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Kultur - 05.11.2018

TV-Tipp: Der Mordanschlag

Die RAF-Terroristen der sogenannten dritten Generation sind deutlich weniger bekannt als die prominenten Gründer. Das ZDF erzählt nun eine Geschichte aus dieser Zeit – fiktiv und doch immer wieder nah an der Realität.

Kawert (Maximilian Brückner, vorne M.) ermittelt am Tatort des Anschlages auf den Bankier Albert Wegner. Foto: Gordon Muehle/ZDF

Ensslin, Baader, Meinhof: Wer an den Terror der Roten Armee Fraktion (

RAF) denkt, dem kommen in der Regel diese drei Namen in den Sinn. Unter der Führung dieses Trios versetzte die RAF die Bundesrepublik der 1970er Jahre mit blutigen Anschlägen in Angst und Schrecken.

Doch mit dem Tod der drei Schlüsselfiguren endete die Gewalt nicht. Noch bis in die 90er Jahre verübten Mitglieder der RAF in zweiter und dritter Generation Morde an ihnen verhassten Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Um einen davon geht es in dem ZDF-Zweiteiler «Der

Mordanschlag» (5. und 7. November, 20.15 Uhr): das Attentat auf Detlev Karsten Rohwedder, den Präsidenten der Treuhandanstalt, im Jahr 1991.

Auf

Rohwedder hatten es damals so ziemlich alle Interessensgruppen abgesehen. Seine Behörde war von 1990 bis 1995 damit beauftragt, die DDR-Wirtschaft in die Marktwirtschaft zu führen und Betriebe stillzulegen, die den Übergang nicht bewältigen. Als erster Chef der Treuhand wurde Rohwedder damit zur Zielscheibe der RAF, die in ihm einen typischen Repräsentanten des Kapitalismus sah. Zudem fiel er bei Teilen der DDR-Bevölkerung in Ungnade und geriet in Konflikt mit westdeutschen Unternehmen, die Konkurrenz im Osten fürchteten. 1991 wurde Rohwedder in seinem Haus von einem Scharfschützen getötet. Die RAF bekannte sich, die Ausführenden wurden jedoch nie ermittelt.

An diesen Ereignissen orientiert sich der ZDF-Film, die Geschichte ist aber fiktiv. Der Treuhand-Chef heißt hier Hans-Georg Dahlmann und wird gespielt von Ulrich Tukur. Er bekommt mit Sandra Wellmann (Petra Schmidt-Schaller) eine neue Assistentin – nicht ahnend, dass die junge Frau Mitglied der RAF in dritter Generation ist und bei Dahlmann eingeschleust wurde, um der Terroristin Bettina Pohlheim (Jenny Schily) Insider-Wissen zu liefern. Wellmann entwickelt jedoch Sympathien für ihren Chef, bekommt zunehmend Gewissensbisse – und wird plötzlich zur meistgesuchten Terroristin Deutschlands.

Der Regisseur Miguel Alexandre («Die Frau vom Checkpoint Charlie», «Der Mann mit dem Fagott») inszeniert einen spannenden Thriller, der von Umbruch und Sinnsuche in einer neuen Weltordnung erzählt. Schmidt-Schaller spielt ihre Sandra Wellmann mit der Zerrissenheit einer jungen Frau, die zwischen ihren Rollen als Mutter, als Revoluzzerin und als rechte Hand eines Mannes schwankt, den sie bewundert und der doch gleichzeitig für ein System steht, das sie verachtet. Jenny Schilys Bettina Pohlheim führt ihren Feldzug noch verbissener und entschlossener – lässt aber zwischendurch immer wieder eine tiefe Verunsicherung aufblitzen.

«Das Spannende an dieser fiktiven Figur Bettina Pohlheim sind ihre zwei Seiten: Einerseits ist sie gewaltbereit und gewalttätig, voller radikalisierter Verblendung. Auf der anderen Seite ist sie auch getrieben und verloren, sie lebt wahrscheinlich seit Jahren im Untergrund, einsam und aus der Zeit gefallen», sagte Schily der Deutschen Presse-Agentur in München. Sie versuche sich die Nöte der ostdeutschen Arbeiter auf die Fahnen zu schreiben – «aber letzten Endes interessiert sich zu dem Zeitpunkt keiner für die RAF».

Schily hat als Tochter des Rechtsanwalts und Politikers Otto Schily (SPD) einen persönlichen Bezug zum Thema. Ihr Vater vertrat ab 1968 die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin – erstmals wegen der Kaufhaus-Brandstiftungen am 2. April 1968. Die 51-Jährige habe jedoch keine konkreten Erinnerungen an diese Zeit. «Das war ja die erste Generation der RAF, und ich war damals noch ein Kind», erklärte Schily. «Ich habe das emotional mitbekommen, aber auch nur sehr diffus.»

Interessiert habe sie an dem Projekt «Der Mordanschlag» vor allem das Motiv des Umbruchs: «In so einer Zeit liegt ja immer eine Chance auf Veränderung, auch auf Verbesserung möglicherweise, und gleichzeitig gibt es eine große Orientierungslosigkeit.»

Um dem Publikum die Ungewissheiten und Turbulenzen der Zeit zu veranschaulichen, setzt Regisseur Alexandre auf eindringliche Dialoge und immer wieder auch actionreiche Szenen. So kommt es in dem Zweiteiler gleich mehrfach zu Verfolgungsjagden zwischen RAF-Mitgliedern und der Polizei – etwa nach den tödlichen Schüssen auf den fiktiven Treuhand-Chef Dahlmann, der in seinem Büro vor den Augen seiner Frau zu Boden geht. Oder wenn sich Bettina Pohlmanns Komplize (Christoph Bach) nur haarscharf vor der Verhaftung rettet. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wer schoss wirklich auf Dahlmann?

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