Home Politik Josef Braml über die Midterms: „Diese Welle trägt Trump zur Wiederwahl“
Politik - 07.11.2018

Josef Braml über die Midterms: „Diese Welle trägt Trump zur Wiederwahl“

Die Demokraten hatten auf eine „blaue Welle“ gehofft, eine Welle in der Farbe ihrer Partei. Die gab es nicht – Trump (hier bei einem Wahlkampfauftritt in Cleveland) hat durchaus Grund, sich als Sieger zu sehen.

Für die Demokraten könnte der Wahlerfolg im Repräsentantenhaus noch zum Pyrrhussieg werden, sagt USA-Experte Josef Braml. Den Präsidenten sieht er dagegen gestärkt. Denn nun kann er seine Infrastrukturpläne vorantreiben. Gute Nachrichten für die USA? Eher nicht.

n-tv.de: Was ist Ihr Fazit nach den Zwischenwahlen in den USA?

Josef Braml: Die "blaue Welle" der Demokraten wird Donald Trump in zwei Jahren zur Wiederwahl tragen. Dank der leichten demokratischen Brandung bei den Kongresswahlen – denn mehr war es nicht – kann er in zwei Jahren wieder ins Weiße Haus surfen.

Sie sehen Trump durch den Ausgang dieser Wahl gestärkt?

Oh ja. Die große Gefahr ist nur, dass die deutsche und europäische Politik die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus zum Anlass nimmt, weiter davon zu träumen, dass die innere Gewaltenkontrolle in den USA das Problem für uns lösen wird und Trump eine Episode bleibt, die nach vier Jahren vorbei ist.

Können die Demokraten Trump mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus nicht Probleme bereiten, etwa bei den Russland-Ermittlungen des Kongresses oder indem sie ihn zwingen, seine Steuererklärungen zu veröffentlichen?

Ach, die Steuererklärungen halte ich eher für Papierkram. Ich glaube nicht, dass das auf großes Interesse stößt. Die Demokraten könnten versuchen, Sonderermittler Robert Mueller zu sekundieren, indem sie Zeugen vorladen. Aber allzu viel erwarte ich da nicht. Spannend würde es, wenn der Supreme Court ins Spiel käme – nämlich dann, wenn er entscheiden müsste, ob der Präsident während seiner Amtszeit überhaupt mit solchen Ermittlungen behelligt werden darf und ob Trump unter Eid aussagen muss. Der neue Richter Brett Kavanaugh hat sich schon dafür ausgesprochen, dass das nicht möglich sein soll.

Im Repräsentantenhaus könnten die Demokraten dem Präsidenten auch das eine oder andere Projekt madig machen. Dann wird die Mauer vielleicht nicht so groß und "beautiful", wie Trump angekündigt hat, weil der Kongress ihm das nicht finanziert. Aber andere Projekte könnte der Präsident mit Demokraten sogar leichter verwirklichen. Und wenn es nicht klappt, hat er mit ihnen einen wunderbaren Sündenbock. Dieser Wahlerfolg kann für sie noch zum Pyrrhussieg werden.

An welche Projekte denken Sie?

Trumps Infrastrukturpläne, sein zweites großes wirtschaftspolitisches Thema. Mit seinen Parteifreunden hat er die Steuererleichterungen durch den Kongress gedrückt. Wenn es darum geht, Steuern zu senken, ist es für Republikaner kein Problem, das Defizit gigantisch aufzublähen. Wenn es aber um Ausgaben geht, sind sie fiskalkonservativ – dafür braucht Trump die Demokraten. Die wären auch leicht dafür zu gewinnen.

Ist es keine gute Nachricht, wenn die überparteiliche Zusammenarbeit dann wieder funktioniert?

Im Kapitol ist Trump künftig auch auf die Demokraten angewiesen.

Ist es gut, wenn Amerika zwar überparteilich, aber noch schneller zum Staatsbankrott kommt? Wohl kaum. Auch für uns in Deutschland wäre das keine gute Nachricht, denn wir würden die Zeche bezahlen.

Wie das?

Bisher sah der Deal zwischen Deutschland und den USA so aus: Die Amerikaner bekommen Waren, wir bekommen Schuldscheine. Wenn die nächste Blase platzt, wie in der Finanzkrise 2007/2008, dann sind die nichts mehr wert. Insofern tut uns Trump mit seinen Zollschranken einen Gefallen. Er will unser Geld offenbar nicht mehr. Wenn wir schlau sind, werfen wir es nicht weiter in die abgrundtiefen Märkte der USA. Denn Amerika ist zehn Jahre vom Staatsbankrott entfernt, wenn das so weitergeht.

Derzeit läuft die US-Wirtschaft gut. Ist es da nicht überraschend, dass die Republikaner das Repräsentantenhaus verloren haben?

It's not the economy, stupid.

Der Spruch aus dem Präsidentschaftswahlkampf von Bill Clinton 1992 gilt nicht mehr?

Nein, jetzt geht es um kulturelle Identität. In Amerika wechseln sich das Fressen und die Moral ab, um mit Bertolt Brecht zu reden. Wenn das Fressen gesichert ist, wenn es der Wirtschaft einigermaßen gut geht, dann kommen die sogenannten moral issues ins Spiel. Das sind in den USA Themen unterhalb der Gürtellinie, Themen der Sexualmoral. Genauso wurde auch gekämpft: unterhalb der Gürtellinie. Die Nominierung von Brett Kavanaugh zum Verfassungsrichter löste einen Kulturkrieg aus. Bis dahin hatten die Demokraten einen Mobilisierungsvorteil, sowohl finanziell als auch mit Blick auf die Motivation ihrer Anhänger. Durch das durchaus nachvollziehbare Aufbegehren gegen die Kavanaugh-Nominierung wurden die republikanischen Stammwähler richtig heiß gemacht. Sie wollten unbedingt verhindern, dass Trump das Bollwerk Senat verliert.

Warum ist der Senat für konservative Wähler so wichtig?

Damit Trump noch mehr konservative Richter an den Supreme Court entsenden kann. Die werden im Senat bestätigt, das Repräsentantenhaus braucht er dafür nicht. Schon jetzt ist sicher: Dieser Supreme Court wird Amerika weit über Trumps Amtszeit hinaus radikal verändern.

Welche Rolle spielte das andere Kulturkampf-Thema, die "Karawane" von Migranten Richtung USA?

Ich habe lange befürchtet, dass Trump noch vor den Kongresswahlen einen Krieg gegen den Iran anfängt, um den Wahlkampf für die Republikaner zu entscheiden. Das musste er dann nicht, weil er behaupten konnte, die USA würden von Migranten belagert. Er hat allen Ernstes mehr Soldaten an die mexikanische Grenze geschickt als er bereit ist, ins Ausland zu entsenden. Trump hat so getan, als sei Amerika kurz davor, von Einwanderern, vor allem von Muslimen überrannt zu werden. Viele Wähler nehmen ihm das ab.

Sie erwarten, dass die USA den Iran angreifen?

Ich gehe davon aus, dass es passiert. Umso schneller, wenn Sonderermittler Mueller Material ans Tageslicht befördert, das Trump schadet. Dann könnte der versuchen, mit einem außenpolitischen Scharmützel dafür zu sorgen, dass die Abgeordneten und Senatoren sich hinter dem Oberbefehlshaber versammeln. Mueller, der Hoffnungsträger für viele, könnte Auslöser einer gefährlichen Dynamik werden.

Mit Josef Braml sprach Hubertus Volmer

Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches "Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit". Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog usaexperte.com.

Hubertus Volmer ist Leiter des Politik-Ressorts von n-tv.de.

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