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Wissen und Technik - 05.07.2019

Biologen ahmen die Vorgänge in Blättern mit einem Turbo-Enzym nach

Gegen den Klimawandel angehen und nebenbei Rohstoffe produzieren – Forscher arbeiten an künstlichen Prozessen der Fotosynthese.

Grünes Dach. Blätter können Kohlendioxid nicht so effektiv einfangen wie die Methode aus dem Labor.

Wenn sich Kohlendioxid schnell und einfach aus der Luft holen ließe, wäre das eine wirksame Waffe gegen den Klimawandel. Auf dem Weg dahin sind Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts in Marburg einen Schritt weitergekommen. Mit künstlicher Fotosynthese gelang es ihnen, Kohlendioxid zu binden und in ein einfaches Kohlenstoffmolekül zu verwandeln, berichten sie im Fachblatt „Science“. Innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre könnte der Prozess aus dem Reagenzglas in Bakterien oder Algen übertragen werden, schätzt Tobias Erb, der die Forschungsgruppe leitet.

In vielen kleinen Schritten machen Pflanzen aus Licht und Kohlendioxid Zucker oder Stärke. Der Vorgang ist nach seinem Entdecker Melvin Calvin benannt. Dabei sind die Pflanzen nicht besonders effektiv. Das Enzym, das sich das Kohlendioxid aus der Luft schnappt, ist relativ langsam und manchmal unzuverlässig: Bei jedem fünften Versuch greift es daneben und bindet versehentlich ein Sauerstoffmolekül.


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Hier sah das Team um Tobias Erb den Ansatzpunkt für einen maßgeschneiderten Zyklus mit anderen Enzymen. Als geeigneten Kandidaten für das Binden des Kohlendioxids fanden die Forscher in einer Datenbank mit 40.000 bekannten Enzymen ein ausgesprochen flinkes mit Namen Crotonyl-CoA Carboxylase/Reductase. Es bewältigt die Aufgabe bis zu zwanzigmal schneller als sein Gegenstück in den Pflanzen. Um dieses Enzym herum entwarfen die Forscher einen komplett neuen Prozess der Kohlenstoffsynthese, an dessen Ende Glyoxalsäure steht. In der Natur kommt sie in jungen Blättern oder unreifen Stachelbeeren vor.

Der künstliche Zyklus verbraucht 20 Prozent weniger Energie

Beteiligt an dem künstlichen Zyklus sind 17 verschiedene Enzyme. Drei davon haben die Wissenschaftler mit Hilfe von Gentechnik neu erschaffen. Die Bausteine dafür stammen aus neun verschiedenen Organismen, unter anderem aus der Leber des Menschen.

Der künstliche Zyklus verbraucht 20 Prozent weniger Energie als der Calvin-Zyklus der Pflanzen. Er kann theoretisch so verändert werden, dass nebenbei Nützliches entsteht wie Rohstoffe für Biodiesel, ein Antibiotikum oder ganz andere Substanzen.

Damit das in großem Maßstab klappt, müssen die Biologen um Tobias Erb jetzt noch einmal ganz von vorn anfangen und ihren Zyklus in den Stoffwechsel eines bestehenden Organismus’ implantieren. Ihr Ziel ist es, dass die Kettenreaktion nicht durch natürliche Vorgänge in den Wirtsbakterien oder -algen gestört wird. Als geeignet hat Erb die Alge Chlamydomonas reinhardtii und manche Cyano- oder Purpurbakterien identifiziert. „Das sind klassische Labortiere, bei denen man schon Netzwerkkarten hat, wie der Kohlenstofffluss verläuft“, sagt Erb.

Vom gelungenen Einbau in die Mikroorganismen bis zur synthetischen Produktion von Diesel oder Antibiotika wird es dann wiederum einige Zeit dauern, schätzt Tobias Erb. „Wir machen Grundlagenforschung und gehen einen langen Weg.“

Auch das massenhafte Binden von Kohlendioxid wird mit der Methode also erst in fernerer Zukunft möglich sein. Sogenannte negative Emissionen sind aber nötig, um die Erderwärmung bei 1,5 oder 2 Grad über vorindustriellem Niveau zu begrenzen. Das hat der Weltklimarat IPCC in seinen Szenarien berechnet. Demnach sollten entsprechende Technologien bis zum Jahr 2050 verfügbar sein.

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