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Politik - 10.12.2018

„Mini Merkel“ – ein Angstreflex: Für die AfD ist AKK gefährlicher als Merz

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer

Von Benjamin Konietzny


Vor Merz hatte die AfD Respekt. Als AKK das Rennen macht, atmen die Rechten auf. Mit „Angelas kleiner Kopie“ scheint das Feindbild erhalten zu bleiben. Dabei müsste sich die AfD jetzt wirklich Sorgen machen.

Zwei überspitzte Bilder hat die AfD vor dem Parteitag der CDU verbreitet. Eines davon galt Friedrich Merz. Er habe in all den Jahren in der Privatwirtschaft seine politische Routine völlig verloren, hieß es, den Kontakt zur Lebensrealität als Einkommensmillionär sowieso. In AfD-Kreisen wurden ihm wegen seiner Tätigkeit für den Vermögensverwalter Blackrock Verwicklungen in den Cum-Ex-Skandal angedichtet. Er sei in der "Hochfinanz" verstrickt, hieß es. Mit allerlei Bildern, die in den sozialen Medien herumgereicht wurden, versuchte die AfD ihn zu diskreditieren. Hinter den Kulissen jedoch sorgte seine Kandidatur für größte Sorge. "Wenn er es macht, können wir einpacken", hieß es aus AfD-Fraktionskreisen, kurz nachdem Merz angetreten war.

Mehr noch hat die AfD versucht, Merz' Konkurrentin zu kritisieren: "Merkel 2.0", "Mini-Merkel", "Angelas kleine Kopie" (AKK) – die Liste der Beinamen ist lang. Die Botschaft war klar: Unter Annegret Kramp-Karrenbauer werde sich in der CDU nichts verändern. Kanzlerin Angela Merkel werde im Hintergrund weiter die Strippen ziehen. Die Partei war um kaum eine Vereinfachung verlegen, ignorierte wichtige Details oder dichtete neue dazu, um ihr Narrativ aufrecht zu erhalten. Die Strategie ist nachvollziehbar: Mit Merkel an der Spitze der CDU verschwindet das größte Feindbild der AfD, ein neues muss her. Den eigenen Wählern weiszumachen, es gehe nun alles genau so weiter – nur mit verändertem Personal -, sichert möglicherweise Wählerstimmen, ist jedoch auch Wunschdenken, möglicherweise sogar ein Angstreflex. Denn sie könnte der Partei gefährlicher werden, als es auf den ersten Blick erscheint.

Denn die Realität könnte für die AfD anders aussehen. Sachliche Argumente dafür, dass AKK für die "Fortsetzung des Systems Merkel" stehe, hat die Partei wenig. Viel wichtiger für diese Bewertung ist hingegen ein anderer Aspekt: nämlich, dass AKK Merkels geheime Wunschkandidatin war. Aufzuzeigen, welche politisch-inhaltlichen Überschneidungen es tatsächlich gibt – oder eben nicht -, dabei war die AfD deutlich zurückhaltender. Auch Kramp-Karrenbauers zum Teil deutlich formulierte Distanzierungen von Merkel wurden ignoriert. Die AfD konzentriert sich darauf, gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass sich unter AKK nichts ändern werde.

Merz ließ AfD-Umfragewerte sprießen

Denn AKK hat in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass sie für einen deutlich konservativeren Kurs steht als Merkel. Als die Große Koalition 2015 noch darüber beriet, wie mit der Flüchtlingskrise umzugehen sei, leitete sie als Innenministerin im Saarland die ersten Abschiebungen ein. Angeblich minderjährige Flüchtlinge ließ sie röntgen, um deren wirkliches Alter herauszufinden – ein umstrittenes Verfahren. Sie forderte, straffällig gewordene Asylbewerber notfalls auch ins Kriegsland Syrien abzuschieben. Das ging selbst dem vermeintlichen Hardliner Innenminister Horst Seehofer zu weit. Sie spricht sich vehement gegen die Ehe für alle aus und begründet ihre Ablehnung damit, das Konzept könne Vielehe oder sogar Inzucht ermöglichen. Entgegen weiten Teilen des Bundestages spricht sie sich außerdem gegen eine Aufhebung des Werbeverbots für Abtreibungen aus. Die Liste der Punkte, in denen sie von Merkels Positionen nach rechts abweicht, ließe sich weiterführen. Bei der Landtagswahl im Saarland im März 2017 dann schuf sie endgültig Fakten: die CDU sprang auf über 40 Prozent, obwohl sie in Umfragen kurz zuvor deutlich darunter lag. Die AfD – in Umfragen vor der Wahl teilweise über 10 Prozent – kam hingegen auf nur knapp über 6 Prozent.

Ob Merz seine Ankündigung, die AfD "zu halbieren", wirklich hätte wahrmachen können, ist unklar. Auf den ersten Blick hat er mit seinen markigen Ansagen zu Migration und Asyl den Rechtspopulisten das Territorium streitig gemacht. Als er während einer der Regionalkonferenzen das Grundrecht auf Asyl in Frage stellte, löste er eine bundesweite Debatte aus. Genutzt hat es aber vor allem der AfD: Im Windschatten dieser Diskussion legte die Partei in den Umfragen ordentlich zu. Wenn viel über Asyl und Zuwanderung gesprochen wird, nutzt es vor allem der Partei, deren Markenkern eben diese Themen sind, lautet die These von Demografen. Zudem machte sich in CDU-Kreisen die Befürchtung breit, Merz könne zwar die AfD ins Verderben schicken, doch die Union dabei gleich mitnehmen. Sein während der Kandidatur skizzierter Kurs wäre von erheblichen Teilen der Partei – vor allem dem christlich-sozialen und dem Arbeitnehmer-Lager – nicht mitgetragen worden, hieß es. Möglicherweise hätte ein Parteichef Merz die innerparteiliche Spaltung weiter vorangetrieben.

Kramp-Karrenbauer mit ihrem konservativen Profil könnte hingegen integrieren ohne rechtspopulistische Signale zu senden, die Wähler dazu verleiten könnten, sich am Ende doch für "das Original" AfD zu entscheiden. So wie es die von Merz angestoßene Asyl-Debatte demonstriert hat. Es heißt, AKK könne mit allen Flügeln der CDU klarkommen. In der Partei traut man ihr zu, sowohl die ganz Konservativen am rechten Rand ansprechen zu können als auch die Teile der Partei, die sich Bündnisse mit den Grünen oder sogar den Linken vorstellen können.

Akzente setzen ohne Mandat – das wird schwierig

AKK verfolgt jedoch nicht nur inhaltlich einen Kurs, der deutlich konservativer ist als der ihrer Amtsvorgängerin, sie unterscheidet sich auch in einem anderen Punkt deutlich – bei der Frage des "wie". Merkels Kritiker führen nämlich nicht nur an, sie habe die Partei auf einen Mitte-Links geführt, sondern diesen Kurs auch nach "einsamen Entscheidungen" eingeschlagen zu haben. Ob in der Eurokrise oder der Flüchtlingspolitik – Merkels Methode, Entscheidungen zu treffen und die Partei gewissermaßen vor vollendete Tatsachen zu stellen, hat ihr parteiintern geschadet und ihren Gegnern von der AfD geholfen, das Narrativ der "Merkel-Diktatur" aufzubauen. Bereits in ihrer Bewerbungsrede ist AKK deutlich auf Distanz zu dieser Stilfrage gegangen. "Diese Methode passt nicht mehr in die heutige Zeit", sagte sie. Bei wichtigen Entscheidungen will sie zunächst die Partei hören, dann einen Entschluss fassen.

Die CDU zu befrieden, das Lager der Merz-Unterstützer jetzt anzusprechen und zu integrieren, sollte ihr schnell gelingen, auch wenn die Anhänger des knapp Unterlegenen derzeit noch zu schmollen scheinen. Schwieriger könnte es jedoch werden, Wahlentscheidungen zu beeinflussen. Denn AKK hat keine politischen Mandate, kann keine "konkrete Politik" machen. Bis zu den kommenden Europawahlen und vor allem bis zu den Landtagswahlen in den östlichen Bundesländern konservative Akzente zu setzen, ist als "Nur-Parteivorsitzende" eine echte Herausforderung. Zwar hat sie mehrfach angekündigt, ihren Herausforderer Merz nach der Wahl einzubinden – er wäre auch sicher gut geeignet, um im Wahlkampf konservative Wähler anzusprechen – der jedoch zieht es offenbar vor, sich wieder aus dem Geschehen zurückzuziehen. Als konservatives Kooperations-Schwergewicht bliebe noch Jens Spahn, der mit gestähltem Selbstbewusstsein aus dem Parteitag hervorgegangen ist und AKK und die jeweiligen Spitzenkandidaten in Europa- und Landtagswahlen unterstützen könnte.

Gelänge es der neuen CDU-Vorsitzenden, die nach dem Parteitag zerrissen wirkende Partei zu einen, ein geschlossenes Bild zu liefern, könnte sie vielen konservativen, aber nicht rechtsextremen Wählern eine Alternative zur zunehmend zerstrittenen AfD bieten. Wenn ihr die angekündigte Kehrtwende im Führungsstil gelingt, die gesamte Partei wieder den Eindruck gewinnt, gehört zu werden, würde sie Menschen ansprechen, die die Union auch wegen dieser Methode verloren hat. Merz' Potenzial bestand in erheblichen Teilen daraus, die Strategie der Rechtspopulisten zu kopieren, ihre Kernthemen auf die Agenda der CDU zu setzen. Kramp-Karrenbauers Potenzial liegt darin, aus der CDU wieder eine geschlossene Partei zu machen, in der Rechtskonservative genauso eine Heimat haben können wie der linke Arbeitnehmerflügel. Das macht sie für die AfD viel gefährlicher.

Benjamin Konietzny ist Politik-Reporter bei n-tv.de.

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