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Politik - 16.11.2018

Kanzlerin zu Besuch in Chemnitz: Merkel: Erregung rechtfertigt keine Straftaten

Kanzlerin Merkel räumte während des Leser-Gesprächs erneut ein, dass die Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik Fehler gemacht hat.


Nach dem gewaltsamen Tod eines 35-Jährigen gehen etliche Bürger in Chemnitz auf die Straße. Monate später erklärt Bundeskanzlerin Merkel, sie könne die Aufgewühltheit der Menschen verstehen. Doch ihr Verständnis hat Grenzen.

Kanzlerin Angela Merkel hat knapp drei Monate nach den fremdenfeindlichen Übergriffen von Chemnitz Verständnis für mangelndes Sicherheitsgefühl in der Stadt gezeigt. Bei einer Gesprächsrunde mit Lesern der Tageszeitung "Freie Presse" in Chemnitz sagte die CDU-Chefin, sie könne die Aufregung und Erregung vieler Menschen in der Stadt verstehen, nachdem Ende August ein Chemnitzer vermutlich von Asylbewerbern erstochen worden war. Diese Erregung rechtfertige aber nicht, bei rechtsradikalen Demonstrationen Straftaten zu begehen.

Merkel verteidigte sich gegen Kritik, nach der Einladung von Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig zu spät in die Stadt gekommen zu sein. Sie habe lange darüber nachgedacht, wann der beste Zeitpunkt für ihren Besuch sei – auch vor dem Hintergrund, dass sie auf viele Menschen polarisierend wirke. Sie habe nicht in einer völlig aufgewühlten Stimmung kommen wollen. Nun gehe es für sie darum zu prüfen, was auch der Bund dafür tun könne, damit die Stadt nicht dauerhaft in ein falsches Licht gerückt werde.

Ende August war ein 35-jähriger Chemnitzer mutmaßlich von Asylbewerbern erstochen worden. Tausende Bürger, darunter auch Rechtsradikale, waren danach auf die Straße gegangen. Es gab auch fremdenfeindliche Übergriffe, Attacken auf jüdische, persische und türkische Restaurants, und die rechte Terrorgruppe "Revolution Chemnitz" wurde aufgedeckt.

Merkel räumte während des Leser-Gesprächs erneut ein, dass die Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik Fehler gemacht hat. Die Fehler lägen aber nicht darin, dass man den Flüchtlingen kurzfristig geholfen habe, sondern darin, dass man sich nicht rechtzeitig um die Herkunftsländer und um die Herkunftsregion gekümmert habe. Sie bedauerte, dass es bei der Anerkennung sicherer Herkunftsländer keine Fortschritte im Bundestag gebe.

"Chemnitz ist weder grau noch braun"

Zum Auftakt ihres Besuchs in Chemnitz kam die Kanzlerin mit jugendlichen Spielern und Trainern des Basketballklubs Niners zusammen. In einer Sporthalle führte sie ihre Gespräche, die allerdings nicht öffentlich waren. Beim anschließenden Gruppenfoto wurde auf der Anzeigetafel der Slogan "Chemnitz ist weder grau noch braun" eingeblendet. Begleitet wurde Merkel von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und der Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig.

SPD-Politikerin Ludwig wünschte sich, dass Merkel mit den Bürgern mehr in den direkten Dialog tritt. "Ich bin überzeugt davon, dass wir zu den Menschen gehen und unser Handeln erklären müssen, wenn wir sie nicht – oder nicht noch mehr – verlieren wollen", ließ Ludwig zum Besuch Merkels in Chemnitz mitteilen. Auch die Bundesregierung sollte dies ihrer Auffassung nach regelmäßig tun. So fänden in Chemnitz seit zwölf Jahren Einwohnerversammlungen statt. Ministerpräsident Kretschmer treffe Menschen in Bürgerdialogen.

Ludwig warf der Kanzlerin eine "praktisch seit drei Jahren währende Sprachlosigkeit" vor, deren Folgen sich besonders beim Thema Integration zeigten. Die Debatte werde viel zu oft denen überlassen, die Ängste oder tatsächliche Probleme instrumentalisierten.

Die rechtspopulistische Vereinigung Pro Chemnitz, die bereits in den vergangenen Wochen regelmäßig mobil machte, und auch der Chemnitzer Ableger der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung riefen unterdessen zu Kundgebungen auf. Die sächsische Polizei ist verstärkt im Einsatz und wird von Beamten aus anderen Bundesländern unterstützt. Vor mehr als zwei Wochen war bereits Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Chemnitz zu Gast.

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