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Deutschland - 24.05.2019

Rezo gegen die CDU: Jugend forsch im Netz

Ein Youtuber greift die CDU an, sein Video wird millionenfach geklickt. Wie reagiert Merkels Partei? Sie zögert, dreht ein Gegenvideo – und veröffentlicht es nicht. Bringt die digitale Generation die CDU in Bedrängnis?

Wen interessiert schon die Europawahl? Die Fernsehduelle und Sondersendungen dazu erreichten im deutschen Fernsehen nur jeweils etwa zwei Millionen Zuschauer, weniger als halb so viel wie die Nachrichtensendungen davor. Und das trotz Spitzenkandidaten, bunter Studiokulissen und aufwändiger Einspielfilme. 

Kein Interesse also an Politik in Wahlkampfzeiten? Doch. Das beweist „Die Zerstörung der CDU“ – ein Video des 26-jährigen Informatikers, Musikers und Youtubers, der sich selbst Rezo nennt. Mehr als fünf Millionen Mal wurde seine Abrechnung mit Angela Merkels Partei, ihrer Klima-, Bildungs-, Außen-, eigentlich ihrer gesamten Politik, seit der Veröffentlichung am vergangenen Samstag geklickt.

Ey, Kriegsverbrechen, Diggi!

Ein junger Mann sitzt vor seinem Rechner, redet so, wie viele junge Menschen reden – „ey, Diggi“  statt „liebe Nutzer“ und „wusa, wusa“ statt „entspann Dich“. Er zeigt Fakten, Zitate und Statistiken aus dem Internet. Rezo spitzt zu, haut da drauf, wo es weh tut. In der Regierungszeit der CDU ist die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergegangen, sagt er. Die CDU tue nicht genug gegen den Klimawandel. Und sie stelle sich nicht gegen Kriegsverbrechen der USA. So drängt Rezo, bislang nicht als politischer Aktivist bekannt, die CDU argumentativ an die Wand. „Zerstören“ nennt man sowas auf Youtube.

„Also erstmal finde ich es gut, wenn sich junge Menschen stärker für Politik interessieren und dazu leistet dieses Video sicherlich einen Beitrag“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete und Digitalexperte Thomas Jarzombek im Gespräch mit der DW. Gute Mine zum bösen Video? Als einer von wenigen innerhalb seiner Partei hat Jarzombek zumindest früh die Bereitschaft zum Dialog mit Rezo signalisiert.

Wahlkreishüpfer ohne Youtube-Kanal

„Was wir daran nicht gut finden ist, dass es sehr einseitig ist und hier ausschließlich die CDU behandelt wird“, so Jarzombek weiter. „Man kann bei einer Reihe von Dingen, die dargestellt werden auch ganz anderer Meinung sein.“ Jarzombek räumt ein, dass seine Partei noch Nachholbedarf hat, wenn es darum geht, junge Menschen mit Neuen Medien zu erreichen.

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„Das lernen gerade auch viele in unserer Partei, dass solche Beiträge sehr große Reichweiten erreichen, teilweise größer als klassische Nachrichten-Formate wie die Tagesthemen.“ Deshalb müsse man neue Schwerpunkte setzen, sagt Jarzombek. „Ich sehe viele Abgeordnete, die am Wochenende fleißig unterwegs sind und von einem Wahlkreistermin zum nächsten hüpfen. Da sprechen sie dann mit ein paar Leuten, während gleichzeitig im Internet noch eine sehr, sehr große Zielgruppe ist, die wir jedenfalls viel stärker bespielen müssen als das bisher der Fall gewesen ist.“

Im Konrad-Adenauer-Haus, der Zentrale der CDU in Berlin, hat man mit einer offiziellen Antwort auf Rezos Video tagelang gewartet. Am Mittwoch hatte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak Rezo dann in Interviews eine „Vermischung von Pseudofakten“ vorgeworfen. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte: „Ich habe mich gefragt, warum wir nicht eigentlich auch noch verantwortlich sind für die sieben Plagen, die es damals in Ägypten gab.“

Video für die Tonne

Zur gleichen Zeit arbeitete man bei der CDU an einer Video-Antwort, die in Stil und Aufmachung Rezos Video gleichen sollte. Dafür durfte der jüngste Bundestagsabgeordnete der CDU, Philipp Amthor, 26 Jahre alt, einen Tag lang vor Kameras auf die Vorwürfe des Youtubers reagieren. „Klasse“ fand Amthor den Clip, der in den Kulissen eines Chemielabors gedreht wurde. Die standen noch rum von einem Wahlwerbespot, den die CDU kurz zuvor veröffentlicht hatte.

Wie reagieren auf Rezo? Paul Ziemiak und Annegret Kramp-Karrenbauer haben lange gezögert

Dann jedoch beschloss die CDU-Führung, das Antwort-Video doch nicht zu veröffentlichen. Man habe entschieden, keine „hastige Antwort“ zu geben, sondern „die politische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Argumenten, Analysen und Schlussfolgerungen“ zu suchen, schrieb Generalsekretär Ziemiak am Donnerstag in einem offenen Brief an Rezo.

Zuspitzung oder Diskurs?

Ein offener Brief also anstelle eines Videos. Die CDU habe „den Mut und die Verpflichtung, auf komplexe Fragen auch gut durchdachte und angemessene Antworten zu geben“, schreibt Ziemiak darin – und lädt den Youtuber via Twitter zum Gespräch ein. Ein kommunikatives Desaster, nur drei Tage vor der Europawahl? Nicht unbedingt, meint Uwe Jun, Experte für politische Kommunikation und Professor an der Universität Trier. „Ich bin skeptisch, ob man hier wirklich im gleichen Stil antworten sollte“, so Jun im Gespräch mit der DW.

Youtube statt Stammtisch? Die CDU versucht, auch in den Neuen Medien Flagge zu zeigen

„Bestimmte Gruppen erreicht man zwar besser, wenn man zugespitzt formuliert und wenn man sich klar positioniert“, sagt Jun. „Das allerdings sollte man immer argumentativ untermauern und Pro und Contra abwägen. Davon lebt die politische Kultur in unserem Land.“ Das sei eine schwierige Aufgabe für Kommunikatoren, so Jun. „Ich erkenne, dass die Parteien sich schwertun, beiden Anforderungen gerecht zu werden. Sie bekommen nicht so viel Aufmerksamkeit wie diejenigen, die sich sehr einseitig positionieren.“

Schon im Konflikt um das Urheberrecht wirkte vor allem die CDU dabei stark in die Defensive gedrängt, während Polit-Aktivisten auf Youtube und Twitter Stimmung gegen die Partei machten. Zumindest eines hat der Schlagabtausch zwischen Rezo und der CDU  jedoch erreicht: Kurz vor der Europawahl diskutieren auch junge Wähler in Deutschland wieder leidenschaftlich über Politik.

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