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Deutschland - 05.12.2018

Mafia-Expertin: „Mafia geschickter als arabische Clans“

Die Polizei in Deutschland und einer Reihe anderer Länder hat einen umfangreichen Schlag gegen die ‚Ndragheta geführt. Die Mafia-Expertin Petra Reski erklärt, warum der Kampf bisher so wenig erfolgreich war.

DW: Frau Reski, wie groß ist das Problem Mafia in Deutschland?

Reski: Das Problem ist massiv, und das schon seit 40 Jahren. Mich wundert nur, dass man in Deutschland in einen tiefen Schlaf verfällt, aus dem man nur von Zeit zu Zeit aufschreckt, wenn man wieder einmal einen sogenannten großen Schlag gegen die Mafia führt, aber ansonsten an den gesetzlichen Lücken, durch die die Mafia schlüpft, nichts ändert.

Warum sucht sich die Mafia gerade Deutschland aus?

Die Mafia geht am liebsten dorthin, wo die Wirtschaft am besten funktioniert, und Deutschland ist nunmal fast das einzige Land in Europa, in dem die Wirtschaft richtig brummt. Daher ist Deutschland für die Mafia extrem interessant. Große öffentliche Bauprojekte zum Beispiel gibt es in Italien fast gar keine mehr. Die gibt es aber in Deutschland, und da ist man gerne dabei.

Wie sehen diese dunklen Geschäfte aus?

Nehmen wir die Baumafia, da gibt es Briefkastenunternehmen, da gibt es illegale Arbeiter, man verwendet minderwertige Materialien. In Deutschland wird aber die Mafia vor Gericht gar nicht als Mafia bezeichnet, sondern als Unternehmen, das mit illegalen Mitteln arbeitet.

Das heißt, Sie glauben, dass in Deutschland vieles von der Mafia unterwandert ist, was gar nicht bekannt ist?

Eindeutig. Das ist nicht meine persönliche Vermutung, sondern das legen die Ermittlungsunterlagen nahe.

Reski: Deutschland ist im Tiefschlaf

Die Polizei hat jetzt in verschiedenen Ländern zugeschlagen. Wie sind hier die Mafia-Verbindungen?

Die ‚Ndrangheta hat den großen organisatorischen Vorteil, dass sie vor Ort Clans bilden kann. Sie ist weltweit verbreitet, es gibt praktisch kein Land der Welt, wo die ‚Ndrangheta nicht präsent ist.

Und das läuft über Familienclans?

Ja und nein. Es ist nicht so, dass in die Clans ausschließlich Familienmitglieder aufgenommen werden, aber die ‚Ndrangheta stützt sich weitgehend auf Blutsverwandtschaft. Das hat für sie den großen Vorteil, dass Blutsverwandte sich nicht so leicht gegenseitig verraten.

Was kann man tun, um der Mafia das Handwerk zu legen?

Man muss vernünftige Gesetze machen und darf nicht die Augen verschließen, aber genau das hat man in Deutschland 40 Jahre lang getan. Ich habe keinen deutschen Politiker gehört, der je das Wort Mafia in den Mund genommen hätte, es sei denn, er hätte gleichzeitig das Wort „Rückzugsgebiet“ genannt. Das sollte den Deutschan dann sagen, in Deutschland ruhten sich die Mafiosi nur von ihren Taten aus, machten aber nichts. Das hat aber nie gestimmt. Ich wünsche mir ein politisches Engagement gegen die Mafia, aber das habe ich in Deutschland nie gesehen, bei keiner Partei.

Von welchen Gesetzen sprechen sie, die man ändern müsste?

Ich spreche besonders von Gesetzen gegen die Geldwäsche. Das größte Problem für die deutschen Ermittler ist die fehlende Beweislastumkehr, und dies trotz einer kürzlichen Gesetzesnovelle. Anders als in Italien, wo der Investor beweisen muss, dass sein Geld aus sauberen Quellen kommt, muss in Deutschland der Polizist beweisen, dass das Geld aus unsauberen Quellen kommt. Außerdem sind anlassunabhängige Ermittlungen nicht statthaft. Das heißt, der Polizist muss vom Staatsanwalt die Erlaubnis haben, dass er ermitteln kann. Der reine Verdacht reicht also nicht aus. Das ist natürlich ein Einladungsschreiben. Das sagt auch jeder italienische Anti-Mafia-Staatsanwalt.

Die Polizei in Deutschland geht inzwischen verstärkt gegen arabische Clans vor. Gibt es Parallelen zur italienischen Mafia?

Bei den arabischen Clans liegt der Unterschied darin, dass sie massiv gewalttätig und auch optisch präsent sind, und das beunruhigt logischerweise den deutschen Durchschnittsbürger. Da hat dann auch der Politiker ein Interesse, dagegen vorzugehen, um sich als jemand zu profilieren, der sich gegen solche Clans durchsetzt. Wohingegen die italienische Mafia, die eine viel längere Erfahrung hat, nicht so blöd ist, mit Gewalttaten wie gesprengten Autos aufzufallen, sondern sie machen es viel geschickter und kommen daher auch mit der Politik viel besser zurecht.

Sie leben schon viele Jahre in Italien. Ist es dort mit der Mafia besser geworden?

In Italien ist zumindest das Bewusstsein dafür besser geworden. Das ist der große Unterschied zu Deutschland. Das hat auch mit der mangelnden Information über die Mafia in Deutschland zu tun. Jeder Journalist, der über die Mafia in Deutschland berichtet und auch Namen genannt hat, wurde jedes Mal verklagt und hat jedesmal den Prozess verloren. Ich gehöre auch dazu. Und dann verlieren die Redaktionen die Lust, über solche Dinge zu berichten, und dann der Bürger auch nichts über die Mafia in seinem Land erfahren. Das ist anders in Italien. In Italien kann derjenige, der etwas über die Mafia erfahren will, auch wirklich etwas erfahren.      

 

Die deutsche Journalistin und Schriftstellerin Petra Reski hat mehrere Sachbücher und Romane über die Mafia geschrieben. Sie lebt in Italien.

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