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Deutschland - 15.11.2018

Warum Deutschland mit China hadert

Der Menschenrechtsdialog wird schwieriger, die Wirtschaftsbeziehungen stagnieren. Für einen selbstbewussten Umgang Berlins mit Peking braucht es strategische Investitionen in Zukunftstechnologien.

Der deutsche Bundesaußenminister war gerade erst in Peking angekommen, als er einen Satz äußerte, der seinen gesamten Antrittsbesuchs in der Volksrepublik China bestimmen sollte: „Mit Umerziehungslagern können wir uns nicht abfinden“, sagte Heiko Maas.

Bei seinem chinesischen Kollegen Wang Yi stieß Maas mit seiner Kritik auf Unverständnis: „Das sind interne Angelegenheiten Chinas”, wies der chinesische Außenminister die Kritik des deutschen Besuchs zurück. In Berlin hatte es erst vor kurzem zwischen der chinesischen Botschaft und Bundesregierung Verstimmungen über eine Debatte des Bundestags zur Lage in Xinjiang gegeben. 

Bislang waren Deutschlands Regierungsvertreter gern gesehene Gäste in der Volksrepublik. Maas ist bereits das dritte Kabinettsmitglied, dass in diesem Jahr die China bereiste. Erst vor wenigen Wochen war Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu Besuch.

Zum ersten Mal reiste Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Oktober nach China

Die Bundeskanzlerin flog Anfang des Jahres bereits zum elften Mal in ihrer zwölfjährigen Amtszeit in die Volksrepublik – unter einem Trugschluss, meint der Politikwissenschaftler Thorsten Benner: „Die deutsche China-Politik hatte traditionell drei Lebenslügen”, sagt der Direktor des Berliner Global Policy Instituts.

Das Ende von „Wandel durch Handel“?

Zum einen habe sich die Prämisse „Wandel durch Handel” nicht bewahrheitet. Nämlich die Hoffnung, dass sich die kommunistisch regierte Volksrepublik durch eine marktwirtschaftliche Öffnung demokratisieren ließe. Zweitens seien Deutschland und China nicht mehr sich ergänzende Handelspartner, sondern längst auch Konkurrenten in einigen Branchen. Drittens habe man geglaubt, sagt Benner, „wenn wir sehr enge bilaterale Beziehungen mit China pflegen, dass das auch gut ist für eine gemeinsame europäische China-Politik.”

Für Benner zeichnet sich nun ein Sinneswandel zwischen den Handelspartnern ab: „Da hat ein Umdenken stattgefunden.” Chinesische Projekte wie die „Belt and Road Initiative”, mit der China Infrastrukturen in der Tradition der historischen Seidenstraße aufbauen will, würden mittlerweile in Deutschland und Europa kritisch gesehen: „Weil sich China durch große Infrastrukturinvestitionen in Ländern wie Griechenland oder auf dem Balkan politischen Einfluss erkauft.”

Während die deutsche Regierung im Sommer noch den Einstieg eines chinesischen Staatsunternehmens auf einen deutschen Stromnetzsbetreiber verhinderte, könnte Chinas wachsender Einfluss auf Deutschlands Infrastruktur an anderer Stelle unlängst bevorstehen: Bei der für 2019 geplanten Versteigerung von Frequenzlizenzen für die 5G-Datenübertragung befürchten Sicherheitsexperten die Beteiligung des chinesischen Konzerns Huawei, dem enge Beziehungen zur chinesischen Regierung nachgesagt werden.

Hält Deutschland am 5G-Netzausbau mit Chinas Huawei fest?

Die USA und Australien haben Huaweis Beteiligung an ihrem Netzausbau blockiert. „Eine konkrete gesetzliche Grundlage mit der Rechtsfolge des kompletten oder teilweisen Ausschlusses eines bestimmten Anbieters vom 5G-Ausbau in Deutschland existiert nicht und ist nicht geplant”, zitiert die Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“ eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage von Katharina Dröge, Sprecherin der Grünen im Bundestag für Wettbewerbs- und Handelspolitik.

Das liegt auch daran, dass in Deutschland und Europa die Debatte über technologische Souveränität gerade erst entfacht. „Wir haben bislang nicht über unser Telekommunikationsnetz als kritische Infrastruktur nachgedacht“, sagt Benner. „Und was es heißt, die Sicherheit dieser kritischen Infrastruktur herzustellen.”

Doch die Bundesregierung scheint erkannt zu haben, dass Investitionen in Zukunftstechnologien essentiell für den Umgang mit China sind, etwa bei Künstlicher Intelligenz . „Deutschland und Europa müssen in Zukunft führender Standort für Künstliche Intelligenz sein“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich einer Kabinettsklausur zur Digitalstrategie Deutschlands. Ein drei Milliarden Euro schweres Investitionspaket etwa soll Deutschland helfen, die Innovationslücke aufzuholen und sich strategisch zu positionieren. „Davon hängt ganz wesentlich unser künftiger Wohlstand ab und die Frage, ob und wie wir unsere europäischen Werte von der Würde jedes einzelnen Menschen und dem Schutz der Privatsphäre auch im digitalen Zeitalter verteidigen können.“

In Brüssel begrüßt man diesen Schritt. Für Sicherheitsexperten ist KI schon lange mehr als nur eine Zukunftstechnologie. „Es ist ein strategisches Instrument”, sagt Daniel Fiott vom EU-Instituts für Sicherheitsstudien (EU-ISS). Ähnlich wie Benzin oder Elektrizität seinerzeit sei KI eine Errungenschaft, die nicht nur die Industrie, sondern auch Sicherheits- und Verteidigungspolitik verändern werde. „Es ist ein kritischer Moment, in dem wir über die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz für die Europäische Verteidigungspolitik nachdenken müssen.”

Die Wettbewerbsfähigkeit mit China und der strategische Einsatz von Technologien ist für die deutsche und europäische Sicherheitspolitik bedeutend, sie ist auch Teil eines generellen Wandels des Verständnisses von Außenpolitik. Internationale Politik wird schon seit langem nicht nur im analogen Raum bestritten.

„Es geht um die Technologie, aber auch um die Frage, wer setzt die Standards?”, sagt Thorsten Benner. „Wir befinden uns in einem Wettbewerb zwischen liberaler und sozialer Demokratie und Marktwirtschaft mit einem Hightech-autoritären Staatskapitalismus chinesischer Prägung.”

Deutschland will mit China im Weltsicherheitsrat kooperieren

Deutschland braucht eine gute Verhandlungsposition, wenn es sich im globalen Wettbewerb behaupten will. 

Gerade in Zusammenarbeit mit China hat Außenminister Heiko Maas viel vor. „Wenn wir neue Rüstungswettläufe verhindern wollen, dann brauchen wir mehr und nicht weniger Regeln. Nicht nur in Europa, sondern auch global“, sagte Maas nach Gesprächen mit Vizepräsident Wang Qishan und Amtskollege Wang Yi. Das betreffe sowohl Bemühungen einen Ausstiegs der USA aus dem Vertrag mit Russland zur Abrüstung bei atomaren Mittelstreckenwaffen (INF) zu verhindern, aber auch Diskussionen über die Reglementierung neuer Waffensysteme – auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz und Robotik.

„Insofern war das jetzt anstrengend, aber das war ein wichtiger Besuch”, zieht Außenminister Heiko Maas in einer Videobotschaft noch während seinem Rückflug aus Peking Bilanz.

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„China wird in Zukunft wichtiger werden und wir müssen einen guten Draht dahin haben.” Für diesen Draht darf Deutschland aber eben nicht den Anschluss an neue Technologien verpassen.

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