Home Wissen und Technik „Gene Drives mit größter Vorsicht behandeln“
Wissen und Technik - 24.05.2019

„Gene Drives mit größter Vorsicht behandeln“

Drei Forscherorganisationen fordern strenge Regeln für eine gentechnische Methode, mit der etwa Malaria-übertragende Mücken dezimiert werden können.

Mücken übertragen die Erreger des Malaria-Fiebers. Die Folgen ihrer Ausrottung mittels Gene-Drives wird kontrovers diskutiert.

Die Technik heißt „Gene Drive“. Und so effektiv wie diese Methode ganze Populationen von Mücken genetisch verändern und dezimieren kann, so heiß wird darüber debattiert. Denn so sehr das Verfahren Hoffnungen weckt, die Übertragung von Infektionskrankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber zu stoppen, an denen jährlich Millionen Menschen sterben, so laut protestieren Umweltschützer, die nicht wieder rückgängig zu machende Eingriffe in die Natur befürchten. Nun haben drei Wissenschaftlerorganisationen gemeinsam einen „Report“ erarbeitet, der „Forschung, Anwendung, soziale Aspekte, Ethik und Regulation“ von Gene Drives erörtert und „Empfehlungen“ zur Regulierung gibt.

Auswirkungen auf Ökosysteme völlig unbekannt

Gene Drives sind Konstrukte aus Erbgutstücken, die sich selbst vermehren können und dafür sorgen, dass sie binnen weniger Generationen in allen Nachkommen einer Population vorkommen – anders als normale Genmutationen, die nur an einen Teil der Nachkommen weitergegeben werden. Motor dieser „Turbo“-Vererbung ist die Gen-Schere CRISPR/Cas, mit der Forscher wie Kevin Esvelt vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA, die ersten Gene Drives konstruiert haben. Enthält ein Gene-Drive zusätzlich Erbinformationen, die Mücken steril machen oder resistent gegen den Malariaerreger, könnten viele Menschen – jährlich sterben etwa eine halbe Million an dem Fieber – gerettet werden. So die Idee.

Dennoch müssten Gene Drives „mit größter Vorsicht behandelt werden.“ Zu diesem Schluss kommt der Report der – als gentechnik-kritisch bekannten – „Vereinigung Deutscher Wissenschaftler“ (VDW), den „Critical Scientists Switzerland“ (CSS) und des „European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility“ (ENSSER). Es gebe „erhebliche Wissenslücken“ und viele Erwartungen bezüglich Gene Drives seien „unrealistisch“. Die Technik sei „im Sinne des Vorsorgeprinzips zum jetzigen Zeitpunkt nicht einsatzfähig“. So seien die Auswirkungen auf Ökosysteme noch völlig unbekannt und die Effekte „potenziell irreversibel“. „Wir brauchen eine spezielle Regulierung für Gene Drives, eine die grenzübergreifend funktioniert, weil die veränderten Mücken oder Mäuse nicht an der Grenze halt machen“, sagt die Molekularbiologin Ricarda Steinbrecher, die als VDW-Mitglied den Report miterarbeitet hat und sich auch im gentechnik-kritischen Berliner Gen-ethischen Netzwerk engagiert. Solange es keine wirksame, rechtsverbindliche internationale Regelung und keine aufrichtige Einbindung der Öffentlichkeit gebe, sollten keine Gene-Drive-Organismen freigesetzt werden, heißt es in der Studie. „Die grundsätzliche Frage ist, ob es überhaupt der richtige Weg ist in einer Zeit, in der wir einen hochgradigen Verlust an Artenvielfalt beobachten, mit Gene Drives noch mehr Arten auszulöschen.“

Eine Chance für die globale Gesundheit

Trevor Mundel hingegen, bei der Bill und Melinda Gates Stiftung Präsident für „Global Health“ und für die Investitionen der Stiftung in Forschung und Entwicklung in diesem Bereich zuständig, hält Gene Drives für „sehr interessant“. Selbst wenn andere Methoden, wie schützende Netze oder Insektizide, Malaria zurückdrängen können, „am Ende wird es Regionen geben, die schwer zu erreichen sind und wo wir diese Maßnahmen gegen Malaria nicht einsetzen können.“ Daher unterstütze die Gates Stiftung verschiedene Gene-Drive-Forschungsprojekte.

Allerdings ist das Ziel dabei nicht, ganze Arten auszulöschen. Das ist im übrigen ohnehin Utopie – oder Dystopie, je nach Standpunkt. „Die Wahrheit ist, dass es bislang keinen sich selbst erhaltenden Gene Drive gibt“, sagt Mundel. Sobald sie in größere Populationen eingeführt werden, verschwinden sie oder gehen verloren. „Das passiert, weil die Drives durch natürlich auftretende Mutationen rasch eliminiert werden“, sagt Mundel. „Das ist womöglich eine gute Sache, denn die Frage ist ja, wie man Gene Drives sicher und verantwortungsbewusst testen kann.“ Ein Weg sei es, zunächst nur solche Gene Drives zu benutzen, die so konstruiert sind, dass sie von allein auslaufen. „Ein solcher Drive könnte einen großen Effekt für eine bestimmte Phase haben und dann verschwinden.“

Afrikanische Länder sind sehr interessiert

Für ihre Unterstützung der Gene-Drive-Forschung wird die Stiftung heftig kritisiert. „Der einfache Weg für uns wäre gewesen, einfach einen Bogen um die Gene-Drive-Technologie zu machen, das ist klar“, sagt Mundel. „Aber in unseren Gesprächen mit Forschern und Politikern in Afrika ist deutlich geworden, dass es dort eine andere Perspektive als in Europa gibt.“ Auf der UN-Konferenz zur Biodiversität in Sharm-el-Sheikh in Ägypten im November wurde ein Moratorium, das die Erforschung der Anwendung von Gene Drives einschränken sollte, durch die Stimmen der afrikanischen Länder abgelehnt. „Sie hielten die Erforschung dieser Methode für relevant, da es bislang keine guten Lösungen für das Malaria-Problem gibt.“

Dass die afrikanischen Länder die Gene-Drive-Technik erst einmal eruieren wollen, hält auch Steinbrecher für „legitim“. „Malaria ist ein Problem, das steht außer Frage.“ Aber Gene Drives gegen diese Krankheit einzusetzen, berge „erhebliche Risiken“: Vor einem Einsatz müsse daher „eine robuste, transparente und demokratische Risiko- und Folgenabwägung unter Einbindung aller lokal Betroffenen stattfinden.“

/VDW, CSS und ENSSER veranstalten derzeit ein Symposium zum Thema „Gene Drives“ in Bern. Mehr Informationen unter https://genedrives.ch/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Start von Indiens erster Mondlandemission abgebrochen

Für den Start seiner ersten Mondlandemission hatte Indien sich ein historisches Datum ausg…