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Politik - 01.11.2018

Der Merz-Zug rollt: Dieser Plan könnte funktionieren

Das Interesse an Merz ist überwältigend – die Botschaften sind noch schmal.

Von Hubertus Volmer


Inhaltlich bietet Friedrich Merz bislang nicht viel – schon gar nichts, was ihn dramatisch von seinen Mitbewerbern unterscheidet. Doch strategisch ist er im Vorteil. Im Gegensatz zu Spahn und Kramp-Karrenbauer ist er eine Projektionsfläche.

"Die 90er haben gerade hier angerufen", twitterte ein Vorstandsmitglied der Jungen Union, nachdem bekannt wurde, dass der CDU-Politiker Friedrich Merz in der Bundespressekonferenz auftreten würde. "Sie wollen ihre Medienstrategie zurück". Offenbar ist nicht jeder in der CDU glücklich mit dem Comeback von Friedrich Merz. Und in der Tat ist die Medienstrategie des einstigen Unionsfraktionschefs, dessen bisheriger politischer Karrierehöhepunkt mehr als 15 Jahre zurück liegt, leicht zu durchschauen.

Zu Wochenbeginn ließ er sein "Umfeld" verbreiten, er wolle sich für den CDU-Vorsitz bewerben. Einen Tag später gab er die Kandidatur in einer dürren Pressemitteilung bekannt, trat öffentlich aber nicht auf. Und heute dann eine nur 20-minütige Pressekonferenz. In den kommenden Tagen dürfte Merz sich noch rarmachen – und mit Beginn der kommenden Woche mit Interviews und Auftritten seinen Wahlkampf starten. So simpel dieses Vorgehen ist – der Plan könnte aufgehen.

Sparsam mit Inhalten

Nicht wenige fühlten sich in den vergangenen Tagen an den berüchtigten Schulz-Zug des SPD-Kanzlerkandidaten erinnert, der im vergangenen Jahr erst Fahrt aufnahm und dann spektakulär entgleiste. Einige lästern schon vom "Merz-Zug" und meinen damit wohl, dem 62-Jährigen werde ähnliches widerfahren.

Das ist möglich, aber nicht wahrscheinlich. Merz hat den Vorteil, dass er Schulz' Schicksal vor Augen hat. Er wird wissen, dass er liefern muss, um im Gespräch zu bleiben. Mit Inhalten hat er sich bisher zurückgehalten. Am Montag kam gar nichts, seine Erklärung vom Dienstag war nichtssagend, am Mittwoch sagte er zwar, die Politik dürfe die Menschen "nicht mit Floskeln abspeisen". Aber vor den Journalisten tat er überwiegend genau das. Er sprach von der CDU als Volkspartei der Mitte, die sich um den Zusammenhalt der Gesellschaft bemühe. "Migration, Globalisierung, Klimawandel, Digitalisierung – das sind aus meiner Sicht die größten Herausforderungen unserer Zeit." Ach ja?

Wie ein Aufruf, die Merkel-CDU zu entsorgen

Aber Merz muss gar nicht viel konkreter werden, sein altes Image hat – ob zu Recht oder zu Unrecht – noch Bestand. Für viele innerhalb und außerhalb der Union blieb er stets ein Gegenstück zu Angela Merkel: kantig und klar in der Kommunikation. Die wenigen konkreten Botschaften, die er am Mittwoch hatte, klangen denn auch alle so, wie man sich Merz vorstellt: wirtschaftsliberal und konservativ, ein bisschen kühl und alles andere als sozialdemokratisch. Gerade in Zeiten der Globalisierung müssten "nationale Identität und traditionelle Werte einen festen Platz in unserem Denken und Handeln haben".

Über seine sozialpolitischen Vorstellungen sagte er, ein Sozialstaat könne nur das ausgeben, was die Volkswirtschaft verdiene. Er kritisierte die Nullzinspolitik der Zentralbanken und sagte, er wolle einen Beitrag dazu leisten, dass die Zahl der Aktionäre in Deutschland steigt. Nichts davon ist für die CDU eine Zumutung, das meiste könnte die amtierende Parteichefin unterschreiben. Von Merz jedoch klang es wie ein Aufruf, die alte Merkel-CDU zu entsorgen.

Merz hat "Meinungen"

Die größte europäische Herausforderung nannte es Merz, "die Eurozone zusammenzuhalten". Er habe dazu "Meinungen" und werde sich in den nächsten Wochen "noch sehr dezidiert äußern". Wenn er dies dann tut, kann er sicher sein, dass die Medien seine Worte verbreiten. Denn das ist sein zentraler strategischer Vorteil: Er ist bekannt und zugleich ein Neuling.

Seine Mitbewerber Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn waren spannend, solange sie noch gegen Merkel standen. Jetzt stiehlt Merz ihnen die Show. Wie Martin Schulz ist er eine Projektionsfläche für Wünsche und Hoffnungen – mit dem Vorteil, dass sein innerparteilicher Wahlkampf nur wenige Wochen dauert. Bis Merz sich verschlissen hat, ist er längst zum CDU-Vorsitzenden gewählt worden.

Kurz nach Merz' Auftritt in der Bundespressekonferenz erschien auf der Internetseite der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Gastbeitrag von Jens Spahn, in dem er seine Vorstellungen über die künftige CDU darlegt – hinter einer Paywall. Kann sein, dass Merz' Medienstrategie alt und durchschaubar ist. Aber im Moment funktioniert sie.

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