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Wissen und Technik - 12.06.2019

Moskauer Forscher will Erbgut von Embryonen verändern

Ein Russe plant, HIV-infizierten Frauen noch in diesem Jahr Embryonen einzusetzen, deren Erbgut er so verändern will, dass sie resistent gegen Aidsviren sind.

Ein Forscher möchte bei Embryonen das Gen „CCR5“ entfernen, um Aids-Erkrankungen zu verhindern.

Der russische Wissenschaftler Denis Rebrikov plant offenbar, mehreren Frauen noch in diesem Jahr Embryonen in die Gebärmutter einzusetzen, deren Erbgut er zuvor mit der Gen-Schere CRISPR/Cas9 (Crispr) verändern will. Das meldete die Fachzeitschrift „Nature“.

Dabei soll das Gen „CCR5“ entfernt werden, das die meisten HI-Viren für den Befall von Blutzellen nutzen, sodass derart genomeditierte Kinder nicht infiziert und nicht an der Immunschwächekrankheit Aids erkranken würden. Ein ähnliches Experiment hatte eigenen Angaben zufolge bereits der chinesische Forscher He Jiankui durchgeführt und im November 2018 die Geburt von zwei genveränderten Kindern bekannt gegeben.

„Größere Vorteile“ und „weniger Risiken“

Anders als der chinesische Kollege will Rebrikov nicht HIV-infizierten Vätern helfen, deren Risiko der Übertragung der Viren an die Nachkommen bei geeigneten Schutzmaßnahmen ohnehin gering ist, sondern HIV-infizierten Müttern. Seine Methode biete „größere Vorteile“, habe „weniger Risiken“ und sei „ethisch gerechtfertigter und akzeptabler für die Öffentlichkeit“, zitiert „Nature“ den Forscher, der an Russlands größter Befruchtungsklinik, dem Nationalen Medizinischen Forschungszentrum für Geburtshilfe und Gynäkologie „Kulakov“ in Moskau ein Labor für Genomeditierung leitet.

Mit einem Moskauer HIV-Zentrum gebe es bereits ein Übereinkommen, HIV-infizierte Frauen zu fragen, ob sie eine solche Behandlung wünschen. In Frage kämen solche Frauen, bei denen die gängige HIV-Therapie nicht anspricht und das Risiko einer Übertragung der Viren von der Mutter auf das Kind vor, während und nach der Geburt deutlich erhöht ist. „Das ist eine klinische Situation, die nach einer solchen Behandlung ruft“, zitiert „Nature“ Rebrikov, der auch an der Russischen Nationalen Forschungsmedizinischen Universität „Pirogov“ in Moskau lehrt.

Darüberhinaus könne er mit einer „neuen“, allerdings noch nicht in Fachjournalen veröffentlichten Technik sicherstellen, dass die Gen-Schere Crispr das Zielgen CCR5 nur in der gewünschten Art und Weise verändere und keine versehentlichen Schnitte an anderer Stelle im Erbgut setzt, so genannte „Off-Target-Effekte“. Anders als He Jiankui in China, will der Russe allerdings die ausdrückliche Genehmigung der Experimente durch die zuständigen Behörden abwarten. Das könne bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen.

Unklare Rechtslage

Während ein solches Experiment in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz klar verboten wäre, ist die Rechtslage in Russland nicht eindeutig. Dem Juristen Jochen Taupitz zufolge gibt es dort „keine expliziten gesetzlichen Regelungen.“ So wird etwa in den Gesetzen, die in Russland künstliche Befruchtungen regulieren, Genomeditierung nicht ausdrücklich erwähnt.

Weltweit existiere kein einheitliches rechtliches Verbot von Keimbahninterventionen beim Menschen, sagt Taupitz, geschäftsführender Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Biomedizin der Universitäten Heidelberg und Mannheim. Offen ist auch, ob He Jiankui in China gegen ein Gesetz verstoßen hat, das dort seit 2003 die genetische Veränderung von Embryonen verbietet, aber keine Strafen ausweist.

Rebrikov hofft, das russische Gesundheitsministerium werde die Regeln für einen klinischen Einsatz des Genome Editing „innerhalb der nächsten neun Monate“ klarstellen, schreibt „Nature. Allerdings „fühle“ der Forscher eine gewisse Dringlichkeit, HIV-infizierten Frauen zu helfen und sei „versucht“ mit den Experimenten fortzufahren, bevor Russland Regulierungen vornimmt.

„Unverantwortlich“

Auch wenn offen ist, ob die Rebrikovs Pläne gegen russisches Recht verstoßen, sie laufen in jedem Fall den Empfehlungen der internationalen Forschergemeinschaft zuwider. So hatte der Genome Editing Summit in Hongkong, organisiert von den Wissenschaftsakademien der USA, Großbritanniens und Hongkongs, im November vergangenen Jahres beschlossen, dass es „derzeit unverantwortlich wäre, mit jeglicher Form von vererbbaren genetischen Eingriffen in die Keimbahn fortzufahren“ und es eine fortgesetzte internationale Diskussion der möglichen Vorteile, Risiken und Kontrollen dieser sich schnell weiterentwickelnden Technik geben müsse.

Zu den Risiken gehört etwa, dass vermeintlich nachteilige Gene, wie etwa CCR5, aus dem Erbgut entfernt werden, ohne dass Genforscher deren Vorteile für den Menschen oder die menschliche Evolution erkannt hätten. So wurde erst kürzlich nachgewiesen, dass Menschen ohne CCR5 im Erbgut zwar resistent gegen HIV, aber empfänglicher für andere Infektionen sind und früher sterben. Angenommen, Forscher erfinden bald eine HIV-Schutzimpfstoff, dann hätte der vermeintlich hilfreiche, positive Eingriff Rebrikov und Hes ins Erbgut für die manipulierten Menschen und all ihre Nachkommen nur noch negative Folgen.

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