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Politik - 06.12.2018

Macron fordert Appell zur Ruhe: Frankreich setzt Steuererhöhungen 2019 aus

Premierminister Edouard Philippe und Präsident Macron


Am Wochenende wollen mehr Menschen zu den „Gelbwesten“-Protesten stoßen. Präsident Macron versucht zu besänftigen. Die geplanten Steuererhöhungen für 2019 werden doch nicht umgesetzt. Eine Studie zeigt: Franzosen zahlen ohnehin vergleichsweise viele Steuern.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die Steuererhöhungen auf Benzin und Diesel, die in Frankreich gewalttätige Proteste ausgelöst hatten, für das gesamte Jahr 2019 ausgesetzt. Elyséekreise bestätigten entsprechende Medienberichte. Zuvor hatte Macron nach den schweren Ausschreitungen am Wochenende politische und gewerkschaftliche Kräfte sowie Arbeitgeber aufgefordert, einen "deutlichen und expliziten Aufruf zur Ruhe" zu verbreiten. Das hatte Regierungssprecher Benjamin Griveaux nach einer Kabinettssitzung, an der auch Macron teilgenommen hatte, erklärt.

Frankreichs Premier Édouard Philippe hatte ein Moratorium für sechs Monate noch vor der französischen Nationalversammlung verteidigt. Die Steuererhöhung war ursprünglich für den Jahreswechsel geplant. An den Erhöhungen hatte sich die Wut der Protestbewegung "Gelbe Westen" entzündet. Als ein Zugeständnis an die "Gelbwesten" hatte Philippe bereits am Dienstag angekündigt, die Erhöhung für sechs Monate auszusetzen.

Am Wochenende werden neue Ausschreitungen in der französischen Hauptstadt befürchtet. Ein Wortführer der Protestbewegung "Gelbe Westen" hatte am Dienstag dem Sender BFMTV gesagt, es solle weiter demonstriert werden, solange es keine wirkliche Wende gebe.

Regierungssprecher Griveaux erklärte, der Präsident habe außerdem gesagt, dass Einige das Ziel verfolgten, die Republik anzugreifen. Wer diese Angreifer sind, sagte Griveaux nicht. Macron habe auch den Opportunismus der Menschen verurteilt, die sich an einem solchen Verhalten beteiligten oder schwiegen. Es gehe jetzt nicht um politische Opposition, sondern um die Republik. Griveaux schloss nicht aus, dass das Militär zukünftig eingesetzt werden könnte. Die Polizei habe in den letzten Wochen ein hohes Maß an Professionalität bewiesen – das Militär habe aber andere Aufgaben.

Während seiner Regierungserklärung zur ökologischen Steuerreform hatte Philippe bereits gesagt: "Sollten wir keine gute Lösung finden, werden wir diese Steuer nicht einführen." Im Anschluss stimmten die Abgeordneten über die Erklärung ab. Sie votierten am Abend mit 358 Stimmen für die Erklärung, 194 stimmten dagegen. Das Ergebnis war wenig überraschend: Die Präsidentenpartei La République En Marche (LREM) und Verbündete haben eine breite Mehrheit im Unterhaus des französischen Parlaments.

Vier Tote bei Protesten

Seit mehreren Wochen demonstrieren Anhänger der "Gelbwesten" im ganzen Land. Nach einer Bilanz von Regierungschef Philippe kamen vier Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt. Am Samstag war es in der französischen Hauptstadt zu schweren Krawallen mit vielen Verletzten und einem geschätzten Millionenschaden gekommen.

Der Chef der konservativen französischen Republikaner forderte einen befristeten Ausnahmezustand, um neue Ausschreitungen am Samstag in Paris zu verhindern. So könnten die "Gelbe Westen" demonstrieren, ohne von "Randalierern als Geisel gehalten" zu werden, sagte Laurent Wauquiez dem Sender France 2. Ein solcher vorübergehender Ausnahmezustand würde außerdem die Sicherheitskräfte stärken. Mitglieder der französischen Regierung hatten zuvor erklärt, eine Wiedereinführung des Ausnahmezustandes stehe nicht auf der Tagesordnung.

Unterdessen weitet sich der Protest in Frankreich aus. In der kommenden Woche wollen nun auch die Landwirte demonstrieren. Das kündigte die Bauerngewerkschaft FNSEA an. Ein Grund für die Wut der Bauern sei "Agri-Bashing" – also pauschale Angriffe auf den Berufsstand der Bauern, erklärte die Vorsitzende Christine Lambert. Die Bauen fühlten sich "gedemütigt". Auch das geplante Verbot des Unkrautgifts Glyphosat ärgere die Bauern.

Auch Schüler protestieren

Mittlerweile gibt es auch Proteste an französischen Gymnasien, Schüler wehren sich gegen Reformen im Bildungsbereich. Anfang der Woche hatten in Paris auch Krankenwagenfahrer demonstriert. Ihr Protest wendet sich gegen eine Reform zur Finanzierung der Krankentransporte.

Gleichzeitig entflammte eine neue Debatte über die umstrittene Vermögenssteuer. Es wurde spekuliert, ob ihre Abschaffung nicht wieder gekippt werden könnte. Die Vermögenssteuer war mit dem Haushaltsgesetz für 2018 weitgehend abgeschafft worden – zwar muss Immobilienbesitz weiter versteuert werden, für Kapitalbesitz fallen die Abgaben jedoch weitgehend weg. Diese Regelung hatte Macron auch den Ruf eingebracht, ein "Präsident der Reichen" zu sein. Philippe sagte in seiner Rede vor der Nationalversammlung, dass die Regierung eine Debatte über die Steuer nicht fürchte.

Die OECD teilte mit, dass die Steuerquote – also die Steuereinnahmen gemessen an der Wirtschaftsleistung – unter den hoch entwickelten Ländern in Frankreich am höchsten ist. Im Durchschnitt erhob der Staat in 34 OECD-Ländern Steuern und Sozialabgaben in Höhe von 34,2 Prozent der Wirtschaftskraft. In Frankreich erhielt der Staat im vergangenen Jahr allerdings 46,2 Prozent.

Die Bewegung der "Gelben Westen", benannt nach den Warnwesten im Auto, ist breit und diffus. Hinter ihr steht keine Gewerkschaft und keine Partei. Die Protestbewegung hat sich hauptsächlich in sozialen Netzwerken wie Facebook mobilisiert. Ihre Wut entzündete sich an den geplanten Steuererhöhungen für Diesel und Benzin – die Kritik der Bewegung ist aber mittlerweile viel weitgehender. Die "Gelbwesten" monieren, dass die Lebenshaltungskosten immer teurer würden.

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