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Deutschland - 18.12.2018

Sicherheitsorgane mit Verbindungen zum Rechtsextremismus

Der Verdacht gegen Polizisten in Frankfurt ist kein Einzelfall: NSU, Ku-Klux-Klan, „Gruppe Freital“ – immer wieder werden Kontakte von Behördenmitarbeitern zur rechtsextremen Szene geprüft. Einige Fälle sind bestätigt.

Polizisten geben sich Namen von Rechtsterroristen des NSU

Skandal beim Landeskriminalamts Sachsen (LKA): Im Vorfeld des Deutschlandbesuchs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im September 2018 waren zwei Beamte des LKA für den Großeinsatz beim Besuch in Berlin ausgewählt worden. In die entsprechende Einsatzliste hatten sich die beiden unter dem Namen eines Rechtsterroristen eingetragen: Uwe Böhnhardt aus der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU).

Die Gruppe um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe hatte zwischen 2000 und 2007 bundesweit neun Geschäftsleute mit Migrationshintergrund und eine Polizistin ermordet und 43 Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle verübt. Der NSU flog auf, als Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos 2011 erschossen aufgefunden wurden. Im Sommer 2018 wurden Beate Zschäpe und weitere Hauptverdächtige zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Wie viele Personen genau an den Taten beteiligt waren, ist bis heute unbekannt.

Die Folge für die sächsischen Polizisten: Ihnen wurde die Ausführung der Dienstgeschäfte untersagt. Ein Disziplinarverfahren wurde eingeleitet mit dem Ziel, sie aus dem Dienst zu entfernen.

Beate Zschäpe (r.) im Gerichtssaal: Zschäpe zählte zur den Hauptverantwortlichen des NSU

Der Fall des Bundeswehrsoldaten Franco A.

Ein rechtsextremer Soldat der Bundeswehr führte monatelang ein Doppelleben und gab sich als syrischer Bürgerkriegsflüchtling aus. Franco A. hatte erfolgreich einen Asylantrag gestellt. Der Offizier flog erst auf, als er im Februar 2017 mit einer illegal beschafften Pistole am Flughafen Wien erwischt wurde. Im Zuge der Ermittlungen gegen ihn tauchte eine Liste mit Namen von bekannten Politikern und Prominenten auf. Die Ermittler vermuten, dass Franco A. Anschläge geplant hatte. Die Bundesanwaltschaft erhob im Dezember 2017 Anklage wegen des Verdachts auf Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz und Betrugs.

Besonders pikant: Franco A. war schon zuvor bei der Bundeswehr mit einer rechtsradikalen Abschlussarbeit aufgefallen. Dies war ohne Konsequenzen geblieben. Weil das Frankfurter Oberlandesgericht, wo der Fall ursprünglich verhandelt werden sollte, keinen hinreichenden Tatverdacht erkennen konnte, muss sich Franco A. seit dem Sommer 2018 vor dem Landgericht Darmstadt verantworten.Bei der Suche nach möglichen Helfern des rechtsextremen Bundeswehrsoldaten breitete sich vor den Ermittlern ein ganzes Netzwerk von Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretikern aus, die sich über verschiedene Chatgruppen austauschten. Unter anderem ist ein Oberstleutnant des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) wegen Geheimnisverrats angeklagt. Er soll Verdächtige aus dem Dunstkreis von Franco A. vor Ermittlungen gewarnt haben. Das Verfahren wird vor dem Amtsgericht Köln geführt.

Verfassungsschutzkontakt zur „Gruppe Freital“

Der sächsische Verfassungsschutz hatte Kontakt zur mutmaßlich rechtsterroristischen „Gruppe Freital“ – vor einem Anschlag. Das gab die sächsische Staatsregierung im November 2016 zu. Mitglieder der „Gruppe Freital“ wurden beschuldigt, eine rechtsterroristische Vereinigung gebildet und mehrere Sprengstoffanschläge vor allem gegen Flüchtlingsunterkünfte verübt zu haben.

Prozess gegen die Gruppe Freital: Die Angeklagten sitzen in der JVA in Dresden

Sieben Männer und eine Frau mussten sich vor Gericht unter anderem wegen versuchten Mordes verantworten. Im März 2018 erging das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden (OLG). Dessen Richter werteten die Taten der Männer und Frauen als Terror und versuchten Mord und verhängten lange Haftstrafen gegen die acht Angeklagten. In sechs Fällen beantragten die Anwälte der Verurteilten Revision.

Die Behörden in Sachsen waren auch deswegen alarmiert, weil zeitgleich zwei weitere Fälle den Freistaat erschütterten. Kurz vor dem Prozess war bekannt geworden, dass ein sächsischer Polizist vom Dienst suspendiert worden war. Der Beamte aus Leipzig hatte sich regelmäßig mit Mitgliedern der Neonazi-Szene ausgetauscht und interne Informationen, wie geheime Einsatzpläne, weitergegeben. Während der Prozess lief, wurde zudem bekannt, dass die sächsische Polizei auf die Sitze ihrer neuen Panzerwagen „Survivor R“-Runen hatte sticken lassen. Diese erinnern in ihrer Ästhetik stark an den Nationalsozialismus. Nach heftiger Kritik entschloss sich das Landeskriminalamt, die Runen entfernen zu lassen.

Frakturschrift in den Panzerwagen der Polizei Sachsen

Der V-Mann „Corelli“ und der NSU

Der Neonazi Thomas R. hatte jahrelang für das Bundesamt für Verfassungsschutz die rechtsextreme Szene in Sachsen und Sachsen-Anhalt ausspioniert. Unter dem Decknamen „Corelli“ betrieb er Internet-Seiten, um die Szene zu vernetzen, half neonazistischen Medienprojekten mit Serverplatz, berichtete mit Fotos von zahlreichen Aufmärschen und mischte bei mehreren rechtsextremen Organisationen mit. Außerdem baute er ein internes Forum für Neonazis auf und hatte mutmaßlich auch Kontakt zur NSU-Terrorgruppe. So taucht sein Name auf einer Telefonliste von Uwe Mundlos auf, die Ermittler 1998 in Jena fanden. Als „Corelli“ im September 2012 enttarnt wurde, kam er in ein Betreuungsprogramm für Ex-Spitzel. Im April 2014 starb der 38-Jährige nach offiziellen Angaben an einem Zuckerschock infolge einer unerkannten Diabetes-Erkrankung. Nach und nach kam heraus, dass beim Bundesamt für Verfassungsschutz jahrelang SIM-Karten und Handys des V-Manns lagen, ohne dass diese ausgewertet wurden.

Ku-Klux-Klan in Baden-Württemberg

Im April 2007 wurde in Heilbronn die junge Polizistin Michele Kiesewetter erschossen, die Tat wurde später dem NSU zugerechnet. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus: Zwei Kollegen der Getöteten hatten Verbindungen zum rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan (KKK), einer der beiden war der Vorgesetzte von Kiesewetter. Der Geheimbund zählt in den Vereinigten Staaten heute bis zu 8000 Mitglieder. Der Bund knüpfte aus den USA auch Kontakte zu Rechtsextremisten in Deutschland. Die beiden Polizisten gehörten nach Angaben des Innenministeriums in Baden-Württemberg der Gruppierung „European White Knights of KKK“ an.

Ku-Klux-Klan in den USA: Mitglieder des Klans nehmen an einer Zeremonie in Virgina teil

Einer der beiden heute 38 und 48 Jahre alten Männer war laut Innenministerium per Ritterschlag in die KKK-Sektion aufgenommen worden. Die Sektion hatte Anfang der 2000er Jahre rund 20 Mitglieder. Für die Polizisten hatte ihre Klan-Mitgliedschaft kaum Konsequenzen. Die Beiden kamen mit einer denkbar milden Rüge davon. Der Grund: Die Disziplinarverfahren begannen erst spät und verliefen dann so langwierig und zäh, dass Verjährungsfristen abgelaufen waren.

Zusätzlich brisant: Der Gründer der Sektion, Achim S., war als V-Mann des Verfassungsschutzes aktiv, er bespitzelte die rechtsextreme Szene. Seine KKK-Aktivitäten verschwieg er. Erst Monate später merkte das auch der Verfassungsschutz. Die Behörde zog die Notbremse und schaltete Achim S. als V-Mann ab. Noch gut zwei Jahre lang blieb die Klan-Gruppe aktiv, 2003 zerfiel sie.

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