Home Politik Der UN-Migrationspakt ist „völlig überambitioniert“, aber auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, sagt der Sicherheitsexperte Joachim Krause.
Politik - 02.12.2018

Der UN-Migrationspakt ist „völlig überambitioniert“, aber auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, sagt der Sicherheitsexperte Joachim Krause.

Krause: Der Migrationspakt soll Migration verhindern.

Experte zum Migrationspakt: „Sinnvoll, aber überambitioniert“


Der Sicherheitsexperte Joachim Krause hält die Diskussion über den UN-Migrationspakt für „teilweise überkandidelt“. Allerdings sei der Pakt „mit ideologischen Floskeln überlastet, die Angriffspunkte für Kritiker geben“

Der Sicherheitsexperte Joachim Krause hält die Diskussion über den UN-Migrationspakt für "teilweise überkandidelt". Allerdings sei der Pakt "mit ideologischen Floskeln überlastet, die Angriffspunkte für Kritiker geben"

n-tv.de: Ist es das Ziel des Migrationspaktes, illegale Migration zu legalisieren?

Joachim Krause: Das ist nicht das Ziel des Paktes, im Gegenteil, er soll eher illegale Migration verhindern beziehungsweise unterbinden.

Was ist denn das Ziel dieses Paktes?

Der Pakt bezieht sich nicht auf Flüchtlinge, sondern auf Menschen, die ihr Land verlassen, um sich woanders vorübergehend oder dauerhaft eine Existenz aufzubauen. Er hat mehrere Hauptziele und 23 Einzelziele, mit denen diese Hauptziele umgesetzt werden.

Im Wesentlichen wird ein Rahmen geschaffen, innerhalb dessen geregelte Migration möglich werden soll, die im Interesse aller Beteiligten ist – auch und gerade der Zielländer. Zu diesem Zweck sollen "Triebkräfte und Faktoren minimiert" werden, die Menschen zur Migration aus Verzweiflung treiben, es sollen die Risiken prekärer Situationen von Migranten verringert werden, insbesondere soll die Schleuserkriminalität besser bekämpft werden, und es sollen Mindeststandards für Arbeitsmigranten gelten.

Zudem sollen die Bedingungen verbessert werden, um die Integration von Migranten in die Gesellschaften der jeweiligen Zielländer zu verbessern. Der Pakt soll Voraussetzungen schaffen, unter denen Migration für alle Beteiligten zu einem Gewinn wird. In diesem Sinne ist der Pakt durchaus im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, denn es besteht Einigkeit darin, dass wir eine geregelte Migration benötigen.

Unterm Strich ist Ihre Bewertung also positiv?

Joachim Krause ist Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und Vorsitzender der Stiftung Wissenschaft und Demokratie.

Das Papier ist in sich schlüssig und umfassend. Es ist aber völlig überambitioniert und leider mit ideologischen Floskeln überlastet, die Angriffspunkte für Kritiker geben.

Ist es etwa ein Problem, dass der Migrationspakt vor allem die Zielländer in der Bringschuld sieht, nicht aber die Migranten?

Das kann man so nicht sagen. Er nimmt Zielländer und Herkunftsländer gleichermaßen in die Pflicht. Man kann natürlich argumentieren, dass die Zielländer hauptsächlich demokratische Rechtsstaaten sind, die sich an rechtliche Verpflichtungen halten, während das für die Herkunftsländer nicht gilt. Aber das, was in dem Pakt an Standards gesetzt wird, gilt bei uns weitgehend ohnehin. Der Pakt gibt westlichen Staaten hingegen die Möglichkeit, stärker Herkunftsländer und Schwellenländer in die Pflicht zu nehmen.

Der Migrationspakt stellt Migration grundsätzlich positiv dar. Ist das ein kluges Signal angesichts der Probleme, die Migration ja auch verursacht?

Das ist kein kluges Signal. Die Aussage in Paragraph 8, wonach in einer globalisierten Welt Migration "eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung" darstelle, ist empirisch falsch und löst genau jene Ablehnungsreflexe aus, die die Bundesregierung und die sie tragenden Bundestagsfraktionen vermeiden wollen. Ursprünglich war dies eine "Kann-Bestimmung", die dann im Laufe der Beratungen zu einer scheinbar sachlichen Feststellung wurde.

Stefan Aust schrieb in der "Welt", der Migrationspakt sei "eine Einladung" an die Bevölkerungen armer Länder, "sich auf die große Reise zu machen" und werde einen "Strom" von "Migranten aus wirtschaftlichen Gründen" auslösen, die dann nicht einmal auf ihre Anerkennung warten müssten. Ist das ein plausibles Szenario?

Diese Feststellung beruht vermutlich auf der isolierten Lektüre der Ziele 8 und 15 des Paktes und ist in dieser plakativen Weise irreführend. Ziel 8 legt den Umgang mit Migranten dar, die sich in lebensbedrohliche Situationen begeben, und beschreibt ziemlich genau die derzeitigen europäischen Standards im Umgang mit den Mittelmeerflüchtlingen. Ziel 15 legt fest, dass Migranten eine gewisse Grundversorgung im Zielland beanspruchen können. Auch dort werden die Standards beschrieben, die bei uns ohnehin gelten. In erster Linie wendet sich Ziel 15 an die Schwellenländer Asiens und des Mittleren Ostens, in denen Arbeitsmigranten unter erbärmlichen Bedingungen beschäftigt werden.

Viele Kritiker glauben nicht, dass der Migrationspakt rechtlich nicht bindend sein soll. Er komme "verdächtig unverbindlich" daher, schreibt etwa die "Neue Zürcher Zeitung". Ist das normal für solche Abkommen?

Das ist der normale Weg, wenn man ein internationales Regelwerk einleiten will. Man fängt mit gemeinsamen Erklärungen an, schließt dann einen noch unverbindlichen Pakt über Ziele und Wege ab und bewegt sich schließlich in Richtung verbindlicher Regelungen und Absprachen zu Teilbereichen.

Wie verbindlich oder unverbindlich ist der Pakt?

Der Pakt ist einerseits rechtlich unverbindlich, andererseits enthält er schon viele inhaltliche Festlegungen, von denen abzuweichen später schwierig werden wird und wo es jeweils einer besonderen Begründung und der Ausübung politischen Drucks seitens der Bundesregierung bedarf. Das ist bei den meisten Regelungen allerdings für Deutschland nicht problematisch, abgesehen von einigen Ausnahmen, wie etwa den Empfehlungen in Sachen Staatsbürgerschaft für Migrantenkinder.

Unter normalen Umständen wäre die Frage der Verbindlichkeit oder Unverbindlichkeit derartiger Bestimmungen im Pakt aber kein Thema, weil die Bundesregierung die Freiheit hat, später bei der Schaffung rechtsverbindlicher Vereinbarungen zu Einzelthemen Positionen des Paktes in Frage zu stellen. Aber nach den katastrophalen Fehlern der Bundesregierung im Umgang mit der Flüchtlingskrise vom Herbst 2015 ist das Vertrauen in ihre Kompetenz im Bereich der Migrationspolitik massiv eingebrochen und wird auch dadurch nicht gestärkt, dass die Bundeskanzlerin immer wieder betont, dass damals keine Fehler begangen worden sind. Deshalb haben wir auch diese strittige und teilweise überkandidelte Diskussion zum Migrationspakt.

Die USA machen nicht mit, Australien, Österreich und eine Reihe anderer Länder auch nicht. Was würde passieren, wenn Deutschland dem Migrationspakt nicht zustimmt?

Erst einmal gar nichts. Der Pakt wird bestehen bleiben und weitere Abkommen werden verhandelt, an denen wir uns dann bestenfalls als Beobachter beteiligen können.

In Punkt 17 des Paktes wird die Einstellung der staatlichen Finanzierung von Medien gefordert, die systematisch Rassismus fördern. Die AfD versteht das als Aufruf zur Zensur. Ist da was dran?

Wenn die AfD darauf besteht, dass in den öffentlich-rechtlichen Medien rassistische Aussagen gemacht werden dürfen oder sollen, dann wäre das in der Tat ein Aufruf zu einer Zensur – aber auch nicht mehr als ein Aufruf. Ansonsten gelten die deutschen Gesetze und das Grundgesetz.

Warum gibt es überhaupt Verweise auf die Rolle der Medien in diesem Pakt?

Diese Verweise sind Teil des Zielkomplexes "Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung von Migration", ein insgesamt schwer verdaulicher und ideologisch überfrachteter Text, der im Kern Migranten vor rassistischer Gewalt schützen soll. Meines Erachtens hätte man das knapper formulieren können.

Mit Joachim Krause sprach Hubertus Volmer

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