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Wissen und Technik - 23.11.2018

Die ganze Pracht der Tropen

Vor 200 Jahren begann die Erforschung der Naturwunder Brasiliens – durch eine österreichisch-bayrische Expedition.

Terra incognita. Noch immer birgt das Amazonasgebiet Rätsel.

Alexander von Humboldt kam nie an den Amazonas. Der preußische Gelehrte bereiste von 1799 bis 1804 Süd- und Mittelamerika, aber Brasilien blieb ihm verwehrt. Für die portugiesische Kolonie galt der Reisebrief der spanischen Krone nicht. Das größte Land des Kontinents mussten andere erkunden. Doch damit die erste Expedition aus Europa dorthin aufbrechen konnte, war zunächst eine Hochzeit nötig.

Im Mai 1817 heiratete die Tochter des österreichischen Kaisers Franz I., die Erzherzogin Leopoldine, in Wien den Sohn des portugiesischen Königs Joao VI., Dom Pedro. Doch der Bräutigam fehlte bei der Zeremonie. Er hatte vor Napoleons Besatzungstruppen von Lissabon nach Rio de Janeiro flüchten müssen. Damit war Brasilien plötzlich Mittelpunkt des portugiesischen Reichs geworden. Per Dekret ließ Dom Pedro erstmals die Häfen der Kolonie für befreundete Nationen öffnen. Und damit bot sich auch für Naturforscher endlich eine Gelegenheit, mehr über die Tier- und Pflanzenwelt des fernen Landes zu erfahren.

Prinzessin Leopoldine war selbst an Wissenschaft interessiert. Also nahm sie auf ihrer Brautfahrt nach Rio eine wissenschaftliche Kommission mit, die die Aufgabe hatte, „die noch so wenig bekannten Naturmerkwürdigkeiten an Ort und Stelle zu beobachten, theils getreue Zeichnungen, theils Sammlungen davon zur Bereicherung hiesiger k. k. Anstalten einzusenden und so zum bleibenden Gewinn für die Wissenschaft zu machen“. Johann Christian Mikan, Professor an der Universität in Prag, führte die Expedition an, die von Wien aus vom Direktor der vereinigten k. k. Hof-Naturalienkabinette, Carl Franz Anton von Schreibers, organisiert wurde.

67 Kisten voller Pflanzen als Ausbeute

Unmittelbar nach der Hochzeitsfeier in Rio am 6. November 1817 brachen insgesamt zwölf Forscher zu ihren oft tief in das riesige Land eindringenden Reisen auf – eifrig sammelnd, zeichnend und vielfältige Beobachtungen notierend. Allein die Botaniker brachten in mehr als 67 großen Kisten eine Vielzahl lebender Pflanzen sowie ein Herbar mit über 2000 Arten in 7000 Exemplaren zurück, dazu Samen, Früchte und Hölzer. So gelangten erstmals brasilianische Pflanzen und Tiere in die kaiserlichen Gärten und Menagerien in Wien und Schönbrunn, oder dauerhaft konserviert in die kaiserlichen Hof-Naturalienkabinette.

Die meisten Expeditionsmitglieder kehrten bis 1821 wieder nach Wien zurück. Der Zoologe Johann Natterer blieb. Als einer der ersten durchquerte er Brasilien und gelangte von Rio de Janeiro bis an den Amazonas, dessen Zuflüsse er bis an die Grenzen erkundete. Er sei „kein reisendes Genie, kein Gelehrter, kein Humboldt“, wie er selbst sagte. Und doch sammelte er Zehntausende Naturobjekte und ethnographische Artefakte. Seine 50 000 Tierpräparate, darunter allein mehr als 12 000 Vogelbälge, zählten zu den wertvollsten Beständen des Naturhistorischen Museums in Wien – bis sie im Revolutionsjahr 1848 einem Brand des Naturalienkabinetts zum Opfer fielen.

Vier Jahre durchstreiften zwei Bayern das Amazonasgebiet

Zeitgleich zu Natterers Expeditionen durchstreiften zwei 22 Jahre alte bayerische Naturforscher das Land. Der Zoologe Johann Baptist Spix und der Botaniker Carl Philipp von Martius erkundeten die Trockengebiete Caatinga und legten insbesondere im Amazonasgebiet die Grundlage für das Wissen über die Tier- und Pflanzenwelt, aber auch die Geographie, Geologie und Ethnographie des Kontinents. Sie sammelten unzählige Pflanzen- und Tierarten, während sie von Belem aus den Amazonas aufwärts befuhren und dann getrennt die Oberläufe des Amazonas bis an die Grenzen zur spanischen Kolonie im Westen erforschten. Nach ihrer 10 000 Kilometer weiten Reise durch unwegsame und gefahrvolle Gebiete voller Strapazen und Abenteuer gelangten sie im Dezember 1820 nach vierjähriger Reise wieder nach München zurück, wo sie noch am Tag ihrer Rückkehr vom König mit dem Ritterkreuz geadelt wurden.

150 000 Pflanzen, Vögel, Insekten und andere Tiere, dazu Mineralien und Gesteinsproben sowie ethnographische Artefakte wie Federschmuck, Waffen, Masken und Alltagsgegenstände der am Amazonas Einheimischen brachten die Forscher mit. Der 1330 Seiten lange Bericht über ihre „Reise in Brasilien“ gehört bis heute zu den bedeutendsten Reisebeschreibungen und ist eine der wichtigsten Informationsquellen über die damalige Zeit, über dieses „reichste, prachtvollste Tropenland der Welt“. Vergleichbar ist es nur noch mit der „Relation historique“ von Alexander von Humboldt. „Solange man Palmen kennt und Palmen nennt, wird auch der Name Martius nicht vergessen sein“, so würdigte Humboldt Martius’ Monographie der Palmengewächse „Historia naturalis palmarum“.

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