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Wissen und Technik - 15.11.2018

Schwächelt der Golfstrom?

Die atlantische Umwälzpumpe verliert an Kraft – das berichten Potsdamer Klimaforscher. Der Befund ruft Widerspruch hervor. Andere Studien kommen zu entgegengesetzten Resultaten.

Atlantisches Förderband. Der Golfstrom ist Teil einer gewaltigen Zirkulation im Ozean.

Der Golfstrom wird schwächer: Die atlantische Strömung ist in den vergangenen Jahrzehnten schwächer geworden, wahrscheinlich ist sie so schwach wie nie zuvor im gesamten zurückliegenden Jahrtausend. Die mutmaßliche Ursache dafür ist der Klimawandel, der die Gletscher Grönlands schneller schmelzen lässt. Zu diesem Befund kommen Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Kollegen.

„Starke Belege“ für eine langsamere Zirkulation

Im Fachmagazin „Nature Climate Change“ stellen sie ihre Daten vor. Genau genommen haben sie nicht den Golfstrom allein betrachtet, der lediglich vor der amerikanischen Küste zu finden ist und dann in den „Nordatlantikstrom“ übergeht. Stattdessen haben sie die übergeordnete große Umwälzströmung im Atlantik, die „Atlantic Meridional Overturning Circulation“ (Amoc) analysiert. „Wir haben starke Belege dafür gefunden, dass dieses atlantische Förderband sich in den vergangenen hundert Jahren tatsächlich verlangsamt hat, besonders seit 1970“, wird Rahmstorf in einer PIK-Mitteilung zitiert.
Die Aussage provoziert Widerspruch. „An mehreren Stellen im Atlantik gibt es kontinuierliche Strömungsmessungen, teils seit 1982“, sagt Martin Visbeck vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar) in Kiel. „In diesen Daten ist kein Trend von einer abnehmenden Strömungsstärke zu erkennen.“ Daher störe er sich an der Formulierung von „starken Belegen“ in der PIK-Mitteilung. Die Studie sei ein Hinweis von vielen auf die Entwicklung der Amoc. Andere Arbeiten lieferten andere, teils entgegengesetzte Resultate.

Schmelzwasser aus Grönland macht das Meerwasser leichter

Rahmstorf und Kollegen haben sich auf die langfristige Entwicklung konzentriert. Für diesen Zeitraum gibt es jedoch keine direkten Strömungsmessungen. Daher hat das Team Temperaturdaten von der Oberfläche herangezogen, die beispielsweise aus der Untersuchung von Korallen rekonstruiert worden sind. Da die Temperaturen mit den Strömungen verknüpft sind, erlauben sie Rückschlüsse auf den Wassertransport im Ozean. Der habe sich verändert, schreiben die Wissenschaftler. Ursache dafür sei wahrscheinlich das Schmelzwasser grönländischer Gletscher, heißt es weiter. Dieses Süßwasser verdünnt das Meerwasser, wodurch dessen Dichte abnimmt und es nicht so schnell in die Tiefe sinkt. Das bedeutet, dass der Antrieb des ozeanischen Förderbandes schwächer wird.

Keine neue Eiszeit

Es werde aber keinesfalls eine neue Eiszeit geben, betonen die Forscher. Bilder wie im Film „The Day After Tomorrow“ blieben wirklichkeitsfern. Die Landmassen würden sich weiter erwärmen. Die Änderungen der Atlantikströmung könnten zudem Folgen für die Fischerei sowie die Wettersysteme auf beiden Seiten des Atlantiks haben, warnen die Forscher.


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So einfach wie von den Autoren dargestellt, scheinen die Dinge im Nordatlantik doch nicht zu sein. So hat sich die Amoc gemäß den Daten von Rahmstorfs Team seit 1990 sogar etwas erholt, obwohl die Eisschmelze auf Grönland weiter voranschreitet. „Eine einfache Korrelation zwischen Temperatur und Umwälzung gibt es offenbar nicht, da spielen wohl auch andere Faktoren eine Rolle“, sagt Visbeck. Er erwähnt weitere Studien, bei denen Forscher versucht haben, aus Daten wie Temperatur und Salzgehalt die Strömungen in den vergangenen 50 Jahren zu modellieren. Sie lieferten sehr unterschiedliche Ergebnisse, manche zeigten eine Abnahme der Amoc, manche sogar eine Zunahme. „Was dort genau geschieht, wissen wir noch nicht“, sagt Visbeck.

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