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Politik - 23.10.2018

Saudi-Arabien unter Druck: „Der Prinz baut das Land in eine Diktatur um“

Kronprinz Mohammed bin Salman wird in Saudi-Arabien unterstützt und gefürchtet.

Das saudische Regime will mit dem Tod von Khashoggi nichts zu tun haben. Der Politikwissenschaftler Jochen Hippler hält es aber für sehr wahrscheinlich, dass der Kronprinz in die Tat verwickelt ist. Ihm sei es weitgehend gelungen, die Macht im Land auf sich zu konzentrieren, sagt er im Interview mit n-tv.de.

n-tv.de: Das saudische Regime behauptet, der regierungskritische Journalist Jamal Khashoggi sei bei einer Schlägerei ums Leben gekommen. Wie glaubhaft ist das?

Jochen Hippler: Die saudische Erklärung ist unglaubwürdig. Es ist klar, dass sie nach Gesichtspunkten der Opportunität und nicht nach der Wahrheit formuliert wurde.

Wer steckt hinter dem Tod von Khashoggi?

Mehr als zwei Wochen nach dem Verschwinden von Khashoggi hat Saudi-Arabien am Freitagabend den Tod des Dissidenten eingeräumt.

Noch ist nicht klar, welche Rolle Kronprinz Mohammed bin Salman spielt. Angeblich hat er nichts mit dem Tod zu tun. Das ist allerdings nicht plausibel. In einem Land wie Saudi-Arabien, in dem der Kronprinz im Alleingang die Politik bestimmt, ist es ziemlich absurd anzunehmen, dass untergeordnete Beamte auf eigene Faust prominente saudische Oppositionelle ermorden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Kronprinz in die Tat verwickelt ist, obwohl es dafür erst Indizien, aber noch keine handfesten Belege gibt.

Wie viel Macht hat denn der saudische Kronprinz?

Saudi-Arabien hatte in den letzten Jahrzehnten ein autoritäres Machtregime, in dem der König die zentrale Stelle einnahm. Auch König Salman bemühte sich lange, andere Mitglieder der Herrscherfamilie in einen Konsens einzubinden. Sein Sohn Mohammed bin Salman ist jetzt dabei, diese Familienpolitik aufzulösen. Der Prinz baut das Land in eine klassische Diktatur um – wie früher der irakische Herrscher Saddam Hussein und Syriens Machthaber Baschar al-Assad. Es ist Mohammed bin Salman schon weitgehend gelungen, die Macht auf sich persönlich zu konzentrieren und nicht mehr als Moderator des Familienkonsens' zu agieren. Es ist aber noch nicht klar, ob er sich damit auf Dauer durchsetzen kann. Die Situation im Jemen-Krieg, die Konfrontation mit Katar, jetzt die Mord-Vorwürfe im Konsulat: Das sind alles Dinge, die im Königshaus zu der Frage führen könnten, ob Mohammed bin Salman noch der richtige Mann ist.

Kann der Kronprinz noch zurückgedrängt werden?

Der König hat ihn in diese Machtposition befördert. Theoretisch könnte er ihm wieder die Macht nehmen. Außerdem besteht immer die Gefahr von Attentaten. Er bringt viele andere Prinzen und Verwandte gegen sich auf, weil er sie schikaniert, demütigt und zurückdrängt.

Hält das Königshaus möglicherweise auch zusammen, weil es Angst vor einer Implosion des Staates oder vor Massenprotesten hat?

Bereits 1977 sagte ein amerikanisches Geheimdienstpapier voraus, dass das saudische Königshaus instabil sei und innerhalb von fünf Jahren spätestens zusammenstürzen werde. Das ist bisher nicht der Fall gewesen. Die religiösen Führer und die Familie der Sauds haben sich letztlich immer gegenseitig gestützt. Doch da der Kronprinz es jetzt geschafft hat, neben vielen Verwandten auch einen Großteil der konservativen oder reaktionären religiösen Führer gegen sich aufzubringen, gibt es eine potenzielle Bedrohung für eine stabile Herrschaft.

Der Kronprinz inszeniert sich als Reformer. Wie gut ist ihm das gelungen?

Der Politikwissenschaftler und Friedensforscher Jochen Hippler lehrt am Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen.

Mohammed bin Salman hat sich einige kulturelle Freiheiten erlaubt: Es gibt soziale Medien und Kinos, Frauen dürfen inzwischen Auto fahren. Ein Teil der jüngeren Saudis unterstützt ihn deshalb. Während er symbolische Reformen für Frauen eingeführt hat, sperrte er aber aktive Frauenrechtlerinnen ins Gefängnis. Er hat sich auch Feinde gemacht. Die reaktionären Geistlichen sind nicht von den Reformen überzeugt. Auch das Militär dürfte nicht begeistert über den Jemen-Krieg sein, den das Land nicht gewinnt.

Wie abhängig ist der Westen von den Saudis?

Es ist ja immer wieder die Rede davon, dass Saudi-Arabien ein Stabilitätsanker in der Region sei – das hat auch mal Kanzlerin Merkel gesagt. Das scheint mir inzwischen eher Wunschdenken zu sein, wenn ich zum Beispiel an die Zerstörung im Jemen-Krieg denke, an die Auseinandersetzung mit Katar oder an Khashoggis Tod. Finanziell ist Saudi-Arabien sicher ein reiches Land, aber es hat keine zentrale Bedeutung für die Weltwirtschaft. Bezogen auf den Ölsektor ist das Land allerdings deutlich wichtiger. Die entscheidende Frage ist: Bleibt Saudi-Arabien einer der Schlüssellieferanten für Öl? Da es auf dem Weltmarkt aber sonst nichts anzubieten hat, dürfen wir davon ausgehen.

US-Präsident Donald Trump pflegt enge Beziehungen zum saudischen Königshaus. Wird er den Kronprinzen weiter unterschützen?

Bei Trump weiß man nie. Seine Reaktion ist unglaublich schwer zu prognostizieren, weil er manchmal blitzartig seine politische Position verändert. Seine Unberechenbarkeit ist ein ziemliches Problem. Er möchte sicher die engen Beziehungen aufrechterhalten. Wenn der Druck auf Trump im Kongress zunimmt, ist aber nicht auszuschließen, dass er auch härtere Töne gegen Saudi-Arabien anschlägt. Das kann sich im nächsten Moment aber wieder ändern.

Mit Jochen Hippler sprach Maria Schütte.

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