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Deutschland - 19.01.2019

Ali Adubisi: ein saudischer Menschenrechtler in Berlin

Seit seiner Flucht nach Deutschland engagiert sich Ali Adubisi für die Menschenrechte in Saudi-Arabien. Nun veröffentlichte er mit seiner Organisation einen Report zur Todesstrafe im Königreich. Ein Porträt.

Erleichtert: Ali Adubisi (Mi.) mit zwei Freunden nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis 2011

Israa Al-Ghomgham muss immer noch die Todesstrafe fürchten. Die saudische Frauenrechtlerin war im Dezember 2015 verhaftet worden. Anschließend verbrachte sie ohne Urteil 32 Monate im Gefängnis. Der Zugang zu einem Anwalt wurde ihr verwehrt. Angeklagt war sie der Teilnahme an den Unruhen der mehrheitlich schiitisch besiedelten Provinz Qatif im Osten Saudi-Arabiens. Laut Anklage hat Al-Ghomgham die Demonstranten aufgewiegelt. Außerdem soll sie Protestlieder angestimmt, gefilmt und die Videos ins Internet gestellt haben. Für diese und weitere Aktionen plädierte der saudische Staatsanwalt zu Prozessbeginn im August 2018 für die Todesstrafe. Zu dem nächsten Prozesstermin drei Monate später erschien Al-Ghomgham nicht – ein Umstand, der ihre Unterstützer um ihre physische und psychische Gesundheit fürchten lässt.   

Der Fall der saudischen Menschenrechtlerin findet sich auch in einer Dokumentation zur Todesstrafe in Saudi-Arabien, den die in Berlin ansässige Menschenrechtsorganisation „European Saudi Organisation for Human Rights“ (ESOHR) in dieser Woche herausgegeben hat.

Engagiert für Frauenrechte  

Israa Al-Ghomgham sei nicht die erste Frau, die sich mit einem Todesurteil konfrontiert sehe, sagt Ali Adubisi, der Gründer und Direktor von ESOHR. Auch seien Todesurteile gegen Frauen bereits vollstreckt worden. So wurde im Oktober 2018 die 1984 geborene Indonesierin Tuti Tursilawati hingerichtet. Die junge Frau, die als Haushaltshilfe in Saudi-Arabien arbeitete, war einem Bericht der Menschenrechtsorganisation „Migrant-Rights.org“ zufolge seit dem Jahr 2009 von ihrem Arbeitgeber immer wieder sexuell missbraucht worden. Bei einem Übergriff im März 2010 stach sie ihn nieder. Der Vergewaltiger starb. Die junge Frau wurde daraufhin zum Tode verurteilt.

Stätte des Grauens: der Hinrichtungsplatz in Riad

Harte Urteile gegen Frauen würden ganz bewusst gefällt, sagt Ali Adubisi im Gespräch mit der DW. Vor allem Frauenrechtlerinnenstünden im Visier der Justiz: „Frauen erkämpfen sich in Saudi-Arabien immer mehr Macht. Für den Geschmack konservativer Hardliner ist das zu viel. Weitere Freiheitsansprüche der Frauen wollen sie nicht zulassen. Darum geben sie den Frauen auf juristischen Wegen ein Zeichen.“

Flucht aus Saudi-Arabien 

Ali Adubisi, der aus dem schiitisch dominierten Bezirk Al-Qatif im Osten des Landes stammt, hat selbst düstere Erfahrungen mit der Justiz im saudischen Königreich. Im Frühjahr 2011 wurde er zum ersten Mal verhaftet. Bei einer Verkehrskontrolle stießen Polizisten in seinem Wagen auf politisch und kulturell missliebige Broschüren, insbesondere Texte zu den Menschenrechten. Da diese jedoch strafrechtlich nicht relevant waren, wurde er nach drei Tagen aus der Haft entlassen. 

In Sicherheit: Ali Adubisi in Deutschland

Im September 2011 wurde er wiederum verhaftet – wieder, weil man bei ihm missliebige Literatur fand. Dieses Mal dauerte die Haft vier Monate. In dieser Zeit, so stellt er es in seinem Lebenslauf dar, wurde er beschimpft, beleidigt und misshandelt. Man schlug ihn mit den Händen, trat ihn, ließ ihn über Stunden mit verbundenen Augen und erhobenen Händen stehen und setzte ihn in einer Zelle starken Temperaturschwankungen aus. Insgesamt wurde er gut 260 Tage ohne Angabe von Gründen und juristische Rechtfertigung in Haft gehalten, davon sieben Wochen in Einzelhaft. Als die Behörden im März 2013 wieder begannen, sich für ihn zu interessieren, setzte sich Adubisi mit seiner Familie ins Ausland ab. Auf einigen Umwegen kam er dann nach Deutschland. 

„Ich bin froh, hier zu sein“ 

Nach seiner Flucht kam er nach Deutschland, wo er sich seitdem für politisch Verfolgte in Saudi-Arabien einsetzt. Zu diesem Zweck gründete er die „European Saudi Organisation for Human Rights“ (ESOHR), deren Direktor er nun ist. „Ich bin froh, hier zu sein“, sagt Adubisi. „Denn hier kann ich frei und in Sicherheit arbeiten.“  

Regelmäßig publiziert seine Organisation seitdem Studien zur Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien – diese Woche etwa den Report zur Todesstrafe im Königreich. Bei seiner Arbeit greift er auf ein Netz von Informanten in seiner alten Heimat zurück: „Es gibt dort eine Menge Personen, die entsprechende Informationen sammeln und weiterleiten.“

Justiz am Pranger: Proteste gegen die Hinrichtung des schiitischen Klerikers Nimr al-Nimr, Januar 2016

Der nun herausgegebene Report zur Todesstrafe stützt sich auch auf offizielle Quellen in Saudi-Arabien. Dort informieren die Behörden die Öffentlichkeit regelmäßig über vollzogene Todesstrafen. „Diese Bekanntgaben dienen auch dazu, die Bevölkerung einzuschüchtern“, sagt Adubisi. Für das Jahr 2017 dokumentiert ESOHR 146 Hinrichtungen. Die Zahl deckt sich mit den Befunden der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Im Jahr 2018 wurden ESOHR zufolge 149 Menschen hingerichtet. Adubisi spricht zudem von einer Dunkelziffer im niedrigen einstelligen Bereich. Zwar wurden die meisten Personen wegen Verstößen gegen das Strafrecht hingerichtet. Unter den Opfern befinden sich aber auch politische oder konfessionell motivierte Aktivisten wie etwa der gewaltlos agierende schiitische Prediger Nimr al-Nimr, der 2016 hingerichtet wurde.   

In Deutschland habe er keine Angst, sagt Adubisi. Sorge bereitet ihm allerdings der Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul im Oktober vergangenen Jahres. Das habe bei vielen Dissidenten Unruhe ausgelöst, und zwar nicht nur in der Türkei. Umso entschlossener wolle er für die Menschenrechte in Saudi-Arabien kämpfen. „Das bin ich vielen meiner Mitbürger schuldig“, sagt Adubisi.

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