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Deutschland - 15.11.2018

Digitalisierung: Deutschland muss dringend aufholen

Die Bundesregierung sieht Deutschland zukünftig als führenden Standort für künstliche Intelligenz. Dabei hapert es bereits mit der grundlegenden Digitalisierung. Wir erklären, wo es besonders hakt.

Deutschland ist eines der reichsten Länder der Erde. Die Bundesrepublik ist bekannt als „Land der Dichter und Denker“ und als Wiege hoch angesehener Unternehmen wie Siemens, Lufthansa und VW (auch wenn der Ruf der Autobauer seit dem Dieselskandal gelitten hat). Da scheint es schwer vorstellbar, dass es immer noch Ecken des Landes gibt, in denen Anwohner und Firmen vom Internet und jeglichen Handynetzen abgeschnitten sind. Aber genauso ist es.

Die Bundesregierung sitzt aktuell in Brandenburg zusammen, um bei einer Kabinettsklausur darüber zu diskutieren, wie sie die Digitalisierung Deutschlands vorantreiben können. Ein Ziel: Bis 2022 sollen alle Verwaltungsleistungen wie Reisepass beantragen oder Wohnsitz ummelden, online verfügbar sein. Außerdem soll Deutschland bis 2025 zu einem weltweit führenden Standort für künstliche Intelligenz (KI) werden. Hehre Ziele, wenn man bedenkt, dass es an vielen Grundlagen der Digitalisierung Deutschlands noch hakt.

Weiße Flecken auf der digitalen Landkarte

Weniger Papiermüll, keine Wartezeiten in Ämtern und keine langen Anfahrtswege mehr – die geplante Digitalisierung aller Behördenangebote klingt großartig. Anwohnern einiger ländlicher Regionen in Deutschland bringt sie allerdings herzlich wenig. Denn ohne Breitbandinternet-Abdeckung können nur die wenigsten dieser Angebote genutzt werden.

Kein Netz: So geht es den Menschen in Brenschede und anderen ländlichen Regionen häufig

Von dem Problem können die Menschen im nordrhein-westfälischen Brenschede ein Lied singen. „Sie können hier zum Beispiel nicht ihre Steuerklärung digital einreichen. Dauernd stürzt ihnen der Rechner ab“, erzählte Anwohner Wolfgang Hengesbach der DW im Frühjahr 2018. Selbst ans Handynetz sind die Brenscheder nicht angeschlossen. Ein funktionierendes Mobilfunkgespräch ist reine Glückssache. Was absurd klingt, ist in Deutschland aber nicht so selten wie man denkt.

Schleppender Glasfaser-Ausbau

Auf der Regierungsklausur zur Digitalisierung haben die Politiker deshalb versprochen, dass der Ausbau des Glasfasernetzes bis 2025 abgeschlossen sein soll. Spätestens in sieben Jahren sollen die Menschen überall in Deutschland im Internet surfen können, ohne dass sie minutenlang auf den Aufbau einer Website warten müssen.

Erst diesen Sommer hatte die OECD Deutschland gemahnt, endlich in den Ausbau grundlegender Strukturen wie den Breitbandausbau in ländlichen Regionen zu investieren. Deutschland liegt in diesem Bereich weit hinter Ländern wie Japan oder Südkorea zurück.

Auch im europäischen Vergleich sieht es nicht besser aus: Deutschland hinkt beim Ausbau der Glasfasernetze, die schnelles Internet garantieren, immens hinterher: In Estland profitieren bereits 73 Prozent der Haushalte von direkt verfügbaren Glasfaserverbindungen, in Schweden 56 und in Spanien 53. Hierzulande verfügen dagegen nur sieben Prozent der Haushalte über einen Glasfaseranschluss, im ländlichen Bereich liegt die Quote sogar unter zwei Prozent.  

Online arbeiten auf Reisen? Schwierig!

Von zuhause arbeiten und trotzdem mit der Firma in Kontakt stehen, ist für viele Menschen somit keine Option. Das Arbeiten von unterwegs gestaltet sich in weiten Teilen Deutschlands ebenfalls schwierig. Wer schon mal versucht hat, aus einem Intercity der Deutschen Bahn (DB) auf den Firmenserver in der Cloud zuzugreifen, weiß, wie langsam das Internet im Zug ist, und wie häufig die Verbindung komplett abbricht. Schon das Absenden einer einfachen Whatsapp-Nachricht kann zur frustrierenden Mammutaufgabe werden.

Immerhin, in den ICEs sollen die Passagiere eigentlich Zugriff zum WLAN der DB haben – aber auch das funktioniert nicht immer. Das soll besser werden. Die Deutsche Bahn hat kürzlich für rund 100 Millionen Euro ihre gesamte ICE-Flotte mit einem neuen, leistungsfähigerem WLAN ausgestattet. Das Unternehmen weist in der Presseerklärung aber auch darauf hin: „Die zur Verfügung stehende Bandbreite im Zug ist jedoch immer abhängig von der Leistungsfähigkeit der Mobilfunknetze.“  

Ausländische Investoren zögern

Die ungenügende Netzabdeckung in Deutschland bleibt auch bei Firmen aus dem Ausland nicht unbemerkt. Eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) von Juni 2018 zeigt, dass zwar die Zahl der Investitionsprojekte ausländischer Firmen in Deutschland 2017 gestiegen ist. Gleichzeitig geht aus der Studie aber auch hervor, dass die ungenügende Breitbandabdeckung bemängelt wird. Nur 66 Prozent der 505 weltweit befragten Manager bewerteten die Telekommunikationsinfrastruktur in Deutschland positiv. Vor einem Jahr lag der Anteil bei 76 Prozent, 2016 sogar noch bei 84 Prozent.

5G-Abdeckung für selbstfahrende Autos

Autonome Fahrzeuge sind ein großes Thema, wenn es um die Mobilität der Zukunft geht. Damit Autos ihre Passagiere ohne Fahrer über deutsche Straßen kutschieren können, braucht es aber nicht nur eine ausgeklügelte Technik im Fahrzeug. Damit zwei solcher Autos nicht einfach frontal zusammenstoßen, muss eine Vielzahl von Daten in Echtzeit übertragen werden – und dafür braucht es ein lückenloses Highspeed-Mobilfunknetz.

„Der Regelbetrieb für das automatisierte und vernetzte Fahren steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer durchgehenden Anbindung der Verkehrsteilnehmer an superschnelles Breitband“, so steht es in einem Strategiepapier der Bundesregierung.

Selbst 4G-Datenverbindungen, die aktuell das schnellste sind, was es gibt, reichen da nicht aus. Für eine wirkliche Echtzeit-Übertragung, die für selbstfahrende Autos unerlässlich ist, muss es schon 5G-Technologie sein. Die ist allerdings noch Zukunftsmusik. Die Frequenzen für den neuen Standard sollen frühestens ab 2019 nutzbar sein. „In Deutschland startet der Ausbau von 5G voraussichtlich 2020 und wird in der ersten Ausbaustufe vor allem in Ballungszentren funktionieren“, sagt Vodafone-Sprecher Markus Teubner. Vor allem in Ballungszentren – klingt, als zögen Anwohner ländlicher Regionen auch in Zukunft den Kürzeren.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Reise vom Silicon Valley nach Las Vegas

    Dieser Audi A7 ist voller Sensoren. Anfang 2015 fuhr das Auto selbständig den kompletten Weg vom Silicon Valley zur Technikmesse CES in Lag Vegas. 900 Kilometer lang war der Road-Trip über den Highway. Der Steuermann war nur für den Notfall an Bord – eingreifen musste er bei dieser Fahrt nicht.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Richtig gemütlich!

    Dieser Prototyp von Mercedes Benz trägt den Namen F015 und zeigt in allen Konequenzen, wie ein autonomes Auto aussehen könnte: Ein Fahrersitz ist überflüssig. Stattdessen können sich alle Insassen während der Fahrt anschauen und gemütlich unterhalten. Auch dieses Forschungsfahrzeug wurde in Silicon Valley entwickelt. Seine Maximalgeschwindigkeit liegt zurzeit bei 200 km/h.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Nichts für ungeduldige Typen

    Eigentlich sind autonome Fahrzeuge sehr sicher. Sie sind so programmiert, dass sie im Zweifelsfall eher die Fahrt verlangsamen. Sie halten definitiv den vorgegebenen Sicherheitsabstand ein und gefährden andere Verkehrsteilnehmer nicht durch aggressive Fahrmanöver, wie etwa dieser Raser.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Gemütlich immer hinterher

    Diese beiden autonomen Wagen der Universität der Bundeswehr in München machen es vor: Ganz entspannt fährt ein Wagen vorneweg, der andere folgt ganz treu, immer hinterher. Sie finden ihren Weg sogar in unbefestigtem Gelände auf Wegen, die sie vorher nicht kannten. Das zeigt eine Übung auf dem ELROB Roboterwettbewerb 2012.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Das wäre nicht nötig gewesen

    Zu solchen Massenkarambolagen kommt es, wenn Menschen zu schnell fahren, schlechte Sicht haben und nicht genügend Sicherheitsabstand einhalten. Klug gebaute Roboter-Autos würden solche Fehler nicht machen. Wären viele von ihnen vernetzt, könnten sie sogar schon Kilometer vorher Signale an nachfolgende Autos schicken: Vorsicht Stau!


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Sensoren für alle Gefahren-Typen

    Roboter-Autos können unterschiedliche Augen nutzen, um ihre Umwelt zu erkennen. Ein von Google entwickeltes autonomes Auto nutzt zum Beispiel solch einen Lasersensor. Der dreht sich und tastet dabei seine Umgebung mit einem Laserstrahl dreidimensional ab.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Die echte Welt aus Laser-Sicht

    Und so sieht das dann aus: Der Wagen der Universität der Bundeswehr fährt durch unwegsames Gelände. Der Laser entwirft eine dreidimensionale Karte, die er in den Computer einfüttert. So kann man sogar die Perspektive eines Außenstehenden einnehmen und dem Wagen bei seiner Entdeckungsfahrt zuschauen.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Orientierung per Satellit, Radar und Auge

    Roboter können sich auch mit vielen anderen Mitteln im Feld orientieren. Zum Beispiel mit optischen Augen – wie dieser handelsüblichen USB-Kamera – oder kleinen Radar-Sensoren. Auch die Positionsbestimmung per Satellit ist für Autos wichtig – über GPS-Daten.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Sehende Autos – Zukunftstechnologie aus Deutschland

    Mit optischen Kameras arbeiten auch Forscher bei Daimler. Für die Erfindung sehender Autos wurden sie 2011 für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. Diese Kamera ist hinter der Windschutzscheibe eines Mittelklassewagens montiert. Aufmerksam verfolgt sie, was sich auf der Straße abspielt.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Aus Bildpunkten wird Bewegung

    Die optische Kamera erkennt zunächst tausende Bildpunkte – eine sogenannte Punktewolke. Aus der Bewegung einzelner Bildpunkte errechnet sie Vektoren – also Bewegungspfeile. Verschiedene Vektoren sind unterschiedlich lang. Daraus entwirft der Bordcomputer ein komplexes Bewegungsbild des Verkehrs vor und neben dem Auto.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Abbremsen oder ausweichen?

    Indem der Bordcomputer die Vektoren herausfiltert, die bei der Fahrtgeschwindigkeit des Autos ungewöhnlich verlaufen, kann er Gefahren erkennen: Ein Fußgänger läuft von rechts vor das Auto und wird orange markiert. Im Hintergrund entfernt sich ein anderes Auto. Die Bewegungspunkte sind grün – keine Gefahr. So kann der Wagen reagieren, falls der Fahrer unaufmerksam ist.


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    Wer entscheidet – Computer oder Mensch?

    Die Technik wäre also so weit. Aber die Frage, ob Roboter autonom auf den Verkehr losgelassen werden sollen, stellt Politiker und Juristen vor schwierige ethische Fragen: Wer trägt die Verantwortung, wenn ein Roboterauto einen Unfall baut: Hersteller, Software-Programmierer, Eigentümer oder Fahrzeugführer? Und wie sieht es außerhalb des normalen Straßenverkehrs aus?


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Wenn es für Menschen zu gefährlich wird

    Zum Beispiel im Kriegseinsatz – wenn man Material von einem Ort zum anderen transportieren will. Oder nach einem Chemie- oder Nuklearunfall, wenn das kontaminierte Gebiet für Menschen zu gefährlich ist. Dafür bauen Entwickler autonome Fahrzeuge, die schon heute praktische Aufgaben erfüllen können, wie hier bei der polnischen Militärakademie.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Leistungsschau autonomer Roboter

    An der polnischen Militärakademie in Warschau fand im Sommer 2014 der Europäische Roboterwettbewerb ELROB statt. Fünf Tage lang konnten sich dort solche autonomen Fahrzeuge messen. Dieser Transporter der schweizerischen RUAG wurde erstmals 2012 in Thun in der Schweiz vorgestellt.


  • Das Auto denkt, das Auto lenkt

    Hände weg vom Steuer!

    Fährt ein Fahrzeug ohne Fahrer auf eine Sprengfalle, geht zwar die Technik kaputt, doch zumindest kommt kein Mensch zu Schaden. Bei der ELROB-Übung musste allerdings noch jemand im Führerhaus sitzen, um den Not-aus-Knopf zu drücken, falls etwas schief ginge.

    Autorin/Autor: Fabian Schmidt


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