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Politik - 07.11.2018

Viel Hype um nichts: Demokratische Hoffnungsträger scheitern

Wird trotz seiner Niederlage als heißer Präsidentschaftskandidat der Zukunft gehandelt: Beto O’Rourke.

Von Julian Vetten, San Francisco


Ein ehemaliger Punkrocker wird vor den US-Kongresswahlen als „neuer Kennedy“ gefeiert, während zwei Schwarze mit einer Botschaft der Hoffnung den alten Süden aufmischen wollen. Am Ende scheitern alle drei.

Wahlnächte sind lang. Umso länger, wenn man in ihnen Geschichte schreiben möchte. Und so war es bereits weit nach zwei Uhr morgens, als Stacey Abrams noch einmal die Bühne des Ballsaals im Regency-Hotels in Atlanta betrat: "Wir glauben an unsere Chance für ein stärkeres Georgia und werden nicht aufgeben, bis jede Stimme gezählt wurde", beschwor die Politikerin, die Georgias nächste Gouverneurin werden und damit Geschichte schreiben möchte, ihre Anhänger.

Dass zu dem Zeitpunkt bereits mehr als 99 Prozent aller Stimmen ausgezählt waren, der republikanische Kandidat Brian Kemp mehr als zwei Prozentpunkte vor Abrams lag und die Chancen für ein Comeback der Demokratin damit verschwindend gering ausfielen, interessierte sie vorerst nicht: Wichtiger war es, das Narrativ von der "blauen Welle", der Revitalisierung der demokratischen Partei, am Leben zu erhalten.

Dabei ist die "blaue Welle" am Tag nach den Midterms, den US-Kongresswahlen, ohnehin größtenteils verebbt. Zwar konnten die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückerobern, den Kongress bunter gestalten und in einigen Bundesstaaten wie Wisconsin und Nevada Überraschungserfolge feiern. Die drei großen demokratischen Hoffnungsträger Beto O'Rourke, Andrew Gillum und Stacey Abrams blieben allerdings hinter den turmhoch gestapelten Erwartungen zurück.

Andrew Gillum

Hat stark gekämpft und trotzdem verloren: Andrew Gillum

Florida ist traditionell einer der am stärksten umkämpften Bundesstaaten in den USA. 2016 trug Donald Trumps Triumph in dem Swing State maßgeblich zu seinem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen bei. Zwei Jahre später kandidierte ein Mann für das Gouverneursamt, mit dem kaum jemand gerechnet hatte: Andrew Gillum, bis dato Bürgermeister von Floridas Hauptstadt Tallahassee. Der Demokrat forderte einen Mindestlohn von 15 Dollar, deutlich stärkere Klimaschutzmaßnahmen und eine bessere Krankenversicherung für alle. Wegen seiner progressiven Agenda wurde er von seinem republikanischen Konkurrenten Ron DeSantis zum "Kommunisten" gemacht, seine Hautfarbe zum Thema rassistischer Anfeindungen. Trotzdem lag Gillum in den Umfragen vor der Wahl vor DeSantis. Bei der Wahl schlug die Wählergunst allerdings um: Am Ende konnte DeSantis 49,7 Prozent der Wähler von sich überzeugen, Gillum lediglich 49. "Nicht alle von uns haben heute alles gegeben, sind aufgestanden und wählen gegangen", sagte der Demokrat in der Wahlnacht enttäuscht mit Blick auf die vielen Nichtwähler.

Stacey Abrams

Will ihre Niederlage noch nicht anerkennen: Stacey Abrams

Die erste schwarze Frau, die für eine große Partei in den USA für ein Gouverneursamt kandidierte, tat das ausgerechnet in Georgia – einem dieser Südstaaten, die ihre Sklavenhaltervergangenheit nie endgültig abschütteln konnten und in denen Rassismus in all seinen Formen bis heute ein Problem ist. Ihr Widersacher Brian Kemp bezeichnet sich selbst als "politisch inkorrekt" und schaltete Fernsehwerbespots, in denen er damit angab, einen "großen Truck" zu besitzen, mit dem er Jagd auf "illegale Einwanderer und andere Kriminelle" machen könne. Weil Kemp außerdem als Staatssekretär für den reibungslosen Ablauf der Wahlen verantwortlich zeichnete und bereits im Vorfeld Stimmenanteile von Minderheiten unterdrückt haben soll, fürchtete Abrams Wahlmanipulationen. Nach mehr als 99 Prozent der ausgezählten Stimmen liegt Abrams bei 48,6 Prozent, Kemp bei 50,5 – sollte der Wert des Republikaners noch unter 50 Prozent fallen, käme es wegen einer Besonderheit des Wahlrechts in Georgia zu einer Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten. Aber das ist trotz Abrams' Kampfansage kaum zu erwarten.

Beto O'Rourke

Der ehemalige Punkrock-Gitarrist wurde vor den Senatswahlen in Texas als "neuer Kennedy" und "weißer Obama" gefeiert. Und tatsächlich: Obwohl O'Rourke im konservativen Texas mit gerechten Löhnen, Investitionen in Bildung, der Legalisierung von Marihuana, härteren Waffengesetzen und dem Recht auf Schwangerschaftsabbruch Wahlkampf machte, schaffte es der demokratische Kandidat mit seiner authentischen Art, im Vorfeld viele Wähler für sich zu gewinnen. Allerdings nicht genug: Am Ende einer turbulenten Wahlnacht vereint O'Rourke 48,3 Prozent aller Stimmen hinter sich, während sein erzkonservativer Rivale Ted Cruz 50,9 Prozent holte und damit auch die kommenden sechs Jahre im Amt bleibt. "Dieser Wahlkampf hat mich inspiriert, ich schaue hoffnungsvoll in die Zukunft", sagte O'Rourke noch in der Nacht. Ein Fazit, dass der gerade einmal 46 Jahre alte Politiker durchaus so positiv formulieren kann: O'Rourke gilt bei den Demokraten als eines der heißesten Eisen für zukünftige Präsidentschaftswahlen. Die "blaue Welle" mag also fürs Erste verebbt sein – aber wann kommen Wellen schon mal alleine?

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