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Wissen und Technik - 22.05.2019

Ein Herz, das lässt sich reparieren

Molche und Fische können ein kaputtes Pumporgan erneuern – das könnte in Zukunft auch beim Menschen gelingen.

Ist das Herz verletzt, entwickeln sich Herzmuskelzellen (rot) erst in einen weniger spezialisierten Zustand zurück, bevor sie…

Zebrafische erneuern ganze Schwanzflossen, Wassermolchen wachsen abgetrennte Beine binnen weniger Monate nach, und Fische und Lurche ersetzen sogar komplette Herzen. Von solchen Selbstheilungskräften können Menschen nur träumen. Wenige Organe in unserem Körper sind in der Lage, sich zu regenerieren. Dazu zählen die Leber und die Skelettmuskulatur, aber auch das Blut, dessen Zellen sich laufend erneuern. Sterben jedoch die Muskelzellen des Herzens ab – etwa nach einem Infarkt – bildet sich vor allem Narbengewebe, das nicht an der Muskelarbeit des Herzens mitwirkt. Ob das Herz über ein Reservoir an Stammzellen verfügt, aus dem sich neue Herzmuskelzellen entwickeln könnten, ist zwar umstritten, jedenfalls reichen sie mitnichten, um ein Herz nachwachsen zu lassen. Dennoch sind Forscher zuversichtlich, eines Tages die Selbstheilung des Herzens bei Infarktpatienten ankurbeln zu können, seit sie die Mechanismen der Regeneration bei Zebrafischen und Molchen zu verstehen beginnen.

Von Fischen lernen

Natürlich lässt sich die Biologie dieser Tiere nicht einfach auf den Menschen übertragen. „Aber wenn Fische wissen, wie das geht, können sie uns auch etwas darüber lehren“, sagt Aitor Aguirre, der am Salk Institute im kalifornischen La Jolla an Regenerationsmechanismen forscht. Säugetiere mögen die Regenerationsfähigkeit im Laufe ihrer Evolution verloren haben. Doch möglicherweise schlummert die entscheidende Information dafür noch immer in unseren Zellen und lässt sich mit ein paar Tricks wieder wecken.

Die erste wichtige Lektion, die Wissenschaftler von Fisch und Lurch gelernt haben: Stammzellen sind für eine erfolgreiche Selbstheilung möglicherweise gar nicht vonnöten. „Kammmolche regenerieren defektes Gewebe oder amputierte Gliedmaßen nicht aus Stammzellen“, sagt Thomas Braun, Leiter der Abteilung Entwicklung und Umbau des Herzens am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim. „Vielmehr entwickeln sich bereits spezialisierte Zellen zurück, so dass sie sich ganz ähnlich wie Stammzellen verhalten.“ Dedifferenzierung nennen Forscher diesen Vorgang. Im Falle des Herzens entwickeln sich also Herzmuskelzellen zurück und verlieren ihre Spezialisierung. Dann beginnen sie sich zu teilen bis ausreichend zellulärer Nachschub entstanden ist, aus dem schließlich wieder neue Herzmuskelzellen heranreifen.

Die Bremse lösen, die das Nachwachsen verhindert

Beim Zebrafisch passiert Ähnliches. Und möglicherweise legen auch Zellen im menschlichen Herzen nach Schädigung den Rückwärtsgang ein – wenn auch in sehr eingeschränktem Maße. Tatsächlich finden Wissenschaftler nach einem akuten Infarkt oder bei einer chronischen Mangeldurchblutung dedifferenzierte Zellen im Herzmuskel. Das sind allerdings viel zu wenige um ausreichend zelluläres Material für die Reparatur bereitzustellen. Was also, wenn man die Dedifferenzierung im Säugerherzen ankurbeln und so das Selbstheilungspotenzial erhöhen könnte?

Das fragte sich das Forscherteam um Aitor Aguierre und Juan Carlos Izpisua Belmonte vom Salk Institute. Sie entdeckten beim Zebrafisch einen Mechanismus, der die Rückentwicklung anstößt und somit auch die Herzreparatur. Solange der Fisch gesund ist, blockieren bestimmte Moleküle, kleine RNS-Schnipsel, bei erwachsenen Fischen die Schaltstellen für Dedifferenzierung und Regeneration in den Zellen. Sobald das Fischherz geschädigt wird (die Forscher amputierten die Herzspitze), verschwinden die RNS-Stücke, die Schaltstellen werden freigeben und die Reparatur wird gestartet.

Sowohl RNS-Schnipsel als auch Schaltstellen finden sich in ganz ähnlicher Ausführung auch bei Mäusen und Menschen. Aber bei Mäusen, denen die Forscher im Labor einen Infarkt zufügten, blieben die kritischen RNS-Stücke erhalten. Rückentwicklung und Reparaturmechanismen blieben stumm gestellt.

Um die Blockade zu umgehen, schleusten Aguierre und Belmonte Moleküle in die Herzzellen ihrer Versuchstiere ein, die die blockierenden RNS-Schnipsel aus dem Verkehr ziehen und die Schaltstellen freigeben konnten. Tatsächlich beobachteten sie daraufhin Dedifferenzierung, Zellvermehrung und Regeneration von Herzmuskelgewebe und sogar eine verbesserte Herzfunktion.

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