren die Zahl der sozialen Kontakte tatsächlich

Tatsächlich reduzierte sich die Zahl der sozialen Kontakte der Schüler in der Zeit der Schulschließung in Tomsk um 53 Prozent. Während die Schüler vor der Schließung noch täglich mit etwa 14 Personen in Kontakt kamen, waren es währenddessen nur noch statistische 6,5. Bei ebenfalls beobachteten Arbeitern reduzierte sich die Zahl der Kontakte während einer Schließung ihres Betriebs hingegen von elf auf etwas weniger als neun Kontakte pro Tag.

Die Reduzierung der Kontakte in Schule und Betrieb werde nicht durch den festgestellten häufigeren Kontakt mit nicht im Haushalt wohnenden Verwandten ausgeglichen, schreiben die Forscher im Fachblatt „PNAS“. Schulschließungen seien daher ein Mittel, um die Verbreitung von Influenza-Viren einzudämmen. Ihrem Computermodell zufolge hätten die russischen Behörden bei einem Verzicht auf die Schulschließungen in Tomsk mit einem 33-prozentigen Anstieg der Influenza-Infektionen rechnen müssen.

Allerdings weisen die Forscher ausdrücklich darauf hin, dass es aufgrund fehlender Vergleichsdaten „unmöglich“ sei zu wissen, ob sich die Ergebnisse auf andere Länder übertragen lassen, angesichts kultureller Unterschiede etwa im kontaktfreudigen Verhalten an „freien“ Schul- oder Arbeitstagen. Ob Schließungen der Schulen wie 1952 gegen die Verbreitung von Influenza tatsächlich wirken, müsste also erst noch während einer Grippewelle getestet werden.

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