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Wissen und Technik - 06.05.2019

Mathematiker fordern mehr Fachunterricht

Wegen großer Mathe-Defizite gelten viele Abiturienten als nicht studierfähig. Mathematiker-Verbände wollen das ändern und stellen Forderungen an Schulminister.

Angezählt. Die Verbände fordern eine zentrale Mathematikprüfung „als verbindlichen Teil der Prüfungen zur (Fach-) Hochschulreife“.

Alle Schülerinnen und Schüler müssen durchgehend mindestens vier Wochenstunden in Mathematik unterrichtet werden – und das ausschließlich durch professionell ausgebildete Fachlehrkräfte. Über das mathematische Wissen, das insbesondere Studienanfänger brauchen, sollen sich Schulen und Hochschulen „genau und verbindlich abstimmen“. Das sind Kernpunkte der „19 Maßnahmen für einen konstruktiven Übergang Schule – Hochschule“, die drei große Fachgesellschaften am Montag in Berlin mit der Kultusministerkonferenz (KMK) diskutieren wollen.

Zu viele Schulabgänger, die ein Fach mit Mathematikbezug studieren wollen, hätten Schwierigkeiten beim Übergang an die Hochschule, beklagt Wolfram Koepf, Sprecher der gemeinsamen Mathematik-Kommission der Mathematiker-Vereinigung DMV, der Didaktik-Gesellschaft GDM und des Verbandes für den MINT-Unterricht MNU. Zu den Fächern, auf die der schulische Matheunterricht künftig besser vorbereiten soll, gehören neben Mathematik auch Informatik, Naturwissenschaften, technische sowie wirtschaftswissenschaftliche Fächer.

Reaktion auf den Brandbrief von 2017

Hintergrund des Vorstoßes ist, dass Mathematik trotz aller Imagekampagnen für MINT-Fächer und aller Unterrichtsreformen wie SINUS ein Schmerzensthema der deutschen Bildungspolitik bleibt. Beim internationalen Pisa-Test stagnieren die Matheleistungen der 15-Jährigen nach einem zwischenzeitlichen Aufschwung. Zwischen den deutschen Ländern gibt es bei den Matheleistungen große Unterschiede: Der Osten, der Süden und der Südwesten sind führend, die Stadtstaaten bleiben Schlusslichter.

Vor zwei Jahren dann schrieben 130 Professoren und Lehrkräfte einen Brandbrief, in sie dem die fehlende Studierfähigkeit von Abiturienten beklagten. Dafür verantwortlich, dass grundlegende Kenntnisse in Bruchrechnung, in Potenz- und Wurzelrechnung oder binomischen Formeln fehlen, seien vor allem die gemeinsamen Bildungsstandards der Länder. Diese wurden in der Diskussion um den Brandbrief von den mathematischen Fachgesellschaften allerdings verteidigt. Die Bildungsstandards seien nur nicht verbindlich genug und teilweise unscharf formuliert.

Nur Fachlehrer in der Grundschule? Unrealistisch

Das mathematische Wissen und Können der Studienanfängerinnen und -anfänger sei „divers und oftmals unzureichend“ stellen die drei großen Verbände jetzt fest. Bedingt seien die Defizite unter anderem durch Unterschiede in der Stundenzahl, in den Schularten und nach Bundesland. Das zu ändern, bedürfe „einer gemeinsamen Anstrengung der Politik in Bund und Ländern“, betont Wolfram Koepf.

Als entscheidend sehen Mathematikervereinigungen die Qualität des Unterrichts an – und damit die Qualifizierung der Lehrkräfte. Schon in der Grundschule sollen ausschließlich studierte Mathematikerinnen und Mathematiker unterrichten. Angesichts des Lehrkräftemangels in der Primarstufe ist das allerdings eine nahezu utopische Forderung. Eine weitere Empfehlung könnte indes auch Quereinsteigern helfen: „Alle Lehrkräfte qualifizieren sich regelmäßig und systematisch zu fachlichen und fachdidaktischen Inhalten weiter.“ Das soll ebenso für die Hochschullehrenden gelten. Die Realität an den Schulen und Hochschulen ist davon aber noch sehr weit entfernt.

„Flexible Studieneingangsphase“, um Mathe nachzuholen

Dass zumindest der Lernstoff aus der Grundschule und der Sekundarstufe bis zum Abitur oder Fachabitur wirklich sitzt, soll eine zusätzliche zentrale Mathematikprüfung „als verbindlicher Teil der Prüfungen zur (Fach-) Hochschulreife“ sicherstellen. Sie soll nicht die Abiturprüfung in Mathematik ersetzen, in der weiterhin der Stoff bis zur 12. oder 13. Klasse abgefragt wird. Schüler, die sich für ein MINT-Studium interessieren, sollen vermehrt Vor- oder Schnupperstudien an benachbarten Hochschulen absolvieren.

Die existierenden Mathematik-Brückenkurse für Studienanfänger und andere Fördermaßnahmen im laufenden Semester sollen ausgebaut werden. Dafür fordern die Verbände sogar „flexible Studieneingangsphasen“, die ein „Studieren in verschiedenen Geschwindigkeiten“ ermöglicht. Wer also ein MINT-Fach studieren will, aber noch Defizite in den Grundlagen der Hochschulmathematik hat, soll sich in den ersten Semestern darauf konzentrieren können, vorrangig die Mathelücken zu schließen.

Bildungsstandards sollen anwendbar werden

Darüber, welcher Stoff an der Uni oder an der FH verlangt wird, müssten sich „Schule und Hochschule genau und verbindlich“ abstimmen. Das wird nicht ohne Auswirkungen auf die häufig als zu abstrakt und insgesamt schwer umsetzbaren kritisierten Bildungsstandards der KMK bleiben. Die Verbände fordern, diese so zu konkretisieren, dass sie Lehrkräften und Schülern konkrete „Lerngelegenheiten“ bieten. Für die Mathematik bedeutet das, dass die Bildungsstandards „zum grundlegenden Argumentieren und zu Begründungs- bzw. Beweisstrategien“ anleiten sollen – etwa an Inhalten der elementaren Zahlentheorie (Teilbarkeit natürlicher Zahlen). An der Weiterentwicklung der Bildungsstandards, die verbindlich zu Ländercurricula werden sollen, wollen die Fachgesellschaften deutlich stärker als bisher beteiligt sein.

Und da man nicht zuletzt für das Leben lernt, fordern die Verbände, dass die universitären Mathematik-Curricula neben den akademischen auch die „beruflichen und gesellschaftlichen Anforderungen“ im Blick haben sollen.

Reformen im Sinne der Mathematiker-Verbände wurden Ende des vergangenen Jahres bereits in Hamburg angekündigt.

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