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Wissen und Technik - 21.02.2019

Jungen aus benachteiligten Familien holen auf

Eine frühe Einschulung bringt Kindern Leistungsvorteile. Vor allem Jungen aus sozial benachteiligten Familien profitieren laut einer britischen Studie.

Grundschüler in London – bei einem Besuch von Herzogin Camilla.

Die frühe Einschulung von unter Sechsjährigen ist in Verruf geraten. Kleine Kinder seien vom mehrstündigen Unterricht überfordert, reagierten gestresst auf den Trubel in der Klasse und auf dem Schulhof. Auch formal als schulreif eingestufte Fünfjährige könnten das Lernpensum noch nicht bewältigen, klagten Eltern. Kinderärzte warnten, die zu frühe Einschulung begünstige ADHS und andere psychische Beeinträchtigungen.

In Berlin führten die Proteste und jährlich viele tausend Rückstellungsanträge von Eltern dazu, dass die Früheinschulung 2017 zurückgenommen wurde. Eine britische Studie kommt jetzt allerdings zu dem Ergebnis, dass eine Beschulung Fünf- und sogar Vierjähriger signifikante Vorteile haben kann – vor allem für Jungen aus sozial benachteiligten Familien.

Positive Effekte bis zum Alter von elf messbar

Untersucht wurden Kinder, die in England unterschiedlich früh in die erste Grundschulklasse (reception class) gekommen waren. Regulär zum Schuljahresbeginn Eingeschulte wurden mit solchen aus einigen Kommunen verglichen, die ganze Kohorten um ein oder zwei Trimester zurückstuften, also vier oder acht Monate später einschulten.

Ein zentrales Ergebnis der Studie von Christian Dustmann und Thomas Cornelissen, Ökonomen am Centre for Research and Analysis of Migration (CReAM) am University College London: Der längere Grundschulbesuch habe insbesondere für Jungen aus benachteiligten Elternhäusern „starke positive Effekte“, die bis ins Alter von 11 Jahren messbar sind. Ihr Bildungsrückstand gegenüber Kindern aus sozioökonomisch privilegierten werde um bis zu 60 bis 80 Prozent verringert. Begründet wird dies damit, dass eine Betreuung der Kinder außerhalb der Schule offenbar „von geringerer Qualität“ war.

Mehr Interesse an Bildung, weniger störendes Verhalten

Im Alter von unter fünf eingeschulte Jungen, die unterpriviligiert oder vernachlässigt aufwuchsen, schnitten mit ihren sprachlichen und mathematischen Fähigkeiten mit fünf Jahren um bis zu 20 Prozent und mit sieben Jahren um zehn Prozent besser ab als später Eingeschulte mit dem gleichen Hintergrund. Für nichtkognitive Bereiche und das Sozialverhalten ließen sich positive Effekte mindestens bis zum Alter von elf Jahren nachweisen, schreiben die Autoren. Sie hätten ein besseres Verhältnis zu ihren Lehrkräften, mehr Interesse an Bildung und eine geringere Tendenz zu störendem Verhalten. Bei Jungen aus besser gestellten Familien mache die frühere oder spätere Einschulung dagegen keinen Unterschied.

Grundlage der Analyse war eine Datenbank zu Schulleistungen von 400 000 in den Jahren 2000 und 2001 geborenen Kindern in England, kombiniert mit Umfragedaten von mehr als 7000 Gleichaltrigen. Im Durchschnitt aller verglichenen Kinder seien die Effekte der früheren Einschulung ebenfalls positiv, wenn auch durchweg schwächer, heißt es. Die Leistungsunterschiede und -steigerungen bei Mädchen – auch bei solchen aus sozial benachteiligten Familien – fallen der Studie zufolge wiederum deutlich geringer aus.

Ungeachtet eines weniger privilegierten Familienhintergrundes zeigten Mädchen generell bessere Leistungen als Jungen. Offenbar aber sprächen Jungen auf den Wechsel aus benachteiligten Verhältnissen in den strukturierten Schulalltag anders an als Mädchen.

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