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Wissen und Technik - 24.10.2018

Deutsches Internet-Institut eröffnet

Arbeitswelt 4.0, soziale Medien: Das Berliner Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft erforscht Risiken und Chancen der Digitalisierung.

Vor aller Augen? Viele Nutzer verletzen in den sozialen Medien selber die Standards des Datenschutzes. Auch das ist ein Thema für…

Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft heißt das neue Berliner Forschungszentrum zur Digitalisierung. Der schnörkellose Projektname Deutsches Internet-Institut findet sich nur noch im Untertitel. Benannt ist das am Donnerstag in Berlin eröffnete Institut nach dem US-amerikanischen Digital-Pionier Joseph Weizenbaum. 1921 in Berlin geboren, floh er 1936 mit seiner Familie in die USA, wurde zum Computerwissenschaftler – und zum vehementen Kritiker des sorglosen Umgangs mit der IT-Technik.

Weizenbaum sei ein idealer Namensgeber, lobte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) bei der Festveranstaltung im Konzertsaal der Universität der Künste (UdK). Ein Zitat des „professionellen Zweiflers“ war denn auch ein Leitmotiv der Eröffnungsfeier: „Eine Gesellschaft, die sich auf eine Technik einlässt, braucht eine starke innere Kraft, um von den Zielen nicht verführt, nicht zu gierig zu werden.“ Weizenbaum kehrte 60 Jahre nach der erzwungenen Emigration in seine Geburtsstadt zurück. 2008 starb er im Alter von 85 Jahren bei Berlin.

Gesellschaftliche Auswirkungen der Digitalisierung bändigen

Kann das nach ihm benannte Institut diese „starke innere Kraft“ entwickeln, die es braucht, um die gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung zu bändigen? Mit der Beteiligung von fünf Universitäten und zwei außeruniversitären Instituten, mit 50 Millionen Euro vom Bund sowie gut fünf Millionen Euro vom Land Berlin für die ersten fünf Jahre sollte es jedenfalls die nötige institutionelle Kraft entwickeln. Es wird zudem eng mit dem kürzlich gegründeten Einstein Center Digital Future und dem neuen Leistungszentrum Digitale Vernetzung kooperieren.

Das Weizenbaum-Institut füllt dabei eine Lücke zu den eher auf technische Lösungen ausgerichteten Partnern. Seine zentrale Fragestellung lautet, wie die individuelle und gesellschaftliche Selbstbestimmung in einer vernetzten Gesellschaft gesichert werden kann. Nutzen und Risiken der Digitalisierung bräuchten „ein ständiges Abwägen“, sagte Wanka.

Konkurrenz durch elektronische Marktplätze

Tatsächlich stehen in den bislang skizzierten Projekten die Probleme etwa für die Arbeitswelt oder für die Datensicherheit im Vordergrund. Soziologen, Juristinnen, Kommunikationswissenschaftler, Designer, Informatikerinnen und Psychologen sollen sechs Forschungsbereiche beackern. Im Bereich „Arbeit, Innovation und Wertschöpfung“ etwa geht es darum, wie verhindert werden kann, dass eine Vielzahl der heute Beschäftigten in „hochautomatisierten digital-hybriden Prozessen“ vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wird.

Gesucht wird auch nach Überlebensstrategien für etablierte Unternehmen, die die Veränderungen durch die „Sharing-Economy“ – also etwa die Konkurrenz durch elektronische Marktplätze – zu bewältigen haben. Bei „Wissen, Bildung und soziale Ungleichheit“ wird nicht nur zu Bildung und Weiterbildung in der digitalen Gesellschaft gearbeitet, sondern auch zur Rolle von Digitalisierung in der sozialen Inklusion. Dabei wird gefragt, mit welchen Internet-Anwendungen Migranten, Menschen mit Behinderung oder die ältere Generation besser integriert werden können.

„Grenzen setzen, die nicht überschritten werden dürfen“

Beim großen Thema „Demokratie, Partizipation und Öffentlichkeit“ wird beispielsweise die Rolle der sozialen Medien im Wahlkampf oder der Erzeugung von Protest- und Empörungsdynamiken untersucht. „Das Negative vermeiden, Leitplanken setzen, Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen“, nannte Ina Schieferdecker, Informatik-Professorin an der TU Berlin und am Fraunhofer FOKUS-Institut sowie Mitglied des Gründungsdirektoriums, als ein Forschungsziel.

An der UdK feierte man in Sichtweite des ersten Standortes, den das Institut demnächst beziehen soll. In der ehemaligen Zentrale der Berliner Bank an der Hardenbergstraße 32 wird eine Etage für die Digitalisierungsforscher hergerichtet – 1,2 Millionen Euro investiert Berlin hier. Für Miete und Betriebskosten können jährlich bis zu 800 000 Euro fließen.

Die fünf neuen Professoren und Professorinnen, deren Berufung derzeit an den beteiligten Universitäten in Berlin und Potsdam vorbereitet wird, werden auch das künftige Leitungsteam des Weizenbaum-Instituts bilden. Bis dahin amtiert das Gründungsdirektorium, dem neben Ina Schieferdecker auch Martin Emmer, Publizistik-Professor an der FU, und Axel Metzger, Jura-Professor an der HU, angehören. Koordiniert wird die Aufbauphase vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) (zur Homepage des Weizenbaum-Instituts geht es hier).

Bis zu 100 Forscherinnen und Forscher kommen ans Institut

Insgesamt sollen bis zu 100 Forscherinnen und Forscher am Institut arbeiten. Neben den fünf Professuren des Direktoriums werden das 30 leitende Forscher (Principal Investigators) sein, von denen etwa die Hälfte aus den beteiligten Institutionen kommt, sowie 20 Wissenschaftler nach der Promotion und 40 Promovierende. Hinzu kommen 20 Research Fellows, internationale Gastwissenschaftler, die auf Zeit in den Projekten mitwirken. Von den 20 Forschungsgruppen sind 12 bereits ausgeschrieben, die ersten sollen im November ihre Arbeit in der Hardenbergstraße aufnehmen, heißt es.

Michael Müller, Berlins Regierender Bürgermeister und Wissenschaftssenator, will sich für einer längerfristige…

Berlins Regierender Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) betonte, dass die fünf Professuren nicht nur für die ersten fünf finanziell gesicherten Jahre, sondern dauerhaft besetzt werden. Berlin werde sich auch für eine längerfristige Bund-Länder-Finanzierung des gesamten Weizenbaum-Instituts einsetzen. Die Berliner Institutsgründung nannte Müller „einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur führenden Metropole in der Digitalisierungsforschung“.

Allgegenwärtige Datenerfassung und -weitergabe

Weitsichtige Forschungsperspektiven mahnte Peter Dabrock, der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, in seiner Keynote an. „Internet“-Institut klinge fast ein bisschen harmlos, dabei gehe es doch um die „umfassende, sensorbasierte allgegenwärtige Datenerfassung-, -sammlung, -speicherung, -weiterverwendung und -weitergabe“. Wer von „Souveränität“ spreche, dürfe nicht vergessen, dass viele Nutzer die Standards des Datenschutzes in den sozialen Medien „gar nicht mehr wollen“. „Aber wenn man doch wieder die Kontrolle haben will, muss man die Möglichkeiten dazu bekommen“, sagte Dabrock. Da könnte der Forschungs- und Bildungsauftrag des Weizenbaum-Instituts anknüpfen.

Ein Interview zum Weizenbaum-Institut mit Principal Investigator Gesche Joost lesen Sie hier.

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