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Kultur - 22.10.2018

Der Magnet: Bei diesem Thriller gefriert in aller Ruhe das Blut in den Adern

Die Therme Vals, das vor allem auch durch seinen Architekten berühmt gewordene Heilbad in der Schweiz, eignet sich bestens als Schauplatz eines Krimis. Der französische Autor und Zeichner Lucas Harari lässt dort Menschen verschwinden.

Tatort Therme Vals: Der faszinierende Bau im schweizerischen Graubünden eignet sich hervorragend für einen Thriller

Pierre steckt gerade fest. Die Abschlussarbeit seines Architekturstudiums hat er zwar geschrieben, aber nicht abgegeben. Er braucht etwas Anderes in seinem Leben, Ablenkung, ein Abenteuer und er ahnt, dass es genau in dem Bauwerk auf ihn lauern könnte, mit dem er sich zuletzt so intensiv beschäftigt hat: die Therme Vals. Pierre macht sich also von Paris auf nach Graubünden in der Schweiz und versucht, das Meisterstück des berühmten Schweizer Architekten Peter Zumthor von innen zu verstehen. Doch dabei scheint ihm entweder der Bau einen Streich zu spielen oder sein Gehirn, denn Pierre steht offenbar auch ein bisschen neben sich.

Hat die Therme in Vals ein Eigenleben und lässt Menschen verschwinden? Lucas Harari macht das architektonische Meisterwerk von Peter Zumthor in „Der Magnet“ zum Hauptverdächtigen – und für den Protagonisten Pierre zu einem wahren Spukschloss.

Auf dem Weg nach Vals lernt Pierre den Bergbauern Christian kennen, der in unmittelbarer Nähe der

Therme aufgewachsen ist und noch immer dort lebt. Er erzählt ihm von einer Legende rund um die Quelle, die besagt, dass der Berg alle 100 Jahre einen Fremden anlocke (bzw. anziehe, um in der Magneten-Bildwelt zu bleiben) und verschlinge. Und damit ist der Plot für den Thriller bestätigt: Der wesensveränderte Pierre ließ sein altes Leben zurück und MUSSTE nach Vals. Alles klar, der Berg hat gerufen.

Lucas Harari, Autor und Illustrator von „Der Magnet“. Harari wurde 1990 in Paris geboren, begann dort ein Architekturstudium, wechselte dann aber auf die Fachhochschule Paris, um Kunstdruck zu studieren. „Der Magnet“ ist seine erste Graphic Novel.

Die Therme Vals hat es in sich

Dass Lucas Harari sich in seiner ersten Graphic Novel intensiv mit einem „Klassiker“ der Architektur auseinandersetzt,

Peter Zumthors Bau wurde 1996 eröffnet und steht seit 1998 unter Denkmalschutz, hängt wohl mit seiner eigenen Vergangenheit zusammen: Genau wie sein Protagonist Pierre hat er sein Architekturstudium abgebrochen. Und Zumthors Konstruktion ist durchaus ein eigenes Studium wert: Die Therme besteht aus 15 Würfeln, die wiederum in mehreren Schichten aufgehen und deren Dachplatten mit einer Grasfläche bepflanzt sind. Von oben ist das Kurbad fast unsichtbar – gäbe es nicht geometrisch angeordnete Lichtfugen und eine künstliche „Bepflanzung“ mit Glockenblumenlampen.

Pierre hält seine Eindrücke vom Inneren der Therme mit Zeichnungen in einem Notizbuch fest, das er mit sich von Raum zu Raum, von Wasserbecken zu Wasserbecken trägt. Doch trotz seiner Aufzeichnungen ist er verwirrt: Wo eben noch eine Tür war, ist plötzlich keine mehr. Wirre Erlebnisse und Begegnungen erhärten Pierres Verdacht, dass der Berg und seine Quelle ein Geheimnis hüten.

„Der Magnet“ von Lucas Harari, Edition Moderne Zürich, 144 Seiten, 32 Euro inkl. Versand, hier bestellbar

Klare Linien – im Comic wie in der Architektur

Harari braucht nicht viele Worte, um die Geschichte(n) von „Der Magnet“ zu erzählen. Seine Zeichnungen sprechen eine eigene Sprache und wirken zum Teil wie die Slow-Motion-Fahrt einer Kamera. Was langweilig klingen mag, ist das ganze Gegenteil: Gierig blättert man weiter, weil der Spannungsbogen keine Unterbrechung zulässt. Der Zeichner wählt die Strichführung der „klaren Linie“, da man seine Bilder nicht betrachten, sondern lesen soll – je unverschnörkelter die Zeichnung, desto flüssiger die Lektüre. Auch farblich beschränkt sich Harari: Schwarz, Weiß, Blau und Rot müssen reichen – dürfen aber durchaus gemischt werden.

Wie bei einem spannenden Kriminalfall tun sich in der Graphic Novel mehrere Wege auf, die eine Spur zu bilden scheinen. Doch wonach Pierre letztendlich sucht, muss wohl jeder Leser für sich selbst beantworten. „Ein architektonisches Meisterwerk ist ein Ort, der seine eigenen emotionalen, sensorischen und räumlichen Regeln vorschreibt“, hat Harari mal gesagt. Das Gleiche gilt für sein Erstlingswerk.

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